Plazenta, -18°
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Karlotta Jung. Plazenta, -18°
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IV
Отрывок из книги
Er ist grün. Ein altes, verbeultes Ungetüm von der Größe eines Einfamilienhauses. Sein Lack ist schäbig und an vielen Stellen abgeplatzt, von unzähligen braunschwarzen Rostflecken durchsetzt. Er ist laut, so ohrenbetäubend laut brüllt und tobt er mit wütender Kraft vor sich hin, dass einem der Atem stockt. Und er walzt alles nieder, was sich ihm in den Weg stellt. Mit seinen riesigen, meterhohen Rädern hinterlässt er tiefe Furchen, kratertiefe Spuren auf jedem Untergrund. Er ist rücksichtslos, wahllos, ziellos in seiner Zerstörungswut. Und ich weiß nicht, warum er es ausgerechnet auf mich abgesehen hat.
Jeden Morgen erwache ich mit stets dem gleichen Gefühl: Ich gehöre mir nicht mehr. Ich gehöre dem Traktor, der jede Nacht zu mir kommt, von dem ich jede verdammte Nacht träume. Ich liege auf der bloßen Erde, einem armseligen, vertrockneten Stück Acker irgendwo am Ende der Welt, und spüre, wie mich seine schweren Räder immer tiefer hinab drücken. Meine Knochen zerbersten, mein Kopf wird zermalmt, meine Haut flach gewalzt wie ein Stück Papier. Ich werde zu Lehm, löse mich auf. Ich versuche zu schreien, doch mein Mund ist voller Steine. Vielleicht sind es auch meine Zähne. Ich spüre nur Schmerzen. Brennende, schneidende, bohrende Schmerzen, die sich in meinem Körper ausbreiten wie ein Feuersturm. Und die nach dem Aufwachen immer noch da sind, in jedem Knochen, in jeder Zelle, jeden verfluchten Morgen.
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Irgendwann konnte ich nicht mehr auf die Emails der Produzentin antworten, ließ sie ungelesen im virtuellen Papierkorb verenden. Und dann brach die Stille über mich herein, zunächst wie eine Verheißung. Bis sie zur Bedrohung wurde und sich das Magma meines Inneren glühend über mich ergoss.
Manchmal senken sich all die sich drehenden, taumelnden Gedanken in meinem Kopf wie ein Schleier herab, und ich tauche ins Dunkel, ins tröstende Federweich meiner Kissen. Bis ich wieder hochschrecke, geschüttelt von dem Geräusch des Traktors, der sich langsam nähert, erbarmungslos brüllend. Ab und zu sitzt dann Jan an meinem Bett, er ist von mir unbemerkt nach Hause gekommen und sieht mit einer Mischung aus Irritation und Zärtlichkeit auf mich herunter, doch ich kann diesen Blick nicht ertragen und schäle mich aus meinen zerwühlten Decken, murmele, dass ich mich nur kurz hingelegt habe und dabei wohl eingenickt sei. Ich setze mich vor meinen Laptop und tue beschäftigt, rufe Dokumente auf, die ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr geöffnet habe, und Jan trollt sich, fürs erste, mit unbefriedigtem Blick.
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