Die Stadt der Sehenden

Die Stadt der Sehenden
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Es ist der Alptraum eines jeden Politikers, einer jeden Partei: Da ist Wahl, und keiner geht hin, schlimmer noch, die Wenigen, die kommen, geben unausgefüllte Stimmzettel ab. Und bei der Wahlwiederholung sind zwei Drittel aller Stimmzettel weiß. Doch statt die Motive der Wähler zu ergründen, verhängt man den Ausnahmezustand. Eine glanzvolle Parabel über die Fragilität politischer Systeme und die moralische Hinfälligkeit des Menschen.

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Жозе Сарамаго. Die Stadt der Sehenden

Über José Saramago

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José Saramago

Die Stadt der Sehenden

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Nach erfolgten Prüfungen, so schreibt das Gesetz dieses Landes vor, wählen der Wahlvorsteher, die Wahlhelfer und die Parteienvertreter sowie deren jeweilige Stellvertreter, vorausgesetzt natürlich, sie sind für das Wahllokal, in dem sie am Tisch des Wahlvorstands sitzen, eingetragen, was hier der Fall ist. Obwohl sie nach Kräften Zeit zu schinden versuchten, dauerte es nur vier Minuten, bis die Urne ihre ersten elf Stimmen in Empfang nahm. Und das Warten, das unvermeidliche Warten begann. Es war noch keine halbe Stunde vergangen, da schlug der unruhig gewordene Wahlvorsteher einem der Wahlhelfer vor, doch einmal nachzusehen, ob nicht doch jemand käme, vielleicht seien ja bereits Wähler aufgetaucht und schimpfend wieder gegangen, weil sie eine vom Wind verschlossene Tür vorgefunden hatten, Man hätte ja wenigstens so freundlich sein können, die Bevölkerung davon in Kenntnis zu setzen, dass die Wahl verschoben wurde, über Radio oder Fernsehen, für derlei Informationen sind sie schließlich da. Der Schriftführer sagte, Wir wissen doch alle, dass eine Tür, die der Wind zuschlägt, einen Höllenlärm macht, und hier war nichts zu hören. Der Wahlhelfer zögerte, Geh ich oder geh ich nicht, doch der Wahlvorsteher insistierte, Gehen Sie schon, tun Sie mir den Gefallen, und seien Sie vorsichtig, machen Sie sich nicht nass. Die Tür stand offen, der Bremsklotz saß ganz fest. Der Wahlhelfer streckte den Kopf hinaus, einen Augenblick nur, sah kurz in die eine, dann in die andere Richtung und zog ihn tropfnass, als hätte er ihn unter die Dusche gehalten, wieder ein. Er wollte ein guter Wahlhelfer sein, es seinem Vorgesetzten recht machen, und da er zum ersten Mal zu dieser Aufgabe herangezogen worden war, wollte er für seine Schnelligkeit und Effizienz belobigt werden, wer weiß, vielleicht käme ja einmal, wenn er mehr Erfahrung hätte, der Tag, an dem er selbst einem Wahllokal vorstand, es soll schon höhere Flüge am Zukunftshimmel gegeben haben, wundern tut das keinen mehr. Als er in den Saal zurückkam, rief der Wahlvorsteher halb bekümmert, halb belustigt aus, Aber mein Lieber, so nass hätten Sie sich doch nicht machen müssen, Halb so wild, Herr Wahlvorsteher, sagte der Wahlhelfer und fuhr sich mit dem Ärmel seiner Jacke übers Kinn, Haben Sie jemanden entdeckt, So weit meine Augen reichten, war niemand zu sehen, die Straße ist eine einzige Wasserwüste. Der Wahlvorsteher stand auf, spazierte unentschlossen vor dem Tisch auf und ab, trat