Читать книгу Drei Portraits - Иван Тургенев - Страница 1

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Nachbarschaft,« darin besteht eine der hauptsächlichsten Unannehmlichkeiten des Lebens auf dem Lande. Ich habe einen Gutsbesitzer aus dem Wologda’schen Gouvernement gekannt, der bei jeder passenden Gelegenheit auszurufen pflegte: »Gott sei gedankt, (ich habe keine Nachbarn)« – und ich gestehe ; ich mußte diesen glücklichen Erdensohn beneiden. Mein Landgütchen lag in einem der volkreichsten Gouvernements Rußlands. Das liebe Volk von Nachbarn umgab mich in zahlreicher Menge, von biedern und ehrenwerthen Gutsbesitzern, in weiten Fracks und weiten Westen an – bis auf lockere Zeisige in Schnurröcken mit langen Aermeln und Bordenquasten auf dem Rücken. Unter allen diesen Landedelleuten entdeckte ich jedoch durch Zufall einen überaus liebenswürdigen Jungen: er hatte früher im Militär gedient, nachher seinen Abschied genommen und sich für immer auf dem Lande niedergelassen. Wie er sagte, hatte er zwei Jahre im P.-schen Regimente gedient; ich aber begreife durchaus nicht, wie dieser Mensch auch nur zwei Tage hintereinander, geschweige denn zwei Jahre lang irgendein Amt hat verwalten können. Er war für ruhiges Leben, für Iändliche Stille geschaffen, das heißt für ein träges, sorgloses Vegetiren, das, beiläufig gesagt, auch große und unerschöpfliche Reize zu bieten im Stande ist. Er besaß ein recht hübsches Vermögen: ohne sich die Bewirthschaftung seines Gutes sehr angelegen sein zu lassen, verlebte er jährlich gegen zehn tausend Rubel; er hielt einen vorzüglichen Koch (mein Bekannter war ein Freund guter Küche ), und ließ sich außerdem aus Moskau die neuesten französischen Bücher und Zeitschriften kommen. In russischer Sprache las er nur die Berichte seines Verwalters und selbst das machte ihm große Mühe. Vom Morgen an (wenn er nicht gerade auf die Jagd ritt) bis zum Mittage und auch bei Tafel, kam er nicht aus dem Schlafrock heraus; entweder vertrieb er sich die Zeit, indem er unter landwirthschaftlichen Entwürfen umherstöberte, oder er ging in den Stall und auf die Tenne und lachte und scherzte mit den Weibern, die dann in seinem Beisein sich beim Schwingen der Dreschflegel nicht allzusehr anzugreifen pflegten. Nach dem Essen pflegte mein Freund vor dem Spiegel sorgfältig Toilette zu machen und fuhr dann zu irgend einem Nachbarn, der mit einem Paar hübschen Töchtern gesegnet war; sorglos und friedlich machte er bald der einen, bald der andern den Hof, spielte mit ihnen blinde Kuh, kehrte ziemlich spät nach Hause zurück und verfiel sofort in tiefen Schlaf. Sich langweilen konnte er nicht, denn er war niemals ganz unbeschäftigt; in der Auswahl eines Zeitvertreibes war er niemals wählerisch, und die geringste Kleinigkeit konnte ihn wie ein Kind unterhalten. Andererseits machte er sich nicht viel ans seinem Leben, und wenn es daraus ankam, einen Wolf oder Fuchs zu »überrennen« – so setzte er in gestrecktem Galopp über so breite Gräben, daß mir‘s bis heute unbegreiflich ist, wie er sich nicht hundert Mal das Genick gebrochen hat. Das war eben einer von jenen Menschen, bei deren Anblick in Einem der Gedanke aufsteigt, sie seien sich ihres eigenen Werthes nicht bewußt, es schlummern unter äußerer Gleichgültigkeit große und heftige Leidenschaften; er würde Einem aber in‘s Gesicht gelacht haben, hätte er eine Ahnung davon gehabt, daß man solche Ansicht über ihn hegen könne; und die Wahrheit zu sagen, ich selbst bin der Meinung, daß, wenn auch mein Bekannter in jüngeren Jahren etwa ein unbestimmtes, jedoch heftiges Streben nach Dem empfunden haben sollte, was man recht bezeichnend mit »Etwas Höheres« benannt hat, so hatte sich dieß Streben bei ihm doch schon längst verloren. Er war ziemlich wohl beleibt und erfreuete sich einer vortrefflichen Gesundheit. Heut zu Tage können wir Leute, die sich nur wenig mit sich selbst beschäftigen, nicht genug in Ehren halten, denn dergleichen trifft man äußerst selten . . . und mein Bekannter wäre im Stande gewesen, sein eigenes Ich ganz zu vergessen. Doch genug von ihm, um so mehr, weil er nicht der Held meiner Erzählung ist. Ich will nur noch erwähnen, daß er Peter Fedorowitsch Lutschinow hieß.

