Das vernetzte Kaiserreich

Das vernetzte Kaiserreich
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1871 betrat der deutsche Nationalstaat die politische Bühne Europas, also vergleichsweise spät. Somit hatte das junge Kaiserreich einiges aufzuholen: Die einzelnen Regionen des Reichs mussten zusammenwachsen und eine gemeinsame Identität entwickeln. Auch unter den europäischen Großmächten wollte sich Deutschland behaupten – nicht zuletzt, indem es sich Kolonien in Afrika und Asien verschaffte.
Das deutsche Kaiserreich war jedoch moderner, als wir denken: ein Nationalstaat, der mit an der Spitze des technischen Fortschritts stand und aktiv an der um 1880 beginnenden Globalisierung teilnahm. Schnelle Eisenbahn- und Schiffsverbindungen entstanden, die Kommunikationsnetze wurden ausgebaut – im Zentrum Europas wuchsen die einstigen Kleinstaaten rasch zu einer Nation mit gemeinsamem Selbstverständnis zusammen. Auch nach außen vernetzte sich das Kaiserreich, und zwar nicht nur im Hinblick auf seine Handelsbeziehungen – am Imperialismus der europäischen Großmächte beteiligte man sich ebenfalls. In der Zeit zwischen 1871 und 1914 bildeten sich gesellschaftliche Strukturen heraus, die für die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert entscheidend sein sollten.

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Jens Jäger. Das vernetzte Kaiserreich

Inhalt

Einleitung

1 Wer und was gehörte zum Kaiserreich? Ein Blick auf die Landkarte

Ein Kaiser, viele Landesherren: Die politische Ordnung des Deutschen Reichs

Bevölkerungswachstum, Verstädterung und soziale Dynamik

Die zweite industrielle Revolution und der internationale Handel

2 Unterwegs im Kaiserreich und in der Welt

Mit dem Dampfer über Meer und Wasserstraßen

Von Eisenbahnen, Omnibussen und dem Siegeszug des Fahrrads

Man hört voneinander – per Post, Telegramm und Telefon

3 »Extrablatt!« – Die Geburt der modernen Mediengesellschaft

Gedrucktes für alle: Buch, Zeitung, Illustrierte

Musik für alle – Die Entstehung der Phonoindustrie

Die Erfindung der bewegten Bilder

War das Kaiserreich eine »Mediengesellschaft«?

4 Internationalisierung, Nationsbildung und Heimatbewegung

Internationale Standardisierung und Vereinigungen

Wie erzeugt man ein Nationalgefühl?

Die Heimatbewegung

5 Das Kaiserreich als Kolonialmacht

6 Transnationale Kooperation

Strafverfolgung im Kaiserreich

Die Frauenbewegung im internationalen Austausch

Fazit

7 Modern, weil vernetzt? Das Kaiserreich um 1900

Abbildungsnachweis

Literaturhinweise

Einführendes

Literatur zu den einzelnen Kapiteln. Infrastruktur

Medien

Internationalisierung, Nation, Heimat

Kolonien

Vernetzung (Polizei, Frauenbewegungen)

Endnoten

Über Jens Jäger

Über dieses Buch

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

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Jens Jäger

Das vernetzte Kaiserreich

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Rechts- und Wirtschaftsordnung schufen einen Binnenraum, der das Handeln der Bevölkerung rahmte und bestimmte. All dies signalisierte den Zeitgenossen die Eigenständigkeiten nationaler Entwicklungen und lud zu ständigen Vergleichen mit den Nachbarn ein. Bestimmend war der Blick durch die »nationale« Brille; ein Blick, der lange Zeit und teils bis in die Gegenwart auch die Geschichtswissenschaft bestimmte. Deutsche Geschichte zu schreiben bedeutete, eine Innenperspektive einzunehmen, und das hieß auch, dass man alle Entwicklungen, ob politisch, ökonomisch, sozial, wissenschaftlich oder kulturell, vornehmlich aus dieser Perspektive betrachtete. Einflüsse von »außen« nahm man zwar wahr, beschrieb sie aber kaum je als treibende oder entscheidende Faktoren. Das hatte durchaus seine Berechtigung, weil der Staat die Rahmenbedingungen setzte und sich die Bevölkerung innerhalb dieses Rahmens bewegte und handelte. Impulse von »außen« wurden von inländischen Akteuren verarbeitet und in Debatten eingespeist; nur auf diese Weise schlugen sie sich in den Quellen nieder. Diese scheinbar klare Trennung zwischen »innen« und »außen« ist bei näherer Betrachtung alles andere als zwingend, da vielfältige offene und unterschwellige, kurz- und langfristige Prozesse unauflöslich miteinander vermengt sind. Gerade unter der Bedingung zunehmend vernetzter Kommunikation sind durchgängig und ausschließlich lokale Lösungen von Problemen eher die Ausnahme als die Regel.

In den vergangenen Jahrzehnten sind transnationale und globale Perspektiven entstanden, die dieses Phänomen in der Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts zu Deutschland verdeutlichen. Verflechtungen sind nicht dadurch weniger relevant, dass sie über Staatsgrenzen hinausreichen. Wenn es um Ideen- oder Ideologiegeschichte geht, war das auch immer offensichtlich: Liberalismus, Konservatismus und Marxismus beispielsweise sind niemals rein nationale Phänomene gewesen, wenngleich sie unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen jeweils spezifische Ausprägungen und Konsequenzen hatten. Politische Bewegungen entfalten sich immer in einem internationalen Austausch.

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