Eine philosophische Reise der Selbstfindung

Eine philosophische Reise der Selbstfindung
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Описание книги

Wer bin ich? Wohin gehe ich? Wie kann ich die Person sein, die ich sein will? Jörg Schaders existenzphilosophische Abhandlung «Eine philosophische Reise der Selbstfindung» ist kein Ratgeber für jeden Tag, ganz gewiss kein Ratgeber für ein paar Mußestunden. Fast wie absichtslos erzählen sich die Dinge an die Oberfläche, drängen hervor, in aller Leichtigkeit, in Schwung und Schwebe. Das verborgene Wort in aller Gelassenheit und Ruhe werden zu lassen, wie ein Strom, der bedächtig vor sich hin fließt und hier und da einen Stein aufwirbelt, der überraschend einen neuen Ort findet – das ist nicht nur erzählerisches Programm, das ist am Ende in jedem Sinne Erkenntnis auf dem Weg zu sich selbst …

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Jörg Schader. Eine philosophische Reise der Selbstfindung

Impressum

Teil 1: Anbahnung. Willkommen, welcome, ¡hola! Danksagung. Dieses Buch des Menschseins entstand zu großen Teilen inmitten derselben. Zahlreiche Zugfahrten halfen mir dabei, meine Gedanken schweifen zu lassen, unterstützten mich dabei, mich in meiner Doppelfunktion – als Teil der Gesellschaft wie auch als deren Betrachter – zu positionieren. Ein großer Dank gilt Andrea und Christian vom „ARTiSAN“ in Schladming, Maida von „By Maida“ in Graz und Werner vom „Larini“ in Deutschlandsberg, die mir in ihren jeweiligen Lokalitäten stets eine angenehme Atmosphäre boten, um meine Gedanken in Worte fassen zu können. Ich danke Elke Mandl, Margit Silldorff, Jasmin Kloepfer, Angelina Stadlmann, Günther Bitzer-Gavornik, Ingrid Schader, Julia, Sieglinde und Ferdinand Tritscher für ihre Unterstützung und konstruktive Kritik. Zudem danke ich meinen Eltern für ihr Vertrauen in meine Entscheidungen und meine Wege. Ohne Rechtfertigungszwang durfte ich mich dem Studium der Soziologie widmen, einem Herzensprojekt mit ungewissen Jobaussichten. So war ich nicht gezwungen, mir permanent Hard Skills anzueignen, um mich stets dem Moloch „Arbeitswelt“ anzunähern, sondern konnte all jenen Themenbereichen der allgemeinen Menschenbildung frönen, die mich umtrieben. Ein großer Dank gilt jenen Menschen, die ich als Sozialpädagoge, als Kommunikationstrainer, als Unternehmensberater, als Lektor im Studienfach Soziologie, als Gesundheitstrainer und Life-Coach begleiten durfte, um mit ihnen zu lernen. Nun bleibt noch eines zu tun: Danken Sie sich selbst – liebe Leserin, lieber Leser – für die Entscheidung, in Ihre Selbstexploration, in Ihre Selbstfindung, in Ihr Voranschreiten zu investieren. Bedienungsanleitung. Dieses Buch breitet seine Seiten aus, um eine Leserschaft anzusprechen, die sich durch Diversität auszeichnet, die nicht vorgegebenen Bahnen folgt, sondern vielmehr verqueren Gedanken offen gegenübersteht. So verhält sich der Titel des Buches auch etwas verquer zum Inhalt. Denn eine bloße Philosophie würde doch im theoretischen Schwelgen verharren, eine soziologische Abhandlung im besseren Verstehen des eigenen Seins in den Wirren des Treibens der Nachmoderne, lediglich praktischen Anleitungen würde der theoretische Unterbau fehlen usw. Die „Reise der Selbstfindung“ sieht sich vielmehr als Hybrid, als axis mundi, von welcher aus in vielzählige Richtungen gedacht werden kann und soll. Der Zugang soll ganzheitlich sein und dennoch vielschichtig, keinesfalls versteckend hinter so oft bemühten Paradigmen, sondern will sich der Komplexität des menschlichen Daseins mutig stellen. Die „philosophische Reise der Selbstfindung“ will aber auch keinem Größenwahn anheimfallen, will und kann nicht Heilsbringerin, Letztwahrheit, eierlegende