An einem Herbsttage waren wir unser fünf Jäger bei Peter Fedorowitsch zusammengekommen. Den ganzen Morgen hatten wir auf dem Felde zugebracht, zwei Wölfe und eine Menge Hasen zu Tode gehetzt und waren in jener freudig-erregten Stimmung zurückgekehrt, die jeden echten Waidmann nach einer glücklichen Jagd überkommt. Es begann zu dunkeln. Draußen strich der Wind über die Felder und neigte geräuschvoll die entblätterten Wipfel der Birken und Linden, die Lutschinow‘s Haus umstanden. Wir waren angekommen und stiegen von den Pferden . . . am Eingange blieb ich stehen und warf einen Blick zurück: langgestreckte Wolken zogen am grauen Himmel hin; die dunkelbraunen Hecken ächzten kläglich, vom Winde gepeitscht; das welke Gras schmiegte sich widerstandslos und traurig der Länge nach an den Boden; Schwärme von Drosseln zogen über die von Büscheln hochrother Beeten bedeckten Ebereschen; pfeifend hüpften Kohlmeisen auf den dünnen und zerbrechlichen Zweigen der Birkenbäume umher; aus dem Dorfe tönte heiseres Hundegebell herüber. Schwermuth wandelte mich an . . . und mit wahrer Wonne trat ich in den Speisesaal. Die Fensterladen waren geschlossen; auf dem runden, mit schneeweißem Tischtuche bedeckten Speisetische, mitten unter geschliffenen Flaschen voll rothen Weines, brannten acht Kerzen in silbernen Leuchtern; im Camine flammte lustig ein Feuer – und ein alter, höchst anständiger Haushofmeister mit breiter Glatze, nach englischer Art gekleidet, stand ehrerbietig regungslos vor einem anderen Tische, auf welchem bereits, in leichten duftigen Dampf gehüllt, eine große Suppenschüssel prangte. Auf der Hausflur waren wir an einem anderen ältlichen Diener vorbeigekommen, der mit Gefrierenmachen des Champagners – »nach allen Regeln der Kunst « – beschäftigt war. – Das Diner war, wie es in ähnlichen Fällen zu sein pflegt, überaus heiter; wir lachten, gaben Jagdabenteuer zum Besten und gedachten mit Entzücken zweier berühmter »Treiben.« Nach dem Essen setzten wir uns in breiten Sesseln um das Camin herum; aus dem Tische erschien eine geräumige silberne Bowle und einige Minuten daraus verkündete uns die flackernde Flamme des angezündeten Rums die glückliche Idee unseres Wirthes: »einen Glühwein herzustellen.« – Peter Fedorowitsch war ein Mensch, dem es an Geschick nicht fehlte; so zum Beispiel wußte er, daß nichts auf die Einbildungskraft so ertödtend wirkt, wie der gleichmäßige, kalte und pedantische Schein einer Lampe – und er befahl daher, nur zwei Kerzen im Zimmer brennen zu lassen. Eigenthümliche Schattenbilder, vom unstäten Flackern der Flammen im Camine und in der Punschbowle erzeugt, zitterten an den Wänden hin und her . . . eine ruhige, äußerst wohlthuende Behaglichkeit war in unserem Innern an die Stelle der lärmenden Heiterkeit während der Tafel getreten.

