Die Todesstrafe I

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Für Jacques Derrida bildete die Tätigkeit als Lehrender zeitlebens eine Quelle seines Denkens und Schreibens. Mit Die Todesstrafe liegt nun ein weiteres der Seminare Derridas vor.
Reflexionen über das «Vergeben» und das «Nichtvergebbare» führen Derrida zur Befragung der Todesstrafe als irreversible Sanktion. Im Fokus stehen dabei vor allem drei Begriffe, die sich als problematisch erweisen: Souveränität, Ausnahme und Grausamkeit. Es stellt sich die Frage, warum internationale Konventionen die Abschaffung grausamer Strafen fordern, insbesondere der Todesstrafe, ohne die Staaten je dazu zu verpflichten – mit der Begründung, dass ihre Souveränität zu achten sei. Ausgehend von vier paradigmatischen Fällen zum Tode Verurteilter (Sokrates, Jesus, Al Halladsch, Jeanne d'Arc) wird anhand kanonischer Texte (Beccaria, Kant, Hugo, Camus, Genet, Badinter) und einschlägiger Rechtsdokumente die Logik und Rhetorik dieser Argumentation untersucht. Konkrete Bezugspunkte bilden dabei die Bewegungen zur Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich und den USA.

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Jacques Derrida. Die Todesstrafe I

Die Todesstrafe I

Inhalt

Allgemeine Einführung

Vorbemerkung der Herausgeber

Death Penalty

Todesstrafe

Erste Sitzung. 8. Dezember 1999

Erste Sitzung. 8. Dezember 1999 (Fortsetzung)1

Zweite Sitzung. 15. Dezember 1999

Dritte Sitzung. 12. Januar 2000

Vierte Sitzung. 19. Januar 2000. Recht auf Leben, Recht auf Tod

Fünfte Sitzung. 26. Januar 20001

Sechste Sitzung. 2. Februar 2000

Siebte Sitzung. 9. Februar 2000

Achte Sitzung. 23. Februar 2000

Neunte Sitzung. 1./8. März 20001

Zehnte Sitzung. 15. März 2000

Elfte Sitzung. 22. März 2000

Anmerkungen

Allgemeine Einführung

Vorbemerkung der Herausgeber

Erste Sitzung

Erste Sitzung (Fortsetzung)

Zweite Sitzung

Dritte Sitzung

Vierte Sitzung

Fünfte Sitzung

Sechste Sitzung

Siebte Sitzung

Achte Sitzung

Neunte Sitzung

Zehnte Sitzung

Elfte Sitzung

Zu den Herausgebern

Verzeichnis der ausführlich zitierten Literatur*

Namensverzeichnis*

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Für Jacques Derrida bildete die Tätigkeit als Lehrender zeitlebens eine Quelle seines Denkens und Schreibens. Mit Die Todesstrafe liegt nun ein weiteres der Seminare Derridas vor.

Reflexionen über das „Vergeben“ und das „Nichtvergebbare“ führen Derrida zur Befragung der Todesstrafe als irreversible Sanktion. Im Fokus stehen dabei vor allem drei Begriffe, die sich als problematisch erweisen: Souveränität, Ausnahme und Grausamkeit. Es stellt sich die Frage, warum internationale Konventionen die Abschaffung grausamer Strafen fordern, insbesondere der Todesstrafe, ohne die Staaten je dazu zu verpflichten – mit der Begründung, dass ihre Souveränität zu achten sei. Ausgehend von vier paradigmatischen Fällen zum Tode Verurteilter (Sokrates, Jesus, Al Halladsch, Jeanne d’Arc) wird anhand kanonischer Texte (Beccaria, Kant, Hugo, Camus, Genet, Badinter) und einschlägiger Rechtsdokumente die Logik und Rhetorik dieser Argumentation untersucht. Konkrete Bezugspunkte bilden dabei die Bewegungen zur Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich (1981 erfolgreich) und den USA.