Wollmilchsau sein. Vielmehr will sie zum Sinnieren und Reflektieren anregen und zur aktiven Arbeit am eigenen Selbst ermutigen. Die Leserschaft weniger anspruchsvoller Lektüre verzeihe mir die Erwähnung des einen oder anderen Fremdwortes, doch sind eben solche Terminologien häufig sinnvoll, Inhalte zu verdichten wie auch zu konkretisieren. Die im wissenschaftlichen Diskurs geschulten Rezipient*innen verzeihen mir vage Ausdrücke, wie „der Stimme des Herzens folgen“ usw.1. Nach einigen wenigen einleitenden Kapiteln und nach einem knappen, gegenwartsdiagnostischen Streifzug wird rasch zum Brennpunkt des Sinnierens übergegangen: dem Menschsein an sich und die Möglichkeit der Selbstwandlung in Eigenregie. Die Wege der Gedanken, betreffend diese beiden großen Themenbereiche, ziehen häufig ungewohnte Bahnen, auch wenn sie sich teilweise altbekannter Schlagwörter wie „Selbstliebe“ und „Initiation“ bedienen. Die handlungsleitenden Fragen sind basal und dennoch existenziell: Wodurch blockiere ich mich selbst? Was fehlt mir, um mich „ganz“ zu fühlen? In welche Richtung soll ich mein Leben gestalten? Unser Streben nach Sicherheit bedingt einen immanenten Wunsch, unser Leben in geordneten Bahnen führen zu können, doch das Leben ist Veränderung, ist Wachstum und Herausforderung. Wollen wir hierzu einen Aphorismus formulieren, so lautet dieser wie folgt: Das einzig Beständige ist der Wandel! Etwas schwieriger gestalten sich die zu treffenden Entschei­dungen, betreffend die Art und Weise, wie eben Antworten auf die oben gestellten Fragen gefunden werden können. An dieser Stelle kommt nun jenes Schriftwerk ins Spiel, das noch im Entstehen begriffen ist, welches nahtlos an das hier Erarbeitete anschließen wird, denn die „philosophische Reise der Selbstfindung“ ist, wenn man so will, nur eine Seite der Medaille. Sie bildet gemeinsam mit der „Schatzkiste voll sinnerfüllter Lebensweisen“ eine Dualogie. Sprechen wir vom Forschungsobjekt (dem zu Analysierenden), so fließt dieses auf den Stationen unserer philosophischen Reise mit dem Forschungssubjekt zusammen: Wir sind beides zugleich, Forscher und Beforschte. In der „Schatzkiste voll Lebensweisen“ werden dann Menschen zu Wort kommen, die neue, oftmals gewagte Wege in ihrer Vita eingeschlagen haben, die umgestiegen sind in eine Lebensalltäglichkeit, die deren individuelle Frage nach dem Sinn passender beantwortet. In gewisser Hinsicht sind all jene Personen, von denen im nachfolgenden Buch „Eine Schatzkiste voll sinnerfüllter Lebensweisen“ die Rede sein wird, „Aussteiger“. Doch leitet dieser Terminus uns allzu leicht fehl. Selbstverständlich steigen besagte Personen aus dieser und jener Situation, aus dieser und jener Dynamik aus. Dies tun sie aber, um schlussendlich in eine andere soziale Wirklichkeit einzusteigen. Deshalb sprechen wir nachfolgend von „Umsteigern“, und vielleicht werden auch Sie – nach unserer philosophischen Reise – zu einem Umsteiger/einer Umsteigerin. So klingen die Saiten des Duetts der „Reise der Selbstfindung“ und der „Schatzkiste voll Lebensweisen“ nicht gleichzeitig, sondern folgen aufeinander, die Lebensführung folgt der Selbstfindung, denn das Stellen existenzieller Fragen, die Schau des eigenen Seins, ist unabdingbar. Ein solches Innehalten, die Ergründung eigener Strukturen, Dynamiken und Potenziale, wie auch Wünsche und Sehnsüchte, sind notwendig, um sich wahrhaftig mit der eigenen Lebensweise auseinandersetzen zu können. Denn wird die Ergründung des Selbst übersprungen, geht man nur allzu leicht fehl. Die „philosophische Reise der Selbstfindung“ und die „Schatzkiste voll sinnverfüllter Lebensweisen“ entsprechen somit zwei aufeinander folgenden Sätzen einer Symphonie der Lebensqualität und Authentizität. Als