Unterhaltungen haben – gleich Büchern (dem lateinischen Spruche zufolge) ihre Geschicke, wie Alles in der Welt. Unsere Unterhaltung war an diesem Abende ganz besonders mannigfaltig und belebt. Von Einzelheiten verstieg sich dieselbe bis zu wichtigen Fragen von allgemeiner Bedeutung und kehrte leicht und ungezwungen zu den Interessen des alltäglichen Lebens zurück . . . Nachdem wir ziemlich lange geschwatzt hatten, verstummten wir plötzlich Alle. In solchen Minuten heißt es, zieht ein Engel still vorüber.

Ich weiß nicht, was der Grund des Schweigens meiner Gefährten gewesen sein mag; ich wurde still, als mein Blick unerwartet auf drei bestaubte Portraits fiel, die in schwarzen, hölzernen Rahmen an der Wand hingen. Die Farben waren verblichen und hin und wieder abgesprungen, die Gesichter aber konnte man noch unterscheiden. Das mittlere Bild stellte eine noch junge Frau vor in weißem, mit Spitzen besetztem Kleide und hohem Kopfputz aus den achtziger Jahren. Rechts, auf völlig schwarzem Hintergrunde, war das runde, volle Gesicht eines biederen russischen Gutsbesitzers von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, mit niedriger, breiter Stirn, stumpfer Nase und treuherzigem Lächeln, abgebildet. Die französische, gepuderte Frisur paßte durchaus nicht zu den slavischen Gesichtszügen. Der Maler hatte ihn in einem hellrothen Rocke mit großen Glasknöpfen und mit einer Phantasie-Blume in der Hand dargestellt. Das dritte, von einer anderen, geübteren Hand gemalte Bildniß, stellte einen Mann von dreißig Jahren vor in grüner Uniform aus Kaiserin Katharina’s Zeit, mit rothen Aufschlägen, weißer Weste und seinem, battistenem Halstuche. Die eine Hand ruhte aus einem Rohr mit goldenem Knauf, die andere war in die Weste gesteckt. Das braune, etwas magere Gesicht verrieth frechen Hochmuth. Die schmalen, langgezogenen Brauen stießen über den pechschwarzen Augen fast an einander; um die bleichen, kaum bemerkbaren Lippen spielte kein gutes Lächeln.

– Ah! Sie betrachten meine Portraits! sagte Peter Fedorowitsch.

– Ja, ich sehe sie mir an, entgegnete ich mit einem Blicke auf ihn.

– Wollen Sie eine ganze Geschichte von jenen drei Personen hören?

– Mit Vergnügen, gaben wir Alle einstimmig zur Antwort.

Peter Fedorowitsch erhob sich von seinem Platze, nahm ein Licht, näherte es den Bildern und begann mit dem Tone eines Menschen, der wilde Thiere sehen läßt: – »Meine Herren! Diese Dame ist eine Pflegetochter meines leiblichen Urgroßvaters« Olga Iwanowna N. N., Lutschinow benannt, und ist vor vierzig Jahren unverheirathet verstorben. Dieser Herr – er wies auf den Mann in Uniform – ist ein Gardesergeant, Wassili Iwanowitsch, gleichfalls Lutschinow, im Jahre eintausend siebenhundert und neunzig in Gott entschlafen; und dieser Herr, mit dem ich nicht die Ehre habe, durch Verwandtschaft verbunden zu sein, ist ein gewisser Pawel Afanasjewitsch Rogatschèw, der, soviel mir bekannt ist, nie gedient hat. Bemerken Sie, ich bitte, das Loch, das er auf der Brust, gerade auf der Stelle des Herzens, hat. Dieses Loch, wie Sie sehen, genau von der Form eines Dreiecks, kann, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht durch Zufall entstanden sein . . . Jetzt, fuhr er in seinem gewöhnlichen Tone fort, – haben Sie die Gefälligkeit Platz zu nehmen, sich mit Geduld zu rüsten und aufzuhorchen.

