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Jennifer Elise Bentz. Einfach mal klarkommen
Kapitel 1. Überforderte Praktikantin eliminiert sich selbst
Kapitel 2. Antilopen bekommen schneller Burn-out
Kapitel 3. Wundersame neue Welt
Kapitel 4. Einen Durchschnittsknacks hat jeder
Kapitel 5. Wenn du es eilig hast, mache einen Umweg
Kapitel 6. Nichtstun – eine harte Prüfung
Kapitel 7. Wo ist der innere Faulenzer?
Kapitel 8. Zu spät zur Umkehr?
Kapitel 9. Wer zurückstrickt, hat Angst
Kapitel 10. Das Leben selbst
Отрывок из книги
Jennifer Bentz
Studium → Praktikum → Klinikum
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Endlich zu Hause angekommen, setzte ich mich an den Schreibtisch und ärgerte mich darüber, wie gemächlich mein alter Laptop die Präsentation für das Meeting vom USB-Stick öffnete. Mein Herz klopfte schneller als sonst. Alle Unterlagen waren seit dem späten Nachmittag fertig und ursprünglich wollte ich nur einen groben Drehplan an alle Kollegen mailen. Letztendlich saß ich mehrere Stunden fieberhaft daran, Präsentation und Zeitpläne mehrfach umzustellen, neu auszuarbeiten und wieder in den Ursprungszustand zu versetzen. Um Viertel nach fünf zwang ich mich ins Bett. Ich musste sofort einschlafen, sonst würde ich das Meeting niemals durchstehen. Mit jeder Minute, die verging und die mein Digitalwecker höhnisch in roten Zahlen aufblinken ließ, wurde ich verzweifelter. Um halb sechs saß ich laut schluchzend aufrecht im Bett und versuchte, um mich wieder zu beruhigen, mit mir selbst die Übereinkunft zu schließen, nach der Präsentation das Büro rechtzeitig zu verlassen und endlich Schlaf nachzuholen.
Nur noch diesen Tag durchstehen. Um mich etwas abzulenken, checkte ich meine privaten E-Mails. Ein paar Mails mit Polizisten- witzen und dem Titel FWD: von Sam. Und eine Einladung zur ersten Prüfungsrunde für ein Volontariat beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet. Tausend Fragen schossen mir gleichzeitig durch den Kopf. Hatte ich das Praktikum zu unbedacht angenommen? Hätte ich lieber auf Antwort von anderen Firmen warten sollen? Sollte ich zu dieser Prüfungsrunde fahren? Ich könnte es im Büro verheimlichen. Mein Plan war es von vornherein gewesen, vom Praktikum abzuspringen, falls sich etwas Besseres böte. Aber wie sollte ich es im Augenblick auch noch schaffen, mich auf eine Prüfung vorzubereiten? Dann fehlte die Zeit im Büro und ich würde auch noch die Chance auf das Ausbildungsprogramm verlieren. Oder sollte ich alles auf eine Karte setzen, weil hinter dieser Mail vielleicht die Zukunft lauerte, die ich mir wünschte? War dieser Job vielleicht der, auf den ich gewartet hatte? Einerseits suchte ich nach festen Strukturen und Sicherheit, andererseits traute ich mich nicht, selbst einen soliden Standpunkt anzunehmen. Aus Angst, mich falsch zu entscheiden. Jede Entscheidung für ein bestimmtes Lebensmodell ist gleichzeitig eine Entscheidung gegen viele andere. Welcher Weg war jetzt richtig? Womit würde ich am glücklichsten? In welcher der Städte wartete langfristig der beste Job? Die große Liebe? Die schönste Zukunft? Genau deswegen werden wir zynisch »Generation Maybe« genannt, ein Haufen unentschlossener Optimierer, die »vielleicht« sagen und im »Sowohl-als-auch« leben. Das klingt, als wären wir schrecklich verwöhnte Spaßmenschen, die vorsätzlich entscheidungsgehemmt nicht erwachsen werden wollen. Aber so ist es nicht. Bei dieser Vielzahl an Möglichkeiten, hinter denen sich selten etwas Haltbares verbirgt, scheint mir absolute und freie Selbstbestimmung nicht immer ein Segen zu sein. Man springt gedanklich und körperlich im Zickzack, nur um nicht die Chance zu verpassen, irgendwann Ruhe und Sicherheit zu finden – und verpasst sie auf diese Weise erst recht. Es kommt mir so vor, als könne das Hirn durch dieses jahrelang verlangte Hin und Her nicht mehr stillstehen. Bietet sich dann tatsächlich eine Möglichkeit, geradlinig einen Weg zu verfolgen, ändern wir schon von selbst die Richtung – weil wir die Ruhe nicht mehr ertragen, sie erscheint uns verdächtig. Stillstand kann nichts Gutes bedeuten in einer Zeit, in der das Sammeln von Lebenslaufstationen zum Selbstzweck geworden ist. Wir können nicht mehr anhalten – wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal losläuft und vor lauter Unbeholfenheit von selbst immer schneller wird.
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