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Dieser groß angelegte Essay widmet sich einem Musiker, dessen Opern lange vergessen waren und der heute neu entdeckt wird.
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Die stinklangweilige Barockmusik
*1685: Händel, Bach, Scarlatti
Händels Hunger und das Duell in Hamburg
Die verbotene Oper
Kastraten und andere Diven
Die verschmähte Oper
Barock und Wirrwarr
Pomp und Pifa
Zeittafel
Über Karl-Heinz Ott
Impressum
Karl-Heinz Ott
Tumult und Grazie
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Als Reinhard Goebel mit der Musica Antiqua Köln im Jahre 1986 Bachs Brandenburgische Konzerte herausbrachte, standen die Leute Kopf, und zwar sowohl die Begeisterten als auch die Entsetzten. Das sechste Konzert in B-Dur etwa spielt dieses Ensemble bei höchster Präzision derart rasant, dass man es auf Anhieb kaum wiedererkennt. So wild und trotzdem unerhört transparent, wie es klingt, entdeckt man auf einmal einen Bach, der einen im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr ruhig auf dem Stuhl sitzen lässt. Wie die einzelnen Stimmen sich dabei verhaken und wieder voneinander lösen, bringen diese Musiker Linien zum Vorschein, die früher nur als Füllsel galten und gar nicht als solche wahrgenommen wurden. Derart kühn und frech, wie hier mit furioser Spielfreude ein Feuerwerk entfacht wird, fragt man sich aber auch, wie es möglich sein konnte, dass Heerscharen von Musikern das Potential einer solchen Musik über eine so unendlich lange Zeit hinweg nicht erkannten. So unerhört neu, wie Alte Musik hier klingt, will es einem zuweilen sogar scheinen, als könne man alles, was nach ihr kam, zuerst einmal vergessen, vor allem jenes 19. Jahrhundert, in dem man nicht selten den Eindruck gewinnt, es handle sich um ein reichlich forciertes Klanggewoge, das mitunter umso öder wirkt, je mehr man zu merken glaubt, wie ergriffen es einen machen will.
Die historische Spielweise zeichnet sich zunächst einmal dadurch aus, dass man die Myriaden von willkürlich hinzugefügten Artikulationsangaben vergessen muss, die den barocken Partituren erst später hinzugefügt wurden. Schließlich findet sich in ihnen von der Romantik an kein einziger Takt mehr, der nicht mit Phrasierungsbögen, Pedalvorschriften, Staccatotupfern, Crescendo- und Decrescendo-Pfeilen, Forte- und Pianozeichen und sonst noch allerlei Humbug übersät worden ist. Dass Bach mit Franz Liszt nichts zu tun hat, schien man nicht nur nicht wahrhaben, sondern widerlegen zu wollen. Und obwohl beispielsweise Busoni in seinem 1916 erschienenen Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst das romantische Wallen und Schwallen weit hinter sich zu lassen gedenkt, erdrückt er Bachs Cembalowerke mit endlosen Anweisungen wie »Molto tranquillo e gravemente, serioso, sostenuto e sempre sottovoce«, gefolgt von ständig wechselnden Vorschriften wie »mormorando«, »dolcissimo sospiro« und »più cantabile«. Die Bässe verdoppelt er eh so gut wie immer, und auch im Diskant werden fast alle Akkorde verfettet, sodass seine Bach-Arrangements so aussehen, als handle es sich um Sonaten von Brahms.
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