Die Drei Hirschen Eiche
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Jurij Gurin. Die Drei Hirschen Eiche
Die Drei Hirschen Eiche. Ein Märchen aus Baden-Baden. Am nördlichen Rande des Schwarzwaldes zwischen Bergen im Oostal lebten in Zeiten, als Baden-Baden noch einfach Baden hieß und das kleine Städtchen nicht einmal hundert Häuser hatte, drei Brüder mit ihrer kleinen Schwester. Joachim war der Älteste, der Mittlere Fritz, der Jüngste Hans und die Schwester Ursula. Sie besaßen eine kleine Hütte nahe am Wald, welche noch von ihren verstorbenen Eltern stammte. In einem Jahr hatte der ungewöhnlich kalte Winter die ohnehin schon geringe Aussaat der Familie vernichtet und der nächste regenarme, heiße und trockene Frühling hatte allen das Leben schwer gemacht. Als Folge hatte sich Hungersnot im ganzen Land verbreitet. Auch die Familie Müller hatte es schwer gehabt. Die Eltern hatten alles, was sie besaßen, ihren Kindern gegeben, um diese am Leben zu erhalten, aber sich selbst konnten sie nicht retten. Nach der Beerdigung der Eltern lebten die Kinder allein sehr friedlich zusammen und kümmerten sich umeinander. Jeder arbeitete, wo immer er konnte. Sie gingen gemeinsam in den Wald, nach Pilzen und Beeren zu suchen, woraus das zehnjährige Schwesterchen köstliches Essen zubereitete. Das Leben war hart, aber dennoch konnten sich die Kinder über Wasser halten, bis eines Tages in dem Städtchen eine merkwürdige alte Frau auftauchte. Keiner wusste genau, woher und wann sie gekommen war. Trotz ihres Alters siedelte die Frau ganz oben auf den spitzen Battertfelsen beim Schloss Hohenbaden. Als die anderen Einwohner davon erfuhren, gingen sie nicht mehr auf diesen Berg. Über die alte Frau wurden verschiedene Gerüchte verbreitet. Manche nannten sie Hexe oder Hellseherin, andere sagten, dass sie eine Heilerin sei. Doch alle waren ängstlich ihr gegenüber. Die Frau kam sehr selten hinunter in das Städtchen. Wenn sie aber kam, dann mit ihrem Stock in der Hand, der aus einem alten Eichenast gemacht war. Sie war in ihren alten, abgenutzten, dunkelbraunen Mantel gekleidet, der eine Kapuze hatte, welche ihren Kopf bedeckte. Dann herrschte auf der Straßen Stille, nicht mal die Straßenverkäufer wollten sie ansprechen und die anderen Passanten versuchten einfach jeglichen Kontakt mit ihr zu vermeiden. Nur die Schwester der drei Brüder, Ursula, war immer nett und hilfsbereit zu der alten Frau. Sie plauderte gern mit ihr und teilte das Wenige zum Leben, was sie selbst mit ihren Brüdern benötigt hätte. Am Anfang hatten die Brüder nichts gegen diese Treffen, aber Gerüchte und die schlechte Meinung von den anderen Menschen änderten ihre Einstellung. Sie verboten Uschi, sich mit der alten Frau zu treffen, doch das Mädchen wollte nicht hören und blieb bei ihrer Meinung. Alle Überredungsversuche brachten keinen Erfolg und so entschieden die Brüder, das Problem selbst zu lösen. Bei Sonnenuntergang, ohne vorher ein Wort mit der Schwester gesprochen zu haben, brachen sie zur Bergspitze auf. Ihr Ziel war – der Battertfelsen. Der Weg war nicht lang und sie erreichten die Ruine des Alten Schlosses, als die Sonne hinter den Bergen verschwand. Doch der dichte Wald, die hereinbrechende dunkle Nacht und merkwürdige Geräusche erschwerten den Weg nach oben. Es schien, als ob alles gegen ihr Vorhaben wäre, aber fest entschlossen gingen sie weiter. Endlich sahen die Brüder zwischen Baumstämmen hindurch vor sich den Schein eines Lagerfeuers. Langsam näherten sie sich einer kleinen, aus Ästen und Blättern bestehenden Berghütte, welche die Frau sich selbst gebaut hatte. Sie saß bewegungslos vor dem Feuer. Wie immer in ihren Mantel gehüllt. Die grauen Haare ragten aus der Kapuze und der Stock lag neben ihr. Es schien, als ob sie schliefe. So leise wie möglich gingen die Brüder um die Frau herum und blieben stehen. Sie sahen einander an. Joachim konnte nur Angst von den Gesichtern der anderen ablesen. Er trat als Erster in die Nähe der Frau, hob das Laufrohr seiner Muskete hoch und richtete es auf ihre Schulter
