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Jan Philipp Reemtsma. Helden und andere Probleme
Inhalt
»Mother don’t go!« Der Held, das Ich und das Wir
Dietrichs mißlungene Brautwerbung. Über Heldengeschichten
Untergang. Eine Fußnote zu Felix Dahns Ein Kampf um Rom
»Alles bekommt man ja einmal satt« Kämpfe, Gleichnisse und Friedensschlüsse in der Ilias
Gewalt – der blinde Fleck der Moderne »Versprechen«?
»Blinder Fleck«?
»Gewalt«
Gewalt und gesellschaftliches Vertrauen
Moderne und Gewalt
Dialektik der Moderne
Ein modernes »Lissabon«?
Gewalt als attraktive Lebensform betrachtet
Einige Fragezeichen bei Walter Kempowski
»Was hast du?« Sophokles über den Schmerz
»Dattelbäume« –? Stefan George läßt seine Aras träumen
»Gewalt gegen Tiere« – was sagt man, wenn man das sagt?
I
II
III
Das Scheinproblem »Willensfreiheit« Ein Plädoyer für das Ende einer überflüssigen Debatte
Täterstrafrecht und der Anspruch. des Opfers auf Beachtung
Herders Problem mit der Geschichte – und das unsere
Nachweise
Anmerkungen »Mother don’t go!« Der Held, das Ich und das Wir
Dietrichs mißlungene Brautwerbung. Über Heldengeschichten
Untergang. Eine Fußnote zu Felix Dahns
»Alles bekommt man ja einmal satt« Kämpfe, Gleichnisse und Friedensschlüsse in der Ilias
Gewalt – der blinde Fleck der Moderne
Gewalt als attraktive Lebensform betrachtet
Einige Fragezeichen bei Walter Kempowski
»Was hast du?« Sophokles über den Schmerz
»Dattelbäume« –? Stefan George läßt seine Aras träumen
»Gewalt gegen Tiere« – was sagt man, wenn man das sagt?
Das Scheinproblem »Willensfreiheit« Ein Plädoyer für das Ende einer überflüssigen Debatte
Täterstrafrecht und der Anspruch des Opfers auf Beachtung
Herders Problem mit der Geschichte – und das unsere
Отрывок из книги
Jan Philipp Reemtsma
Helden
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Worauf das hinausläuft, ist das Folgende: Der Held ist jemand, der seinen Narzißmus in einem Maße lebt, das der Alltag normalerweise nicht zuläßt (und vor allem: uns nicht gestattet, und das von uns im Alltag selten anderen gestattet wird). Der Held ist jemand, der dennoch Anerkennung, Bewunderung, Liebe erhält, ja zum Übermenschen (»Heros«) verklärt wird. Nicht trotz, sondern wegen seines Narzißmus, dessen Ausleben wir in unschuldiger Bewunderung ansehen können und der in uns die besagte Saite zum Klingen bringt, weil er einen a-sozialen Trieb als Antrieb für Handlungen nützt, die sozialen Tugenden entsprechen. Man könnte von einem »schuldlosen Narzißmus« sprechen, aber es ist wohl eher unsere Bewunderung, die uns schuldlos vorkommt, weil wir meinen, die sozial produktiven Tugenden zu bewundern, wo wir doch sein wollen wie der, der sich über die Welt der anderen erhebt. Wäre das anders, wir würden eben die Resultate schätzen, nicht die Taten und den, der sie vollbracht hat, bewundern. Die Resultate repräsentieren das gemeinschaftliche Gute (wenn wir uns – kulturell – einig sind, was das ist, was, siehe oben, oft nicht der Fall ist), Helden das über die Gemeinschaft sich Erhebende, die extrem gesteigerte, also seltene Form des Handelns für das Allgemeine – und so gibt es immer eine Kluft zwischen dem, was wir schätzen, weil es dem Allgemeinen zugute kommt, und der Bewunderung für den Helden.
Susan Neiman hat in ihrem Kapitel über die »Heroes of Enlightenment« Sätze zitiert, die das sozial Produktive der narzißtischen Antriebe dokumentiert. Sarah Chayes: »I sometimes feel I’m laying my body down as a bridge over the chasm that Bush and Bin Laden are trying to open.« Der nächste Satz lautet: »Not that I suppose my efforts are large enough to make a difference.«[24] Wäre dieser zweite Satz nicht, der erste wäre purer Größenwahn. Aber wäre der erste nicht, der zweite wäre pure Resignation. Es braucht das Realitätsprinzip des zweiten Satzes kombiniert mit der narzißtischen Phantasie des ersten, um etwas auszurichten – und um unsere Bewunderung zu erzeugen. – »I don’t want to act for the record!« schreit Shulman einen Mitarbeiter an und dementiert expressis verbis den Helden-Status (oder das Bedürfnis, nach ihm zu streben). Doch dann folgt nicht etwa: »This misery has to come to an end«, oder: »We have to help to end this misery«, sondern: »I just want this misery to end.«[25] Es braucht solche Gedanken, solche Sätze. »You are not going down there to try to be heroes […] You have a job to do«,[26] sagt Bob Moses zu den weißen Freiwilligen, die bei der Kampagne in Mississippi mitmarschieren wollen. Das war nötig, um die Aktionsbereitschaft einzuhegen. Gleichzeitig wird berichtet, daß Moses ein hinreißender Redner war, dem es gelang, Martin Luther King als Redner zu deklassieren. Niemand ist ein guter Redner, der sich nicht als Redner genießt.
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