an die Wahlkabine, blickte hinein und kam wieder zurück. Der PDM-Vertreter ergriff das Wort, um erneut zu bemerken, dass die Zahl der Nichtwähler drastisch ansteigen würde, der PDR-Vertreter schlug abermals einen beschwichtigenden Tonfall an, die Wähler hätten doch den ganzen Tag Zeit zum Wählen, bestimmt warteten sie nur, bis das Unwetter sich legte. Nur der PDL-Vertreter zog es vor zu schweigen, er dachte daran, wie er sich blamiert hätte, wäre ihm in dem Moment, als der stellvertretende Wahlvorsteher den Saal betrat, tatsächlich dieser Kommentar herausgerutscht, Von vier lächerlichen Wassertropfen lassen sich die Wähler meiner Partei doch nicht abschrecken. Der Schriftführer, den nun alle erwartungsvoll anblickten, entschied sich für einen praktischen Vorschlag, Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, mal beim Ministerium anzurufen und nachzufragen, wie denn die Wahl sonst verläuft, hier in der Stadt und auch in anderen Regionen, so erführen wir, ob diese patriotische Kurzschlussreaktion allgemeiner Natur ist oder ob wir die Einzigen sind, die die Wähler nicht mit ihrer Stimmabgabe beehrt haben. Da erhob sich der PDR-Vertreter, Als Vertreter der Partei der Rechten möchte ich aufs Energischste gegen diese respektlose Wortwahl und den unzulässig spöttischen Tonfall protestieren, in dem sich der Herr Schriftführer soeben über unsere Wähler geäußert hat, und dies auch im Protokoll vermerkt wissen, denn die Wähler sind die größten Stützen der Demokratie, ohne sie hätte längst die Tyrannei, eine der vielen, die es auf dieser Welt gibt, von der Heimat, die wir unser Eigen nennen, Besitz ergriffen. Der Schriftführer fragte achselzuckend, Soll ich den Antrag des Herrn Vertreters der PDR aufnehmen, Herr Wahlvorsteher, Ich glaube, das wird nicht nötig sein, wir sind einfach alle nervös, betroffen, verwirrt, und bekanntermaßen sagen wir, wenn wir in einer solchen Gemütsverfassung sind, leicht etwas, das wir gar nicht so meinen, ich bin mir sicher, der Herr Schriftführer wollte niemanden beleidigen, ist er doch selbst ein verantwortungsbewusster Wähler, was sich allein darin zeigt, dass er wie wir alle diesem Unwetter getrotzt hat und gekommen ist, seine Pflicht zu tun, dennoch hindert mich diese aufrichtige Anerkennung nicht daran, den Herrn Schriftführer zu ersuchen, sich streng auf die Erfüllung der ihm übertragenen Aufgabe zu konzentrieren und Kommentare, die persönliche oder politische Empfindlichkeiten anwesender Personen verletzen könnten, zu unterlassen. Der PDR-Vertreter reagierte mit einer wegwerfenden Handbewegung, die der Wahlvorsteher wohlwollend als Zustimmung interpretierte, wodurch sich der Konflikt nicht ausweitete, was in hohem Maße auch dem PDM-Vertreter zu verdanken war, der auf den Vorschlag des Schriftführers zurückkam, Eigentlich sind wir hier so etwas wie Schiffbrüchige im Ozean, ohne Segel und Kompass, ohne Mast und Ruder und ohne Treibstoff im Tank, Sie haben vollkommen Recht, sagte der Wahlvorsteher, ich werde im Ministerium anrufen. Auf dem Nebentisch stand ein Telefon, und dorthin begab er sich nun, das Blatt mit den vor einigen Tagen erhaltenen Instruktionen in der Hand, die neben vielen nützlichen Hinweisen auch die Telefonnummern des Innenministeriums enthielten.