Erschrocken und von Angst gepackt zogen sich die Brüder kurz zurück und blieben stehen
Seine Stimme zitterte jetzt nicht mehr. Er redete schon lauter und verlangte:
Joachim richtete seine Muskete wieder auf die Frau und seine zwei Brüder folgten ihm
Aber sie hörte nicht auf ihn. Ihre Lippen fingen an, sich zu bewegen, doch niemand hörte etwas. Sie drehte langsam mit ihrem Stock Kreise über dem Feuer, hob ihn in die Höhe und schlug plötzlich kraftvoll mitten ins Lagerfeuer. Tausende von Funken stiegen auf. Die Jungen zuckten zusammen und versuchten im gleichen Moment, die Hähne ihrer Musketen abzudrücken, aber es passierte nichts. Die Hände, die die Waffen hielten, waren wie gelähmt. Unter Schmerzen und mit angsterfüllten Augen sahen die Brüder, wie sich ihre Finger in Hufe verwandelten. Entsetzt verfolgten sie, wie sich ihre Hände mit Fell bedeckten… immer höher. Noch einen Augenblick und das laute Geheul von drei Hirschen ließ in dieser Nacht die Luft über der Bergspitze erzittern. Die Frau schob die Kapuze vom Kopf, strich ihre grauen Haare zur Seite und im Licht des Feuers sah man ihre traurigen, wie Quellwasser blauen Augen. Sie schaute die Hirsche an
Ursula wusste nicht, wohin ihre Brüder gegangen waren. Sie wartete bis Mitternacht auf sie und schlief dann auf dem Stuhl ein. Früh morgens schien die Sonne durch das Hüttenfenster. Plötzlich weckte ein lautes Klappern an der Eingangstür das Mädchen auf. Es machte die Tür einen ganz kleinen Spalt breit auf, um nachzuschauen, was los sei und zuckte erschrocken zurück. Drei Hirsche standen vor der Haustür. Mit voller Kraft schlug Ursula die Tür wieder zu und verschanzte sich im Bett unter ihrer Bettdecke
Das Klappern hatte aufgehört und Ursula schaute sich im Zimmer um. Sie lauschte in diese Stille. Plötzlich wiederholte sich das Klappern an der Tür. Der Blick des Mädchens blieb an der alten Muskete hängen, die der Vater hinterlassen hatte. Rasch sprang es aus dem Bett, um die Muskete zu holen, und lud sie, wie es der Vater und die Brüder getan hatten. Als die Waffe geladen war, öffnete Ursula das Fenster neben der Tür und richtete sie nach draußen. Aber nicht auf die Tiere, sondern zum Himmel hinauf und ein lauter Knall erschütterte die Hütte. Die Tiere verschwanden erschreckt im nahe gelegenen Wald. Das Mädchen beruhigte sich, kam wieder zu sich und ging nach einem kleinen Frühstück in das Städtchen, um die Brüder zu suchen. Es befragte zuerst die Nachbarn, dann lief es ziellos durch die Straßen und fragte alle Leute, aber niemand konnte ihm Antwort geben. Erst spät am Abend kehrte Ursula müde und erschöpft heim. Fast schon bei der Hütte angekommen, sah sie, dass die Tür offen stand. Voller Freude und mit dem Gedanken, dass es die Brüder seien, rannte sie hinein. Das rote Band, das sie in ihr Haar geflochten hatte, flatterte, so sehr beeilte sie sich. Aber ihre Freude verging schnell, als sie sah, dass die Zimmer leer waren. Traurig setzte sich Ursula auf einen Stuhl. Doch plötzlich leuchtete in ihren Augen wieder ein Hoffnungsfunken, als sie Stimmen auf dem Hof hörte. Sie rannte hinaus und sah, wie aus dem baufälligen Stall ihr Nachbar Emil kam, dem seine Frau Alma folgte
Die Nachbarn sahen einander an. Alma setzte sich zu dem Mädchen und schloss es in die Arme
Ursula wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, aber irgendein piepsendes Geräusch hatte sie aufgeweckt. Sie öffnete die Augen und sah direkt vor sich auf dem Stuhl eine weiße Maus mit Rubinaugen, die auf den Hinterpfoten stand und mit ihrer Vorderpfote winkte
Aber das Piepsen hörte nicht auf. Das Mädchen machte die Augen nur noch fester zu und versuchte zu schlafen. Plötzlich verschwand das Geräusch im Hintergrund und Ursula hörte ein ganz leises piepsendes Stimmchen von irgendjemandem
Ursula öffnete die Augen und sah, dass die Maus immer noch da war. Das Mädchen kniff sich in den Arm um zu prüfen, ob sie träumt oder nicht. Leichte Schmerzen vom Kneifen waren der Beweis: Es war kein Traum!