Studierender der Soziologie wurde ich aufgefordert, mich vom eigenen Sein, der eigenen Vita, dem eigenen Umfeld zu abstrahieren, um dann die Gesellschaft als neutraler Beobachter betrachten zu können – und dennoch scheitere ich, scheitern wir alle bei diesem Versuch, da hier wahrhaftig Unmögliches verlangt wird. Denn das „So-geworden-Sein“ einer/s jeden Einzelnen kann nie a priori aus unserem Denken, Handeln und Fühlen ausgeklammert werden. Beispielsweise werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Inder, eine Österreicherin, eine Chilenin und ein Samoaner bei der Betrachtung des gleichen sozialen Phänomens andere Interpretationen vollziehen, da der Schritt von der genuinen Wahrnehmung hin zu kulturell gefärbten Interpretationen ein äußerst kurzer ist. Dennoch dürfen wir an ebendiesem Punkt nicht kampflos aufgeben, vielmehr gilt es, dem unerreichbaren Ideal eines neutralen Beobachters möglichst nahezukommen. Denn mithilfe dieses Zugangs können Normen und Dynamiken, Tabus und Sakrilege betreffend das Wertesystem der „Normalgesellschaft“ erfasst und ergründet werden. Ein Beispiel: Person X und Person Y steigen in denselben Zug mit dem Fahrtziel „Konformitätsbiografie“ ein. Beide fahren Tag für Tag eine Station weiter, stets mit dem hehren Ziel, das eigene Leben so zu leben, wie Mann und Frau es eben zu tun pflegen. Dieser Zugang zur Normalität gibt Sicherheit in Form von interdependenten Bestätigungen des Status quos der „So-ist-es-halt-Gesellschaft“. Anders ausgedrückt: Soziale Realität wird durch die Akzeptanz von Verhaltensregeln durch die Mehrheit einer Gesellschaft konstruiert, die für einen definierbaren Kulturraum zu einer geltenden Zeitspanne auf der Achse gesamtgesellschaftlicher Entwicklung (in-)formell hegemonial ist. Einfacher ausgedrückt: Normalität entsteht dadurch, dass sich die meisten handelnden Akteure der Gegenwart an etablierte Normen halten. So ist es „normal“, als Mann ein paar Biere mit seinen Freunden zu kippen, so ist es normal als im Ennstal lebende Frau ein „Dirndl“ zu besitzen, so ist es normal, allabends dem TV-Gerät bzw. Video-Stream-Gerät anheimzufallen usw. Nehmen wir nun an, Person X verlässt den „Konformitätszug“ und steigt in den Zug „Weg des eigenen Herzens“ ein. In diesem Zug sitzt Person X anfangs häufig alleine, in diesem Zug gesellen sich häufig auch Zweifel und Unsicherheit zum einsamen Reisenden durch die eigene Biografie. Angetrieben wird dieses metaphorische Vehikel jedoch von Sinn und Selbstentfaltung, vom Wissen darüber, welcher Vision bzw. welchen Themen das eigene Leben gewidmet ist. Dieser Umstieg muss nicht radikal gedacht sein. Nur für die Wenigsten kommt ein radikaler Umstieg, ein Auswandern in die Ferne infrage. Vielmehr geht es oft um einzelne Saiten der Lebensharfe, die zum Klingen gebracht werden. Es geht um kleine Adaptierungen im Alltag, die häufig großer Überwindung bedürfen. So kann es Überwindung für eine Bäuerin sein, nicht dem Druck ihres familiären Umfelds nachzugeben, sondern standhaft zu bleiben, um einer Bauchtanzgruppe beizutreten. So kann für die Betreiberin eines Beherbergungsbetriebes die Informierung der Kunden, dass künftig kein Frühstück mehr angeboten wird, eine heraklische Aufgabe darstellen, der Lohn ist mehr Zeit für eigene Belange. So kann es schwierig sein, den Alltag nicht immer mit Tätigkeit zu füllen, sondern sich bewusst Pausen zu nehmen, um dem Organismus und der Psyche die Chance zu geben, sich zu regenerieren. Es sind kleine Veränderungen, Veränderungen, die oftmals nach außen hin kaum sichtbar sind und dennoch zumeist beträchtliche Auswirkungen für das Leben, genauer gesagt, die Zufriedenheit und Leichtigkeit im Leben der Einzelnen haben. Diese Reisephilosophie