Warten auf Schnee
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Karoline Menge. Warten auf Schnee
Отрывок из книги
Seit ihre Mutter fortging, sind Pauli und ihre Schwester Karine auf sich allein gestellt. Ihre Vorräte gehen zur Neige, und obwohl noch nicht mal November ist, verheißt der Blick zum Himmel nichts Gutes. Nachdem auch die letzten Bewohner das Dorf verlassen haben und der Mond die Landschaft in ein unheilvolles, blassgrünes Licht taucht, ziehen die fernen Hügel die sechzehnjährige Pauli magisch an. Denn dahinter liegt das Unbekannte, das alle verschluckt – zuerst ihren Vater und später auch Powel, den großen Jungen mit dem seltsamen Gesicht, ihren einzigen Vertrauten. Auf der Suche nach einer Erklärung wandern ihre Gedanken in die Vergangenheit, und schicksalhafte Geschichten treten ans Licht. Pauli wird klar: Sie muss handeln, bevor der erste Schnee fällt.
Kunstvoll verwebt Karoline Menge in Warten auf Schnee klassische Märchenmotive zu einer modernen Geschichte. In präziser Sprache und mit atmosphärischen Bildern erzählt sie von einer Familie, deren Mitglieder sich ins Verderben stürzen und von einer mutigen Heldin, die ihren Ängsten trotzt.
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Es war immer dasselbe, meine Mutter nahm jedes Mal den gleichen Weg, und wir blieben zurück, weil wir nicht wagten, ihr zu folgen. Wir wussten, dass sie wiederkommen würde, wir gewöhnten uns daran, dass sie nun jede Nacht durch den Wald und über die Felder wanderte und uns nie erzählte, was sie dort tat. Wenn sie am nächsten Morgen wieder zurück war, schien es uns, als hätten wir uns ihre Abwesenheit nur eingebildet, als wäre sie nie weg gewesen. Sie machte uns Frühstück, sprach nur das Nötigste, zu dieser Zeit redete sie nicht mehr viel, und schickte uns in die Schule. Karine und ich beschlossen, niemandem davon zu erzählen. Es hätte nichts geändert, die Leute aus dem Dorf hielten sich ohnehin von meiner Mutter fern.
Es passierte an einem Mittwochabend im Winter, der letzte Winter, den meine Mutter mit uns verbrachte. Jeden Mittwoch fand ein Markt im Dorf statt, und meine Mutter schickte mich los, um den guten Käse und das Bauernbrot zu kaufen, das wir auf dem Teppich im Wohnzimmer vor dem Ofen aßen. Ich weiß noch, dass ich an diesem Tag das letzte Stück Käse ergattert hatte und dass das Brot trocken schmeckte, nicht so wie sonst. Es gab nur zwei Stände auf dem Platz vor dem Rathaus, einer gehörte dem alten Holm, von ihm bekamen wir den Käse, am anderen verkaufte Linde Hannemann Gebäck und Brot – sie war die einzige Bäckerin im Dorf, ihr gehörte die kleine Backstube am Marktplatz, und normalerweise nahm sie nur das beste Brot für den Markt, alle wussten das. An diesem Mittwoch war das anders. Es kam niemand mehr, seit Wochen verkauften sich die Produkte so schlecht, dass sie am Abend in die Kammer gepackt und am nächsten Tag wieder angeboten werden mussten. Alles andere rentiere sich nicht, erklärte mir die Linde, als sie mir das Brot vom Vortag in Papier packte und über die Theke reichte. Es sind schlimme Zeiten, Kindchen, sagte sie und schüttelte immer wieder den Kopf. Sie gab mir das Wechselgeld, sogar noch ein bisschen mehr, so viel solltest du nicht für ein altes Brot bezahlen, Kindchen. Als ich ging und mich noch einmal zu ihr umdrehte, stand sie wie erstarrt an ihrem Stand, den Blick auf einen Punkt in der Ferne gerichtet.
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