Ich bin jetzt zehn
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Jonas Kaurek. Ich bin jetzt zehn
Vorwort des Verlegers
Отрывок из книги
Den Großteil der Zeit tat er die Dinge, die Kinder eben so tun. Während ich mit ihm über das Leben, sein Leben, reden wollte, zeigte er mir sein Furzkissen, beschoss mich mit Plastikpistolen oder versteckte sich einfach irgendwo in dem merkwürdigen Haus, in dem seine Mutter, deren Lebensgefährte und er mit fünf Hunden und zwei Katzen leben. Wie vom Himmel gefallen, steht dieses Haus an einem Weg zwischen Äckern, wo es eigentlich weithin sichtbar sein müsste, doch es duckt sich in die offene Ebene, als wäre es dafür gebaut, sich zu verstecken. Während ungefähr zehn Minuten unserer jeweils zweistündigen Treffen erklärte es mir Jonas dann doch immer: das Leben. Die Liebe, wie sie entsteht, die Wut, woher sie kommt, das Glück, wie es sich herstellen lässt, die Toleranz, was sie bedeutet, Sehnsucht, was sie mit uns macht, Neugier, warum wir sie brauchen, all diese großen Dinge.
Ich war zu ihm gekommen, weil ich mich gefragt hatte, wie es wäre, wenn nicht noch jemand über die begabten Kinder, über Kinder in Patchworkfamilien, über vaterlose Kinder schreiben würde, sondern wenn so ein Kind das einmal selber täte, wenn ich als Ghostwriter, der in vielen Jahren und vielen Büchern gelernt hat, sich zum Instrument anderer zu machen, so einem Kind eine Stimme geben würde. Ich hatte daran gedacht, wie Kinder manchmal weise Dinge sagen, und mich schon oft gefragt, ob diese Art von Weisheit einem geschriebenen Satz standhalten würde.
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Jonas redete, und ich hörte ihm zu und fragte manchmal nach. Ein Jahr lang. Im Winter, im Frühling, im Sommer und im Herbst, und je näher der Winter kam, desto mehr drängte sich mir eine Frage auf, die wir zuerst beiseitegeschoben hatten: Wie wird sein Vater eigentlich darauf reagieren? Dieser Mann, den ich nie kennengelernt habe, zu dem Jonas während der ganzen Zeit über kaum Kontakt hatte, der nicht auf die SMS antwortete, die Jonas ihm am Vatertag schickte, und der ihn zu Weihnachten vielleicht anrufen würde, vielleicht aber auch nicht.
Jonas ist ein Kind, das Entscheidungen treffen kann, ohne sie danach noch groß zu hinterfragen. »Ich weiß das alles«, sagte er zu mir, wenn ich ihm die Unwägbarkeiten des Vorhabens erklärte. Er lächelte dabei tapfer, im Wissen darüber, dass sein Vater den Kontakt zu ihm vielleicht verärgert ganz abbrechen würde, und in der Hoffnung darauf, dass das Gegenteil passieren würde. Damit war das Thema für ihn aber auch abgehakt, denn das war eine weitere Sache, die Jonas mir klarmachte: Wie ätzend es für begabte Kinder ist, Dinge erklärt zu kriegen, die sie schon kapiert haben, noch viel ätzender als für begabte Erwachsene.
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