Die Glasbrecherin
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Irene Euler. Die Glasbrecherin
Die Glasbrecherin
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Irene Euler: Der Zorant – Leseprobe
Impressum
Отрывок из книги
Ulante starrte ins Nichts. Wann immer sie eine Karte von Linland vor sich liegen hatte, endete ihr Blick im Nichts – dort, wo die schwarzen Tintenstriche mit dem Glynwald abbrachen. Dort, wo nur noch pergamentfarbene Leere herrschte. Dort, wo vor fünf Jahren Siedler versucht hatten, neuen Boden zu kolonisieren. Dort, wo plötzlich die Ronn aufgetaucht waren, diese seltsam menschenähnlichen Wesen. Mit drei Fingern statt vier, die dafür von zwei Daumen eingerahmt wurden. Mit merkwürdig leichtem, beinahe flauschigem Haar und kurzen, stumpfen Nasen. Mit Augen, deren Schnitt so rund war, dass man das Weiße nicht zu sehen vermochte. Es wären Kinderaugen gewesen, hätte nicht unverbrüchlicher Stolz aus ihnen gesprochen. Derselbe Stolz hielt die schmalen, länglichen Schädel der Ronn betont aufrecht auf ihren strammen Hälsen. Seit vier Jahren kämpfte Ulante in jedem Frühjahr, in jedem Sommer und in jedem Herbst gegen die Ronn, dort am Rande des Nichts. Zwei Jahre lang als Oberstes Schwert, zwei Jahre lang als Generalin. Und sie war keinen einzigen Schritt weiter gekommen. Es war dem Heer unter ihrer Führung nicht gelungen, das unbekannte Hügelland hinter dem Glynwald zu erobern. Es war ihm nicht einmal gelungen, die Ausläufer des Waldes frei von Ronn zu halten. Seit vier Jahren ging es um mehr als nur um neues Land für die Kolonisten. Es ging darum, Linlands Grenze gegen die Ronn zu sichern. Dafür musste Ulante die Ronn vernichten, oder zumindest weit zurückschlagen. Noch in diesem Jahr, das gerade erst begonnen hatte. Einen weiteren Winter auf Glynwerk würde sie nicht ertragen. Auf dieser düsteren Festung über einem Bergpass tief im Glynwald fühlte sie sich jeden Tag mehr wie eine Gefangene. Andere Aufgaben warteten auf sie. Solange sie hier im Nordosten festsaß, konnte die Westprovinz nicht für Linland zurückerobert werden. Sie hungerte danach, ihr Heer gegen die Westprovinz zu führen – gegen diese elenden Verräter, die glaubten, ihren Landstrich nach hundertsiebzig Jahren einfach wieder von Linland trennen zu können. Das würde ein wahrer Kampf sein: Linländer gegen abtrünnige Linländer, alle mit vier Fingern und einem Daumen an den Händen, mit schwerem, glänzendem Haar auf den Köpfen, mit stämmigen Leibern, mit kräftigen Nasen, mit rundlichen Schädeln und mit Augen, die ihre Blickrichtung verrieten. Kämpfer gegen Kämpfer auf offenem Feld – anders als gegen die verschlagenen, feigen Ronn, die sich nie einer richtigen Schlacht stellten. Ungestüm schob Ulante die Karte von sich und warf ihr dunkelbraunes Haar über die Schultern zurück. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sie brauchte eine wirksame Waffe gegen die Ronn. Oder ein Wunder.
Es pochte an die Tür.
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„Natürlich kann ein Glasbrecher sich mit einem Schrei verteidigen.” Um nichts in der Welt hätte Wiralin verraten, dass erst Uto ihn auf diesen Gedanken gebracht hatte. „Aber nur dann, wenn er auch genug Mut und Geistesgegenwart hat, um tatsächlich zu schreien. Ich bin nicht sicher, ob einer dieser elenden Glasbrecher so viel Mut und Geistesgegenwart hat. Diese hier“ – er deutete mit dem Kopf auf die Gestalt, die soeben aus dem Verschlag neben dem Stall kam – „hat sie bestimmt nicht. Sie fürchtet sich schon vor völlig harmlosen Leuten und wird starr vor Angst, wenn ihr jemand zu nahe kommt.“
„Sie wird aber auch ziemlich angestarrt wegen ihrer komischen Kleider.“ Uto malte mit seinen Händen die Kontur eines Kartoffelsacks in die Luft. „Wer trägt schon solche Kutten wie die Glasbrecher?“
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