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Der langen Liste derer, die die Todesstrafe für Mörder legitimieren, wie Gott es im Buch Exodus tut, könnte man, um in Frankreich zu bleiben, auch Diderot und Montesquieu hinzufügen (aber wir werden noch auf diese Geschichte zurückkommen), Diderot, der sagte (ich finde die Referenz nicht mehr, das wird wiederkommen): „Es ist natürlich, dass die Gesetze die Ermordung der Mörder angeordnet haben“44, oder Montesquieu, der, zurückhaltender und restriktiver in der Aufzählung der Fälle der Todesstrafe, in Vom Geist der Gesetze dennoch nicht für deren Abschaffung war, wie der große Beccaria, über den wir noch sprechen werden, der die Todesstrafe durch lebenslange Gefängnishaft ersetzen wollte und dem es gelang, Voltaire, Jefferson, Paine, La Fayette zu überzeugen, und selbst Robespierre, der, bevor er seine Meinung änderte, im Moment der Abfassung des Code pénal im Jahre 1791, und es gilt daran zu erinnern, erfolglos die Thesen zugunsten der Abschaffung der Todesstrafe unterstützte. Später wird er die Hinrichtung Ludwigs XVI. fordern, den er als einen „Verbrecher gegen die Menschheit“45 beschreibt, ein Umschwung, den Thomas Paine für einen Verrat am Ideal der Abschaffung der Todesstrafe hält, das er zunächst mit Robespierre geteilt hatte. Allerdings ist der die Bewegung zur Abschaffung der Todesstrafe leitende Geist aus der Revolution nicht verschwunden, denn nach der Hinrichtung Robespierres hat der Konvent auf seiner letzten Sitzung beschlossen, ich zitiere: „Mit Datum des Tages der allgemeinen Verkündung des Friedens, wird die Todesstrafe in der Französischen Republik abgeschafft sein“ (4. Brumaire des Jahres VI).46 Es wird nötig gewesen sein, auf diesen „Tag“ und dieses „Datum“ zu warten [„Mit Datum des Tages der allgemeinen Verkündung des Friedens“], beinahe zweihundert Jahre lang, damit die Todesstrafe in Frankreich abgeschafft wird (September-Oktober 1981 – keine Hinrichtung mehr seit dem 17. September 197747). Zwei Jahrhunderte, das ist eine Unendlichkeit an Ewigkeiten, und das ist ein Bruchteil einer Sekunde in der Geschichte der Menschheit. Alles und nichts.

Ich führe diese wenigen Beispiele nur an, um Ihnen eine erste begrenzte Vorstellung zu geben von der quälenden Komplexität dieser Geschichte, vor allem aber, um dem Erbe oder der Tradition der Logik der „Urteilssprüche/Rechtsordnungen [jugements]“ zu folgen, die im Buch Exodus auf die Zehn Gebote folgen. Bevor ich aber diesen Kontext verlasse, den einer Sequenz, in deren Verlauf ich mir also gleich am Anfang, und ein für alle Mal, erlaubt habe, einige massive Evidenzen in Erinnerung zu rufen, insbesondere die zwei größten und, zumindest dem Anschein nach, gröbsten unter ihnen, bevor ich also diesen Kontext verlasse, möchte ich noch festhalten, dass es in ebendieser Passage aus dem Buch Exodus, unmittelbar nach den Zehn Geboten und vor den „Urteilssprüchen/ Rechtsordnungen“, jenen ergreifenden und höchst aufschlussreichen Moment gab, Sie werden sich zweifellos daran erinnern, an dem das Volk, die Söhne Israels, nachdem sie die Zehn Gebote, aber noch nicht die „Urteilssprüche/Rechtsordnungen“ gehört hatten, [an dem also die Söhne Israels] nicht mehr hören wollen. Sie wollen Gott nicht mehr hören48. Zumindest wollen sie dem göttlichen Wort nicht mehr direkt ihr Ohr leihen, sie wollen Gott nicht länger zuhören, als wären sie auf das Schlimmste gefasst [s’attendaient], das in der Tat auch auf sie wartete [les attendait], und sie bitten Moses, mit ihnen zu sprechen, denn ihm, Moses, würden sie zuhören, während das Wort Gottes, wenn sie es direkt, ohne Mittler vernehmen, droht, sie sterben zu lassen, ihnen den Tod zu geben. So als ob (Sie werden den Text gleich hören), so als ob, als Gott ihnen, unter anderen Geboten, „Du sollst nicht töten!“ sagte, aber bevor er als gewissermaßen legale, rechtswissenschaftliche Konsequenz daraus folgerte, dass jeder, der töten wird, sterben soll, dass jeder, der morden wird, mit dem Tod bestraft werden soll, so als ob also Gott Gefahr liefe, sie mit seiner eigenen Stimme zu töten, just nachdem er ihnen gesagt hatte „Du sollst nicht töten!“. So als ob die Söhne Israels gespürt, geahnt hätten, dass die Stimme Gottes eine düstere Botschaft bringen, die Neuigkeit des Todes, die Drohung mit dem Tod, mit der Todesstrafe ankündigen würde, in ebenjenem Moment, in dem er das Töten soeben verboten hatte. Es ist dasselbe Gesetz, das ethische Gesetz, „Du sollst nicht töten!“, welches das rechtliche oder strafrechtliche Gesetz bestimmt, die Todesstrafe für den Verbrecher, der das ethische Gesetz übertritt. Sie ahnen, dass Gott gerade dabei ist, nicht das Töten, aber die Todesstrafe zu erfinden – und die Juden, die Söhne Israels, sind erschrocken über dieses göttliche Wort, das sie erwählt, das sie auserwählt, um ihnen gegenüber, an ihre Adresse gerichtet zu verkünden, um sich anzuschicken, die erste Drohung mit der ersten Todesstrafe der Welt, auf der Erde der Menschen [terre des hommes], auszusprechen. Dieser Übergang [transition], diese Trance49, die sich nun der Söhne Israels bemächtigt, ist außerordentlich. Sie sehen die Todesstrafe kommen, sie sehen sie von Gott kommen. Ich lese zwei Übersetzungen. Das ist just nach dem letzten der Zehn Gebote, in Kap. 20, Vers 18. < Übersetzung Dhorme50 >:

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