zum Selbst fordert von Ihnen erst mal gar nichts – aber sie lädt Sie bedacht und wertschätzend ein, sich selbst zu schauen, Ihr Gewordensein, Ihre Jetzt-Situation. Meine Person nimmt nun nicht die Rolle eines unnahbaren, „erleuchteten“ Meisters ein. Vielmehr bekleide ich die Funktion eines Expeditionsleiters auf teils verdeckten Pfaden auf dem Weg zum eigenen Selbst. So bin ich Mentor, bin in mancher Sache geübter, und dennoch bin ich ebenso auf der Reise zu mir selbst und dies Tag für Tag. Aus diesem Grunde wähle ich in der „philosophischen Reise der Selbstfindung“ häufig die erste Person plural, um zu verdeutlichen, dass wir alle homo viator sind – zwar nicht auf dem Weg zum jenseitigen, himmlischen Jerusalem, wie es die Mönche des Mittelalters waren, sondern auf dem Weg in ein „Jerusalem des eigenen Herzens“, wenn man es so bedeutungsschwanger ausdrücken möchte. Leichtigkeit und Lebensfreude dürfen hier und jetzt Einzug in unser Leben halten und sollen nicht für ein Leben nach diesem Leben aufgespart werden. Ja, dieses Buch ist ein individualtherapeutisches Schriftwerk, ist ein Selbsthilfebuch! Seine Inhalte wollen tief dringen, wollen keinen Nachhall i. S. v. „Ach, das war ja nett“ bewirken. Die Inhalte wollen im Herzen berühren, wollen Mauern einbrechen und Sie auf dem Weg des inneren Vorankommens, des inneren Wachstums begleiten. Erwarten Sie nun, mittels netter Anekdoten berieselt zu werden, um eine leichte Kost genießen zu können, ist es womöglich besser, das erworbene Buch mit dem Vermerk „unbenutzt“ wieder zu veräußern. Wollen Sie aber sich selbst schauen, sind Sie bereit, Altes zurückzulassen und Neues in Ihr Leben zu integrieren? Sind Sie bereit, Schwere loszulassen und Leichtigkeit zu suchen? Dann machen Sie sich auf, auf eine Reise ins Selbst! Vielleicht hilft eine Jakobspilgerfahrt oder die Umrundung des Kailash, vielleicht dient Ihnen ein Re-treat in einem indischen Ashram oder etwa auch in einem Kloster unweit des Heimatortes. Vielleicht ist für Sie das Studium der Soziologie oder Philosophie genau das Richtige oder aber vielleicht die Lektüre der „philosophischen Reise der Selbstfindung“. Ich glaube nicht, dass alle Wege nach Rom führen, aber zumindest viele. Für eine jede Person gilt es nun, in Selbstverantwortung den eigenen Weg zu definieren und auch zu beschreiten. Häufig kennt man den eigenen Weg noch nicht, kann die Seinsqualität auf möglichen Wegen noch nicht erfassen. In diesem Gestade der Selbsterkenntnis gilt es, einfach zu beginnen, gilt es, einfach zu tun, einfach auszuprobieren und Erfahrungen zu machen. Fühlt sich ein Weg, eine Entscheidung stimmig an? Oder bleibt das eigene Fühlen ohne Resonanz und verharrt das eigene Wesen in Teilnahmslosigkeit? So bitte ich Sie um Ihrer selbst willen: Richten Sie sich nicht so sehr nach dem Außen, richten Sie sich nicht so sehr danach, was die Mutter, der Vater, die beste Freundin, der beste Freund usw. meinen, was Ihnen gut tun würde. Wir müssen unser Leben lediglich vor uns selbst verantworten, und so gilt es eben, unserem Herzen, unseren Sehnsüchten zu folgen und nicht den Meinungen und moralischen Instanzen unseres Umfeldes. Ich selbst bin seit vielen Jahren Suchender und Findender – und werde es (hoffentlich) bis an mein Lebensende sein. So ist dieses Schriftwerk des Sinnierens und Findens auch authentisch, da hier nichts im Fernen verharrt, sondern die hier transportierten Inhalte über die Jahre hinweg Teil meines Wesens, Teil meiner Alltäglichkeit wurden. An dieser Stelle bitte ich Sie, die Inhalte der „philosophischen Reise der Selbstfindung“ nicht ungefragt zu übernehmen, sie soll kein Katechismus der Selbstfindung, soll kein Standpunkt, sondern vielmehr Weg sein.2 Wenn Sie