Karl Binding. Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens
I. Rechtliche Ausführung
I. Die heutige rechtliche Natur des Selbstmordes. Die sog. Teilnahme daran
II. Keiner besonderen Freigabe bedarf die reine Bewirkung der Euthanasie in richtiger Begrenzung
III. Ansätze zu weiterer Freigabe
IV. Steigerung der Privilegirungsgründe des Tötungsdeliktes zu Gründen für die Freigabe der Tötung Dritter?
V. Die Entscheidung über die Freigabe
VI. Das Bedenken der möglicherweise irrtümlichen Freigabe.56
II. Ärztliche Bemerkungen
Отрывок из книги
Ich wage am Ende meines Lebens mich noch zu einer Frage zu äußern, die lange Jahre mein Denken beschäftigt hat, an der aber die meisten scheu vorübergehen, weil sie als heikel und ihre Lösung als schwierig empfunden wird, so daß nicht mit Unrecht gesagt werden konnte, es handle sich hier »um einen starren Punkt in unseren moralischen und sozialen Anschauungen«.1
Ihre Behandlung führt uns von Fallgruppe zu Fallgruppe, deren Lage jeden von uns aufs tiefste erschüttert. Um so notwendiger ist es, nicht dem Affekt, andererseits nicht der übertriebenen Bedenklichkeit das entscheidende Wort zu überlassen, sondern es auf Grund bedächtiger rechtlicher Erwägung der Gründe für und der Bedenken gegen die Bejahung der Frage zu finden. Nur auf solch fester Grundlage kann weiter gebaut werden.
.....
IV. Der rechtlich und sozial schwache Punkt der Freigabe aller Selbsttötung ist der Verlust einer ganzen Anzahl noch durchaus lebenskräftiger Leben, deren Träger nur zu bequem oder zu feig sind, ihre durchaus tragbare Lebenslast weiter zu schleppen.
Es fällt dies für die Wertung der Schuld der sog. Teilnehmer stark in die Wagschale. Die bewußte Beihilfe zum Selbstmord des Todkranken wiegt erheblich leichter wie die zu dem der Gesunden, der sich etwa seinen Gläubigern entziehen will.