Das Gespräch dauerte nicht lange, Hier spricht der Wahlvorsteher des Wahllokals Nummer vierzehn, ich bin sehr beunruhigt, hier tut sich etwas höchst Merkwürdiges, bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch kein einziger Wähler erschienen, obwohl wir seit über einer Stunde geöffnet haben, keine Menschenseele hat sich blicken lassen, ja natürlich, das Unwetter will kein Ende nehmen, Regen, Wind, Überschwemmungen, ja natürlich harren wir hier standhaft und geduldig aus, deshalb sind wir ja gekommen, das ist doch selbstverständlich. Von da an trug der Wahlvorsteher nur noch mit mehrmaligem Kopfnicken, ein paar unterdrückten Ausrufen und drei oder vier angefangenen und nicht beendeten Sätzen zu dem Gespräch bei. Als er den Hörer auflegte, blickte er seine Tischkollegen an, doch in Wirklichkeit sah er sie gar nicht, es war, als hätte er ein Bild mit lauter leeren Sälen vor Augen, mit unberührten Wählerverzeichnissen, wartenden Wahlvorstehern und Schriftführern, Parteienvertretern, die sich misstrauisch beäugten und ausrechneten, wem wohl die Situation zum Vorteil und wem zum Nachteil gereichte, und im Hintergrund ein durchnässter, diensteifriger Wahlhelfer, der gerade von der Eingangstür zurückkommt und verkündet, es sei niemand in Sicht. Was hat das Innenministerium gesagt, fragte der PDM-Vertreter, Sie wissen auch nicht, was sie davon halten sollen, natürlich bleiben bei dem schlechten Wetter viele zu Hause, aber dafür, dass überall in der Stadt praktisch das Gleiche passiert wie hier, haben sie keine Erklärung, Warum sagen Sie praktisch, fragte der PDR-Vertreter, In einigen Wahllokalen, allerdings nur in ganz wenigen, sind Wähler erschienen, aber der Zulauf ist äußerst gering, so etwas hat es noch nie gegeben, Und im übrigen Land, fragte der Vertreter der Linken, es regnet doch nicht nur in der Hauptstadt, Das ist ja das Beunruhigende, an manchen Orten regnet es genauso stark wie hier, und trotzdem gehen die Menschen wählen, natürlich sind es in Gegenden, wo schönes Wetter herrscht, mehr, und wenn wir schon beim Thema sind, es heißt, der Wetterbericht hat eine Besserung für den späten Vormittag vorausgesagt, Trotzdem kann es auch noch schlimmer kommen, denken Sie nur an das Sprichwort, Am Mittag zieht’s sich zu, oder es klart auf, warf der zweite Wahlhelfer ein, der bis dahin noch nicht den Mund aufgemacht hatte. Es wurde still. Da fasste der Schriftführer in die Außentasche seines Jacketts, holte ein Mobiltelefon heraus und wählte eine Nummer. Während er auf die Verbindung wartete, sagte er, Das ist ungefähr so wie die Geschichte vom Berg und dem Propheten, da wir die Wähler, die wir nicht kennen, nicht fragen können, warum sie nicht wählen kommen, fragen wir eben die Familienangehörigen, die wir kennen, Hallo, Liebes, ich bin’s, du bist also zu Hause, warum bist du noch nicht wählen gekommen, dass es regnet, weiß ich wohl, meine Hosenbeine sind immer noch nass, ja, das stimmt, entschuldige, ich habe vergessen, dass du mir gesagt hast, du würdest nach dem Mittagessen kommen, natürlich, ich ruf dich an, weil das hier ganz schön vertrackt ist, wenn ich dir sage, dass bisher kein einziger Wähler erschienen ist, um seine Stimme abzugeben, dann glaubst du mir womöglich gar nicht, ist gut, dann warte ich hier auf dich, Küsschen. Er legte auf und bemerkte süffisant, Zumindest eine Stimme ist gesichert, meine Frau kommt heute Nachmittag. Der Wahlvorsteher und die übrigen Mitglieder des Wahlvorstands sahen einander an, es war klar, dass sie dem Beispiel folgen mussten, doch keiner von ihnen wollte der Erste sein, denn damit hätten sie indirekt zugegeben, dass der Schriftführer hinsichtlich Einfallsreichtum und Beherztheit in diesem Wahllokal den Sieg