anderer Meinung sind, sind Sie anderer Meinung! Wenn Sie den einen oder anderen Inhalt als belanglos erachten, dann ist es eben so. Nehmen Sie sich jene Inhalte heraus, die Sie berühren, die sich in Ihrem Bewusstsein ausbreiten – auch nachdem Sie diese Selbstfindungsreise beiseite gelegt haben. Nehmen Sie all jene Inhalte wichtig, bei denen sich Ihre Atmung verändert, vielleicht auch ihr Magen reagiert usw. Für gewöhnlich lohnt es sich, genauer hinzusehen, wenn der eigene Leib in Resonanz geht.3. Leider sind wir oft meisterhaft darin, ebensolche Resonanzen und Fingerzeige unseres Leibes zu ignorieren, die ureigenen Signale unseres Selbst! Man habe jetzt keine Zeit dafür, müsse funktionieren. Achtsamkeit und Selbstgewahrsamkeit sind häufig leere Hüllen, die zwar als Wunschbilder formuliert werden, jedoch keine Auswirkungen auf die Art und Weise der eigenen Lebensführung haben. Doch Sie dürfen sich selbst ernst und wichtig nehmen, sich selbst fragen: Was will mir mein Leib nun sagen? Was ist hier und da noch zu lösen? Warum reagiere ich bei diesem und jenem Thema auf diese und jene Weise? Welchem Teil von mir darf ich ins Gesicht blicken, den ich bislang übergangen bin? Viele dieser Anteile sind alte Bekannte, und so denken wir uns des Öfteren: „Ach, dieses und jenes Thema schon wieder! Ich dachte, das hätte ich schon lange hinter mich gelassen.“ Wir alle haben unsere Lebensthemen, und es sind zumeist stets dieselben Themen, die uns von Kindesbeinen an begleiten, und so bietet Ihnen dieses Buch, die „Baustellen“ der eigenen Vita wieder zu schauen, aber in einem etwas anderen Licht. So darf die eine oder andere Bürde klarer, besser fassbar, leichter werden – und so darf auch so mancher Schmerz losgelassen werden, so manche Erkenntnis, so manche Übung Katharsis bringen. Die hier vorliegende philosophische Selbstfindungsreise konzentriert sich auf einige wenige Grundthematiken, erschließt nicht alle Sphären des Seins, vielmehr versucht sie die behandelten Themen (er)fassbar, erfahrbar und anwendbar zu machen. So keimt ab und an ein Neologismus aus dem gewobenen Netz der Gedanken auf, der auch im Glossar nachgelesen werden kann. Die inhaltliche Struktur gleicht keiner Überraschungstüte, aus der in willkürlicher Reihenfolge Themen und Inhalte gezogen werden. Die Abfolge der Themen ist bewusst gewählt und ist als aufbauend zu verstehen. Folgen Sie diesem roten Faden, denn Sie werden nachfolgende Kapitel tiefgründiger erfassen, wenn Sie sich mit den Kapiteln zuvor vertraut gemacht haben. So schließe ich diesen Auftakt mit dem tradierten Pilgergruß „ultreya“. Damals motivierte die Semantik dieses Wortes ein ständiges Voranschreiten bis nach Santiago de Compostela, dem Zentrum hoch- und spätmittelalterlicher Heilserwartungen. Im Zuge meiner Reisen und Pilgerfahrten drängte sich mir recht rasch die Gewissheit auf, dass – egal wo ich mich befinde – ich immer nur mir selbst begegnen kann. Wir adaptieren also die Bedeutung von ultreya und zwar im Sinne eines stetigen Voranschreitens im eigenen Leben, um peu à peu das eigene Selbst zur Entfaltung zu bringen. So wünsche ich Ihnen Entdeckergeist und Mut, sich selbst zu schauen! Ultreya,