– Meine Herren, begann er, – ich stumme aus einem ziemlich alten Geschlechte. Ich bin auf meine Abstammung nicht stolz, weil meine Vorfahren alle ungeheure Verschwender gewesen sind. Dieser Vorwurf trifft jedoch nicht meinen Urgroßvater, Iwan Andreewitsch Lutschinow, – im Gegentheil: er stand in dem Rufe eines überaus sparsamen, ja sogar geizigen Menschen – vorzüglich in seinen letzten Lebensjahr,ein Seine Jugendzeit verbrachte er in Petersburg, als Elisabeth den Thron inne hatte. Dort heirathete er, und seine Gattin, meine Urgroßmutter also, schenkte ihm vier Kinder – drei Söhne, Wassili, Iwan und Pawel (meinen leiblichen Großvater), und eine Tochter, Natalia. Außerdem hatte Iwan Andreewitsch eine vater- und mutterlose, verlassene Waise, die Tochter eines entfernten Verwandten, als Pflegekind in seine Familie aufgenommen – jene Olga Iwanowna, von der ich soeben sprach. Den Leibeigenen meines Großvaters war dessen Existenz zwar bekannt, denn sie ließen ihm, wenn kein Unfall dazwischen kam, den unbeträchtlichen Zins zukommen – gesehen aber hatte ihn noch Keiner von ihnen. Das Gütchen Lutschinowka, der Anwesenheit seines Gebieters beraubt, blühte auf und gedieh – als ganz unerwartet an einem schönen Morgen eine schwerfällige, altmodische Kutsche in‘s Dorf fuhr und vor dem Häuschen des Schulzen hielt. Die Bauern, von einem solch unerhörten Ereigniß aufgeschreckt, liefen zusammen und konnten nun ihren Gebieter, ihre Edelfrau und die ganze Familie, den ältesten Sohn, Wassili, ausgenommen, der in Petersburg geblieben war, in Augenschein nehmen. Seit jenem denkwürdigen Tage bis an sein seliges Ende hat Iwan Andreewitsch nicht mehr Lutschinowka verlassen. Er baute sich ein Haus, dasselbe, in welchem ich jetzt das Vergnügen habe, mich mit Ihnen zu unterhalten; auch die Kirche erbaute er und begann nun sein Leben als Gutsbesitzer. Iwan Andreewitsch war ein Mann von ungewöhnlich hohem Wachse, mager, schweigsam und in allen seinen Bewegungen äußerst langsam; niemand, sein Kammerdiener ausgenommen, sah ihn je im Schlafrock und ungepudert. Iwan Andreewitsch pflegte beim Gehen die Hände auf dem Rücken zu halten und bei jedem Schritte langsam den Kopf zu drehen. Tagtäglich spazierte er in der langen Lindenallee, die er eigenhändig gepflanzt hatte – und noch vor seinem Ende ist ihm das Vergnügen zu Theil geworden, sich des Schattens jener Linden zu erfreuen. Iwan Andreewitsch war außerordentlich wortkarg; als Beweis seiner Schweigsamkeit mag der bemerkenswerthe Umstand dienen, daß er im Verlaufe von zwanzig Jahren nicht ein einziges Wort mit seiner Gattin, Anna Pawlowna, gesprochen hatte. Ueberhaupt waren seine Beziehungen zu ihr ganz eigener Art. – Sie führte die ganze Wirthschaft, bei Tische saß sie jedesmal neben ihrem Manne – er würde ohne Barmherzigkeit den Diener, der sich erdreistet hätte, ihr nur mit einem Worte unehrerbietig zu begegnen, bestraft haben – und dennoch sprach er nie mit ihr, nahm er sie nie bei der Hand. Anna Pawlowna war eine schüchterne, bleiche, niedergebeugte Frau: jeden Tag verrichtete sie auf den Knieen in der Kirche ihr Gebet und lächelte niemals. Man erzählte sich, sie hätten früher, d. h. vor ihrer Ankunft auf dem Gute, sehr einig gelebt; dann aber, sagte man, sei Anna Pawlowna ihren ehelichen Pflichten untreu und der Mann von ihrem Fehltritte unterrichtet worden . . . Wie dem nun sei – Iwan Andreewitsch versöhnte sich mit seiner Frau nicht einmal auf dem Sterbebette. Während dessen letzter Krankheit wich sie nicht von seiner Seite; er aber schien sie nicht zu bemerken. Einmal saß Anna Pawlowna Nachts im Schlafzimmer Iwan Andreewitsch‘s; er litt an Schlaflosigkeit – eine Lampe brannte vor dem Heiligenbilde; Juditsch, der Diener meines Großvaters, auf den ich später zurückkommen werde, war hinausgegangen. Anna Pawlowna stand von ihrem Platze auf, schritt durch das Zimmer bis an‘s Bett ihres Gatten und fiel vor demselben schluchzend auf die Kniee, sie wollte etwas vorbringen – streckte die Arme aus . . . Iwan Andreewitsch warf einen Blick auf sie und – rief mit schwacher, jedoch fester Stimme: »Juditsch!« Der Diener trat ein, Anna Pawlowna erhob sich rasch und wankte ihrem Platze zu.

