Der entzogene Auftrag
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Kaspar F. Thome. Der entzogene Auftrag
I
II
III
IV
Nachbemerkung
Отрывок из книги
Kaspar F. Thome
Der entzogene Auftrag
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Yvonne hob ihr Glas und genehmigte sich einen herzhaften Schluck. „Willst Du eigentlich auch was?“ schob sie etwas unvermittelt ein, wobei das ‚Was’ ganz unklar eine Weile im Raum schwebte. Frank schüttelte nur den Kopf: „Und war es, wie soll ich sagen, praktisch so vorher oder nachher, daß er starb?“ Yvonne lächelte, dies sogleich verstehend, fragte aber spielerisch, ein wenig die Obszönität auskostend, nach: „Du meinst vor oder nach dem Abspritzen?“ Während Frank schmerzlich nickte, zerstoben all seine unschuldigen Emmanuelle-Träumereien, und er sah doch jählings nur eine irgendwie plötzlich völlig alltäglich wirkende und an der Grenze zum Altwerden stehende Frau vor sich, die mit all ihrem gezierten Französisch- und womöglich (für ihre ‚westliche’ Kundschaft) Geisha-Getue doch nur notdürftig ihre abgründig-banale Existenz (und die ihrer ‚Kunden’) übertünchen konnte. „Nun“, ließ sie verlauten und dehnte das ‚U’, „ich glaube er starb schon vorher, vor dem Abspritzen. Und warum fragst du?“ „Nur so“, entgegnete Frank. Warum er das gefragte hatte, das wußte er im Grunde nicht so genau. Vielleicht weil er Slim einen schönen Tod, inmitten der Wollust, gewünscht hatte? Dann gab es nichts mehr zu sagen; Frank starrte einen Augenblick die kahle, weiße Wand in Yvonnes Apartment an, stand dann auf, gab ihr seine Visitenkarte, auf der nur sein Name und eine Telefonnummer stand. „Wenn noch was sein sollte oder ihnen noch was einfällt, bitte rufen Sie mich an!“, sagte er und fügte hinzu: „Kann ich Sie später irgendwie erreichen?“, woraufhin Yvonne ihm ein Kärtchen mit einer Adresse in Lyon gab. Frank verabschiedete sich, ging aus der Wohnung, auf die Straße, winkte sich ein Taxi herbei und drückte dem Fahrer stumm die Visitenkarte des Bestattungsunternehmens in die Hand, der daraufhin ein äußerst betretenes Gesicht machte und Frank schweigend dorthin brachte.
Problemlos wurde Frank in das Bestattungsgeschäft eingelassen; er erkannte auf Anhieb den Japaner wieder, der ihm die Visitenkarte gegeben hatte. Man führte Frank durch eine Art Empfangs- oder Besprechungszimmer in ein Hinterhaus, wo der Sarg keineswegs aufgebahrt, sondern mitten im Raum einfach auf dem Boden stand. Er war noch verschlossen, und man machte sich ohne zu zögern daran, ihn zu öffnen. Als er geöffnet war, verließen die Angestellten schweigend und sich ein wenig zu Frank hin verbeugend den Raum. Frank trat näher an den Sarg. Er sah darin eine äußerst fetten Mann liegen, Mitte, Ende 50, dem man ein weißes Totenhemd übergezogen hatte, was aber äußerst knapp saß, sich straff über dem mächtigen Bauch spannte und die Beine fast bis zu den Knien freiließ. Frank zweifelte keinen Augenblick daran, daß es sich bei dem Toten um Slim handelte (dessen richtigen Namen er immer noch nicht kannte). Slims Kopf war ein wenig zur Seite geknickt, die Augen hatte man ihm geschlossen; der Mund stand offen und hätte dem ganzen Gesicht einen lächerlichen, ja geradezu blödsinnigen Ausdruck gegeben, wenn nicht die nun vollkommen aschfarbene Haut, die in dicken Wülsten die Backen formte und schlaff herunterhing, diesem Gesicht das doch stets ein Grauen hervorrufende Gefühl des Totseins gegeben hätte. Frank berührte leicht mit seiner Hand die kalte Stirn des Toten, murmelte leise vor sich hin: ‚Wer lauschte die Sprache der Seele mit den Verwesungen?’, Zeilen, die er sich aus irgendeiner längst vergangenen und – bis auf diese wenigen Worte – vergessenen Lektüre einmal gemerkt hatte, nahm dann seine kleine Kamera, die er meistens bei sich trug, aus der Tasche und machte einige Photos von Slim, die er seinem Bericht anfügen wollte. Nachdem er dies getan hatte, sah er seinen Auftrag als erledigt an. Nichts gab es für ihn mehr weiter zu tun.
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