Die Geschichte der Belagerung von Lissabon

Die Geschichte der Belagerung von Lissabon
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Der Korrektor Raimundo Silva hat den Auftrag, ein Buch über die Historie Lissabons auf Fehler durchzusehen. Als er das Manuskript an einer entscheidenden Stelle eigenmächtig ändert, bekommt nicht nur das Buch eine ganz und gar neue Ausrichtung, sondern auch Silvas Leben. Portugals bedeutender Romancier erzählt vom Schreiben, vom Sieg der Phantasie über die Fakten und vom Beginn einer wunderbaren Liebe.

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José Saramago. Die Geschichte der Belagerung von Lissabon

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José Saramago

Die Geschichte der Belagerung von Lissabon

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Nein, diese Ansprache ist nicht das Werk eines Anfängers von König, ohne hinlängliche Erfahrung in diplomatischen Dingen, eher sind da Finger, Hand und Kopf eines hohen Klerikers im Spiel, vielleicht gar des Bischofs von Porto, Dom Pedro Pitões, und gewiss des Erzbischofs von Braga, Dom João Peculiar, die beiden hatten, vereint und wohlabgesprochen, die den Douro passierenden Kreuzritter überreden können, sich her zum Tejo zu begeben und bei der Eroberung mitzuhelfen, vielleicht mit den Worten, So hört euch doch zumindest unsere Gründe an, welche für eine Hilfeleistung eurerseits sprechen, in Anbetracht des Gewinns. Und da die Reise von Porto nach Lissabon drei Tage gedauert hatte, kann man sich wohl ohne sonderlich viel Phantasie ausmalen, dass die zwei Prälaten, unterwegs, den Entwurf der Rede aufsetzten, um die Dinge voranzubringen, sie erwogen die Argumente, deuteten viel an, sie wagten das Mögliche, taten sehr freigebig in Versprechungen, die in behutsame Überlegungen eingefasst waren, sparten auch nicht mit Schmeichelei, einem trügerischen Mittel, das gemeinhin verlässlich fruchtet, selbst wenn der Boden karg und ein Tölpel der Säer ist. Raimundo Silva, entflammt, lässt die Decke mit theatralischer Gebärde fallen, er lächelt freudlos, Diese Art von Rede ist nicht glaubwürdig, wirkt eher wie shakespearehafter Theatereffekt denn Ansprache von Vorstadtgeistlichen, und er kehrt an den Schreibtisch zurück, setzt sich, schüttelt den Kopf, betrübt. Der Gedanke, dass er nie und nimmer erfahren wird, welche Worte Dom Afonso Henriques tatsächlich an die Kreuzritter richtete, zum Mindesten war es ein Guten Tag, und was noch, was noch, und dass es so augenblendend klar ist, dies nicht in Erfahrung bringen zu können, das hält er, jäh, für ein Unglück, er wäre bereit, auf irgendetwas zu verzichten, er fragt sich nicht, worauf und auf wie viel, auf die Seele, sofern er eine hat, auf materielle Güter, wenn er sie nur hätte, Hauptsache er fände, möglichst auf dieser Seite Lissabons, wo er wohnt und wo sich zu jener Zeit die Stadt in ihrer Gänze ausdehnte, ein Pergament, ein Blatt Papyrus, einen Fetzen Papier, einen Tagebuchausschnitt, eine Inschrift, meinetwegen einen behauenen Stein, der das wahre Sprechen festhielte, sozusagen das Original, das in der Kunst der Dialektik vielleicht weniger fein wäre, als es diese manierierte Fassung ist, der just die dem feierlichen Anlass gemäßen kraftvollen Worte fehlen.

Das Abendessen war kurz, schlicht und noch leichter als das Mittagsmahl, doch trank Raimundo Silva statt der üblichen einen Tasse Kaffee diesmal deren zwei, um sich gegen die Müdigkeit zu wappnen, die ihn bald überkäme, da er in der Nacht zuvor schlecht geschlafen hatte. Im festen Rhythmus, hin über die Buchseiten, wechseln die Örtlichkeiten, es folgen einander Bilder und Episoden, nun übt sich der Historiker in hohem Stil, um den großen Zwist darzulegen, der sich unter den Kreuzfahrern nach der Ansprache des Königs entspann, war doch die Frage, ob sie unseren Portugiesen bei der Einnahme Lissabons helfen sollten oder nicht, ob hier verbleiben oder aber, wie vorgesehen, weiterziehen, ins Heilige Land, wo in türkischen Fesseln Unser Herr Jesus Christus ihrer harrte. Es argumentierten jene, die am liebsten hier geblieben wären, die Mauren aus dieser Stadt treiben und aus ihr einen Christenhort machen sei gleichermaßen ein gottdienliches Werk, und die anderen hielten dagegen, wenn gottdienliches Werk, dann doch wohl ein minderes, so hehre Ritter, wie alle hier es zu sein vermeinten, hätten die Pflicht, dorthin zu eilen, wo das Werk mühevoller sei, nicht wie in diesem Weltenwinkel unter Bauersleuten und Wichten, gemeint waren wohl mit den einen die Mauren und mit den anderen die Portugiesen, doch unterließ der Historiker weitere Ergründung, vielleicht weil beides Schmähworte waren. Die Krieger riefen da durcheinander wie Besessene, Gott vergib mir, heftig in Worten und Gesten, und wer für die Weiterreise zu den heiligen Stätten war, versicherte, weitaus größeren Gewinn und Nutzen brächte es, wenn sie den ihnen auf See begegnenden Nauen, spanischen wie afrikanischen, Geld und Ware abpressten, im zwölften Jahrhundert von Nauen reden, ein Anachronismus, der nur dem Historiker anzukreiden ist, das brächte mehr als die Einnahme der Stadt Lissabon, mit weniger Gefahr für Leib und Leben, denn hoch sind die Mauern, und der Muslime viele. Vollkommen recht hatte Dom Afonso Henriques mit der Voraussicht, sein Vorschlag werde eine algazarra auslösen, dieses Wort, obzwar arabischer Abkunft, ist auch dienlich, jedwedes ereifernde Geschrei und Gekreisch der Kölner, Flamen, Bologneser, Bretonen, Schotten und Normannen, und aller durcheinander, zu bezeichnen. Letztlich aber einigten sich die Parteien nach ihrem Wortstreit, der den ganzen Tag des heiligen Petrus anhielt, und morgen, am dreißigsten Juni, werden sich die Vertreter der nun einigen Kreuzritter zum König begeben und ihm mitteilen, jawohl, sie wollen bei der Eroberung Lissabons helfen, sofern ihnen zum Lohn die Besitztümer der dort von den Mauern spähenden Feinde zufallen, abgesehen von weiteren unmittelbaren und mittelbaren Vergünstigungen.

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