Iwan Andreewitsch’s Kinder hatten große Furcht vor ihrem Vater. Sie waren auf dem Gute ausgewachsen und Zeugen des sonderbaren Betragens Iwan Andreewitsch‘s gegen seine Frau. Sie hatten Alle Anna Pawlowna außerordentlich lieb, durften jedoch nicht ihre Liebe zu ihr blicken lassen. Sie selbst schien gewissermaßen Scheu vor ihnen zu haben . . . Sie erinnern sich noch meines Großvaters, meine Herren! Bis an sein Ende pflegte er auf den Zehen einherzugehen und flüsternd zu sprechen . . . was doch Gewohnheit macht! Er und sein Bruder, Iwan Iwanowitsch, waren einfache Leute, gute, ruhige und gemüthliche Menschen; meine grand tante Natalia hatte einen rohen und dummen Menschen geheirathet und bewahrte ihm bis an’s Ende eine stille, knechtische Liebe. – Ein anderer Charakter war der Bruder Wassili. Ich erzählte Ihnen, wenn ich nicht irre, daß Iwan Andreewitsch ihn in Petersburg gelassen hatte. Damals war er zwölf Jahre alt. Der Vater hatte ihn der Obhut eines entfernten Verwandten, der nicht mehr jung, unverheirathet und eingefleischter Voltairianer war, anvertraut. Wassili wuchs heran und trat in den Dienst. Er war nicht hoch von Wuchse, aber gut gebaut und ungewöhnlich gewandt; er sprach vortrefflich französisch und stand in dem Rufe eines geschickten Fechters. Er galt für einen der elegantesten jungen Männer im Anfange der Regierung Katharina‘s. Mein Vater erzählte mir oft, er habe mehr als eine alte Dame getroffen, die nicht ohne herzliche Rührung an Wassili Iwanowitsch Lutschinow zu denken vermochte. Stellen Sie sich einen Menschen vor, mit ungewöhnlicher Kraft des Willens begabt, leidenschaftlich und berechnend, ausdauernd und kühn, verschlossen bis auf‘s Aeußerste und – nach Aussage Aller, die ihn gekannt haben – von bezaubernder, verführerischer Liebenswürdigkeit. Gewissenhaftigkeit, Gutherzigkeit, Rechtsgefühl gingen ihm gänzlich ab und doch hätte Niemand ihn einen durchaus bösen Menschen nennen können. Er war ehrgeizig – verstand aber seinen Ehrgeiz zu bemänteln und liebte Unabhängigkeit über Alles. Wenn Wassili Iwanowitsch gelegentlich ein Lächeln zeigte, freundlich die schwarzen Augen zusammendrückte, Jemand »um den Finger wickeln« wollte, war es, wie man sagt, unmöglich, ihm zu widerstehen – und selbst Leute, die von seiner Herzlosigkeit und Kälte überzeugt waren, ließen sich oft von der Wunderkraft seines Einflusses hinreißen. Er war eifrig auf seinen Vortheil bedacht und zwang Andere, demselben dienstbar zu werden; es glückte ihm in Allem, weil er niemals den Kopf verlor, vor Schmeichelei keinen Abscheu fühlte, wenn ihm dieselbe als Mittel dienen konnte und sich auf das Schmeicheln »verstand«.

Drei Portraits

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