Ulrike Woytich
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Jakob Wassermann. Ulrike Woytich
Ulrike Woytich
Ebook-Kolophon
Zum Dritten Wendekreis
Ulrike tritt auf den Plan
Augen und Ohren, die guten Diener
Zunder im trockenen Holz
Ulrike erzählt
Ulrike handelt furchtlos, wo alle zittern
Monolog und häuslicher Sturm
Ulrike entringt dem Schatzhüter sein Geheimnis
Hier wird nicht geträumt
Hofrat Woytich begibt sich in das Haus Mylius
Die Siegerin zu Füssen des Besiegten
Josephe
„Mon héros quoique petit ...“
Ein Kapitel ohne besondere Ereignisse
Ulrike macht Bilanz
Josephes Flucht
Weinen um ein Ding
Heirats- und Erbschaftssachen
Das Ja
Auszug mit Sack und Pack
Der Einwand gegen Gott
Wunderliche Verhöre
Unerwarteter Ausgang eines pädagogischen Unternehmens
Ländliches Idyll
Das Hexeneinmaleins
Die wächserne Birne
Fanny wandert
„How do you do my little darling?“
Die Gäste auf Eckern
Ulrike erscheint
Allerlei Briefe und Schriftstücke
Folgsamkeit
Kurzes Zwischenspiel
Wiederkehr und Wiederholung
Das vergebliche Opfer
Der Berg
Отрывок из книги
Jakob Wassermann
Vielleicht zu keiner Zeit sind Menschen so wissend und zugleich so ahnungslos, so zweckbeladen und so entherzt, so von Täuschungen umgittert und ohne Stern den Lebensweg entlang gerast wie die zwei oder drei Generationen dieses halben Jahrhunderts. Es ist, als stürmten sie mit Anspannung aller Nerven- und Geisteskraft, in erbittertem Wettlauf steil gegen einen Gipfel hinauf, und oben, von der wütenden Bewegung weitergetrieben, obgleich sie den tödlichen Abgrund vor den Füssen erblicken, gibt es kein Halten mehr: die Vordersten schaudern noch, die entfesselte Menge hinter ihnen hört nicht einmal den Angst- und Warnungsschrei, und alles stürzt in die Tiefe.
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Wie sich Ulrike bald überzeugen konnte, genoss Mylius allenthalben den Ruf eines Mannes von Verlass und streng rechtlichen Grundsätzen. Anfangs hatte er es nicht eben leicht gehabt in der Stadt der Leichtherzigkeit, als protestantischer Zuzügling. Man war den Leuten seines Schlages und seiner Herkunft nicht grün. Verspottete man nicht ihre Genauigkeit, so beargwöhnte man ihren Fleiss; erregten sie nicht Anstoss durch die schroffe Absage an das mittuerische Wesen, so ärgerte man sich über die korrekte Führung. Doch mit der ihm eigenen Zähigkeit hatte er sich festgesetzt und Boden gewonnen.
Eigentliche Freunde hatte er nicht, vertrauten Umgang keinen. Das Familienleben galt als musterhaft und man rühmte die Artigkeit und Wohlerzogenheit der Kinder, die bescheidene Führung und das gefällige Wesen der Frau. Viele bedauerten freilich die Töchter. Sie durften auf keinen Ball gehen, keine Einladungen annehmen, Ausflüge nur machen, wenn sie nichts kosteten. Selbst die kleinste Eisenbahnfahrt musste erfeilscht und erbettelt werden. Josephe war die einzige, für die es keine Entbehrung war. In frühen Jahren schon wurde über ihre Frömmigkeit gesprochen und man wunderte sich darüber. Manche wollten nicht begreifen, wie eine Protestantin es überhaupt anstelle, fromm zu sein; Protestantismus, erklärten sie, sei doch gar kein Glauben, sondern Ketzerei und Leugnung, da seien die Juden noch besser dran. Aus den ersten Gesprächen mit Christine erfuhr Ulrike, dass das junge Kind auch die Mutter zu seinen Anschauungen bekehrt hatte; eine Zeitlang hatte Christine sie bei jedem Kirchgang begleitet, und sie gestand, dass es ihr selbst merkwürdig genug gewesen sei, da sie in aufklärerischen Tendenzen erzogen worden war und eine ganz andere Jugend gelebt hatte. Ihr Grossvater hatte Merck noch gekannt, den Freund Goethes; die Mutter hatte als junges Mädchen im Brentanoschen Kreise verkehrt und war mit Arnim, Görres und Friedrich Schlegel in einem Briefwechsel gestanden, der zu den gehüteten Schätzen des Familienarchivs gehörte; eines Besuches von Wilhelm von Humboldt bei ihren Eltern entsann sie sich mit Stolz.
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