davongetragen hatte. Dem Wahlhelfer, der zur Tür gegangen war, um nachzusehen, ob es noch regnete, fiel die Einsicht nicht schwer, dass er noch viel lernen musste, um an einen Schriftführer wie diesen hier heranzureichen, der mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt einem Mobiltelefon eine Stimme abringt, so wie ein Zauberkünstler ein Kaninchen aus dem Hut zaubert. Als er sah, dass der Wahlvorsteher sich in eine Ecke zurückgezogen hatte und mit seinem Mobiltelefon zu Hause anrief und dass die anderen es ihm in diskretem Flüsterton mit wiederum eigenen Telefonen gleichtaten, würdigte der Wahlhelfer von der Tür insgeheim den Anstand seiner Kollegen, nicht die dort installierten, für den offiziellen Gebrauch bestimmten Festnetzapparate zu benutzen und somit dem Staat Geld zu sparen. Der Einzige, der, da er kein Mobiltelefon besaß, wohl oder übel darauf warten musste, was die anderen erzählten, war der PDL-Vertreter, wobei noch hinzugefügt werden muss, dass der arme Mann allein in der Hauptstadt wohnte, seine Familie hingegen auf dem Land, und er daher niemanden hatte, den er hätte anrufen können. Eins nach dem anderen wurden die Gespräche beendet, am längsten dauert das des Wahlvorstehers, der offensichtlich die Person, mit der er spricht, zwingen will, auf der Stelle zu kommen, was soll das noch werden, eigentlich hätte ja er als Erster anrufen müssen, doch da der Schriftführer ihm nun einmal zuvorgekommen ist, sei es auch recht, schließlich haben wir bereits gesehen, dass dieser zum Schlag der forschen Menschen zählt, hätte er die Hierarchie gewahrt, so wie wir das tun, hätte er die Idee einfach an seinen Vorgesetzten weitergegeben. Der Brust des Wahlvorstehers entrang sich ein tiefer Seufzer, er steckte das Telefon ein und fragte, Nun, haben Sie etwas erfahren. Die Frage war nicht nur überflüssig, sondern auch, wie sollen wir sagen, ein klein bisschen unfair, erstens, weil man, so wie das Wort Erfahren zu verstehen ist, immer etwas erfährt, selbst wenn es uns nichts nützt, und zweitens, weil der Fragende eindeutig seine Amtsautorität missbrauchte, um von seiner eigenen Pflicht, nämlich höchstpersönlich den Informationsaustausch einzuleiten, abzulenken. Wenn wir also diesen Seufzer und den fordernden Nachdruck, den wir zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Telefongespräch herauszuhören meinten, noch nicht vergessen haben, müssen wir folgerichtig annehmen, dass das Gespräch mit der betreffenden Person, vermutlich einem Familienmitglied, nicht so angenehm und ergebnisreich verlaufen ist, wie es seinem berechtigten Staatsbürger- und Wahlvorsteherinteresse gebührte, und dass er sich nun, da er nicht die Nerven hat, auf die Schnelle etwas zu erfinden, aus der Affäre zieht, indem er seine Untergebenen auffordert, sich zu äußern, was, wie wir ebenfalls wissen, eine andere, moderne Art ist, den Chef zu spielen. Die Wahlvorstandsmitglieder und Parteienvertreter, mit Ausnahme des Vertreters der PDL, der in Ermangelung eigener Neuigkeiten nur zuhörte, erklärten, dass ihre Familienangehörigen keine Lust hätten, nass zu werden, und lieber darauf warteten, dass der Himmel endlich aufklarte und das Volk zum Wählen animierte, oder dass sie, wie die Frau des Schriftführers, ohnehin vorgehabt hätten, am Nachmittag wählen zu gehen. Der Wahlhelfer von der Tür wirkte als Einziger zufrieden, man sah seinem gefälligen Gesichtsausdruck an, dass er auf seine Verdienste stolz sein konnte, was in Worte übersetzt Folgendes ergab, Bei mir hat niemand abgenommen, und das kann nur bedeuten, dass sie bereits unterwegs sind. Der Wahlvorsteher setzte sich auf seinen Platz, und das Warten begann von neuem.

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