Wege zur Selbstfindung. Habe ich selbst schon überlegt „umzusteigen“? Ab und an, wenn Ungemach über mich hereinbrach, spielte ich durchaus mit dem Gedanken, alles hinzuschmeißen, um dem wie auch immer geheißenen Sonnengott auf den Stränden einer pittoresken Insel zu frönen. Doch um selbst auszusteigen, lebe ich zu gerne in Österreich, habe ich zu spannende und reizvolle berufliche Agenden, sind mir Familie und Freunde allzu lieb. Vermutlich wäre ich jener Typ, dem das insulare Paradies rasch zu langweilig werden würde – und dennoch tut mir das Sinnieren, das Lesen, das Exzerpieren, das Schreiben usw. rund um die Themen Sinnsuche, Umsteigen und Lebensqualität gut, lässt mich selbst zur Ruhe finden. Die Durchführung des Doppelprojektes – „Eine philosophische Reise der Selbstfindung“ plus „Eine Schatzkiste voll sinnerfüllter Lebensweisen“ – half und hilft mir, die Einfachheit des Lebens nicht aus den Augen zu verlieren, mir selbst treu zu bleiben. Das Credo „Simple Man“ (Lynyrd Skynyrd) ist eine meiner Lebensmaximen und bedarf tagtäglicher Verfolgung. Doch warum forsche ich nicht über Schweige- oder Fastenseminare, warum nicht über Rituale im Zuge des Wellnessbooms? Die Antwort findet sich autobiografisch fundiert in so manchen Pilgererfahrungen, genauer gesagt, in so manchen Begegnungen auf dem Jakobsweg. Bereits im Jahr 2002 hatte ich die eine oder andere einschneidende Begegnung. Ganz besonders blieb mir eine Mutter aus deutschen Landen in Erinnerung, die mit ihren beiden Söhnen und zwei Eseln seit zwei Jahren auf Wanderschaft war. Die Mutter kümmerte sich intensiv und rührend um ihre beiden Söhne, doch legte sie auch radikale Ansichten an den Tag. Das besagte Fünfergespann ernährte sich fast ausschließlich frutarisch, also hauptsächlich von Obst, das von Bäumen gefallen war bzw. von Beeren, die von Sträuchern gefallen waren. Die Jungen ernährten sich auch von „Integrales“, meinen Lieblingskeksen zu dieser Zeit, die ich den beiden heimlich zusteckte, die Mutter verzeihe mir. Den Winter vor unserer Begegnung hatte die Rumpffamilie bei einem französischen Bauern verbracht, der von der Mutter mit sexuellen Gefälligkeiten bedient wurde. In die Schule sollten die beiden Jungen nicht mehr gehen. Beide, etwa um die 10 Jahre alt, sprachen bereits Französisch und etwas Spanisch, beide waren wahre Meister beim Feuerholzsuchen bzw. Feuermachen. Über einen Zeitraum von etwa zwei Wochen traf ich diesen Pilgertross beinahe täglich, ich sah einerseits die Freiheit und Natürlichkeit der beiden Jungen, andererseits die Zerrissenheit der beiden: Liebe und Zuneigung gegenüber der Mutter kämpften immer wieder mit dem Verlangen, aus den rigiden Ge- und Verboten ihres Familiensystems auszubrechen. In Finisterre trennten sich unsere Wege. Meine liebgewonnenen Pilgergefährten orientierten sich in Richtung Süden und steuerten auf Fatima zu, dann wollten sie nach Marokko übersetzen. Ohne Mobiltelefon, ohne Anschrift – und damals auch ohne Facebook – war es nicht möglich, Kontakt zu halten. Immer wenn ich ein Lagerfeuer mache, wende ich einen Kniff an, den ich von den beiden Jungen gelernt habe und denke an diese Begegnungen der Andersartigkeit, der Freiheit, der Ambivalenz. Noch heute stelle ich mir die Frage: War diese Form des nomadischen, unmittelbaren Herumziehens Fluch oder Segen für die beiden Jungen? Musste der Pilgertross aufgrund gesundheitlicher oder mone­tärer Gründe mit Scham behaftet wieder nach Deutschland zurückkehren? Hatten die beiden Jungen Erfolg bei der Wiedereingliederung, oder ist es gar nicht möglich, im uns vertrauten Gesellschaftssystem zu (über-)leben, wenn in frühen Jahren der verführerische Duft eines selbstbestimmten Lebens gekostet wurde? Vielleicht ist die Familie aber nicht zurückgekehrt und bietet für Urlauber Trekking-Touren im Atlasgebirge an. Womöglich wurde gemeinsam eine Strandbar in Casablanca eröffnet, die mittlerweile von den beiden Brüdern mit ihren Partnerinnen geführt wird

Endnoten. 1 Mein Bemühen ist es, einen Weg der Mitte zu beschreiten, zum einen für die allgemeine Verständlichkeit, zum anderen aber auch, weil sich die Schriften von Soziologen oftmals fernab vom Vokabular und Textverständnis der Allgemeinheit positionieren

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