Diese Nachricht regte Ursula sehr auf. Sie sprang auf, nahm die Maus von ihrer Schulter und setzte sie wieder auf den Stuhl. Ganz schnell angezogen verließ sie die Hütte. Es waren in dieser Nacht weder Mond noch Wolken zu sehen, nur die Sterne schienen in der Dunkelheit. Plötzliche Windböen löschten die Fackel in Ursulas Hand. Sie blieb stehen und blickte auf die Ruine des Alten Schlosses, das in der Finsternis lag. Dann richtete sich ihr Blick auf die Battertfelsen. Auf einmal flogen ein paar Dutzend Glühwürmchen um das Mädchen herum und es ging weiter den Berg hinauf. Die kleinen Äste zerkratzten sein Gesicht und zerrissen sein Kleid, aber Ursula gab nicht auf. Da sah sie in ihrer Nähe ein paar Hirsche, die auch bergauf stiegen und blieb ängstlich stehen. Doch die Tiere schenkten der Anwesenheit des Mädchens keine Beachtung und gingen weiter. Auch Ursula ging beruhigt weiter und je höher sie kam, umso mehr Hirsche waren um sie herum und sie lief ohne Angst mit ihnen in die gleiche Richtung. Zwischen den Körpern der Tiere hindurch sah Uschi ein Lagerfeuer. Sie drängte sich durch und kam zu der Berghütte, vor welcher die alte Frau stand. Die Frau schaute das Mädchen ganz überrascht an und die Hirsche begannen laut zu brüllen. Jetzt wurde Uschi von Angst gepackt und flüchtete sich zu der alten Frau, welche sie in ihre Arme schloss
Die Frau gab keine Antwort. Sie schaute die heulenden Hirsche an, die sie umkreisten. Unter dem Heulen konnte man unerwartet eine Stimme erkennen. Immer deutlicher sagte sie
Die Frau drückte Ursula nun noch fester an sich und sprach zu den Tieren:
Bei diesen Worten gerieten die Hirsche ganz außer sich und gingen trotz des Feuers mit gesenktem Geweih auf die Frau und das Mädchen los. Die alte Frau schloss die Augen und fing in einer für Ursula unbekannten Sprache an zu murmeln. Die ersten drei Hirsche fielen von Schmerzen gequält nieder und das Mädchen sah, wie ihre Körperteile miteinander verschmolzen, mit Eichenrinde bedeckt wurden und sich schließlich in eine mächtige Eiche verwandelten. Die restlichen Tiere kamen näher und näher. Da wandte sich die Frau an die verängstigte Uschi: „Hab keine Angst!“ Sie ergriff das Mädchen und trat einen Schritt über den Felsen, doch sie fielen nicht in den Abgrund. Sie erhoben sich und verwandelten sich in Tausende kleiner Sterne, welche man bis zum Sonnenaufgang über dem ganzen Oostal betrachten konnte. Jahre vergingen, Hunderte von Jahren vergingen, aber sogar heute noch kann man die Eiche sehen, wenn man zum Battertfelsen aufgestiegen ist…die Eiche der drei Hirsche. Die Brüder, immer noch verhext im Baum, schauen nach ihrer Schwester suchend in verschiedene Richtungen und wenn man in das Eichenblätterrauschen hineinhört… hört man…
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