Die abgetrennte Zunge
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Katharina Wesselmann. Die abgetrennte Zunge
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Inhalt
Einleitung. Was ist bloß mit dem Feminismus los?
Erzählte Frauen. Sklavin, Gattin, Göttin
Die Sklavin: Briseis
Die Gattin: Penelope
Die Göttin: Helena
Die Macht der Erzählung
Das fatale monstrum. Die mächtige Frau
Ausgrenzung: Antigone
Dämonisierung: Kleopatra
Die mächtige Frau als Abnormität
Das Schicksal der Verlassenen. Dido und Medea
Die erzwungene Liebe
Die gebrochenen Eide
Die ausweglose Situation
Die Tränen des Augustinus
Stumme Schreie. Mundtote Opfer
Daphne
Io
Die abgetrennte Zunge
Die ungehörten Stimmen
Ehe als Besitz. Die Tradition der legalisierten Gewalt
Männerprobleme: Andria
Boys will be boys: Adelphoe
Frauen und ihre Chancen: Eunuchus
Vergewaltigung in der Ehe löst alle Probleme: Hecyra
Gewalt und Recht
But what about men? Konsens und Asymmetrie
Toyboys und Sexsklaven
Sex als Vergeltung
Der Sonderfall der Päderastie
Sexuelle Gewalt gegen Männer
Incels, Stalker, Gewalttäter. Der gekränkte Liebhaber
Elegische Loser
Liebe als Sklavendienst
Die ausgerutschte Hand
Liebe als Krieg
Die Schuld des Opfers
Die Aggression des Zurückgewiesenen
Eskalation der Gewalt
Antike Elegie und moderne Paradigmen
Schwuler Romulus. Mackertum und Brechung
Versi molliculi: „Schlüpfrige kleine Verse“
Odi et amo: Aggression und Verletzlichkeit
Notha mulier: Genderfluidität
Me ex versiculis meis: Dichter und Werk
Das ultimative Scheusal. Hässlich, alt und geil
Das groteske hässliche Weib
Exkurs: Triggerwarnungen bei Martial?
Hässlichkeit heute
Dank
Anmerkungen
Bibliografie
Register der antiken Autor:innen mit ihren Lebensdaten
Bildnachweis
Informationen zum Buch
Отрывок из книги
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Innentitel
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Leider ist dies bisher zu wenig geschehen. Zwar haben die Gender Studies auch die Klassische Philologie längst erreicht und stellen innerhalb der Alten Sprachen mittlerweile ein ge- und beachtetes Forschungsfeld dar. Meist beschränkt sich die Diskussion aber auf rein akademische Kreise. Immerhin finden sich hier Auseinandersetzungen auch mit ganz zeitgenössischen Problemen. Melanie Möllers 2020 erschienener Sammelband Gegen / Gewalt / Schreiben. De-Konstruktionen von Geschlechts- und Rollenbildern in der Ovid-Rezeption beleuchtet den lateinischen Autor aus einer sehr gegenwärtigen Perspektive und thematisiert auch die Probleme eines heutigen Publikums mit den antiken Texten. Auch in den USA gibt es Beispiele für diese offene Konfrontation der antiken Traditionen mit modernen Problemen. Schon 2004 publizierte Madeleine Kahn, eine Dozentin für Vergleichende Literaturwissenschaft am Mills College in Oakland, Kalifornien, einen Lehrbericht, in dem sie offenlegte, wie schockiert sich ihre Studierenden über die sexuelle Gewalt in Ovids Metamorphosen zeigten – wie aber auch gerade dieser Schockeffekt eine äußerst produktive Diskussion anregte.4
Auch die klassische Philologin Rosanna Lauriola von der Universität Idaho schilderte bereits 2013 eine fruchtbare Unterrichtseinheit, ebenfalls in Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema Vergewaltigung.5 Sie widmete sich der Geschichte der Lucretia in den Versionen verschiedener antiker Autoren. Diese Geschichte bietet viel Zündstoff für Diskussionen heutiger Studierender: Lucretia wird vergewaltigt und begeht Selbstmord, um ihre Ehre zu bewahren. Im ersten Teil des Kurses las Lauriola die lateinischen Texte mit einer Gruppe Studierender der klassischen Philologie und man recherchierte antike Vorstellungen von sexueller Gewalt im ethischen, sozialen und juristischen Bereich. Den zweiten Teil öffnete Lauriola für Studierende anderer Fachrichtungen zu einer Art Podiumsdiskussion: Die Studierenden der klassischen Philologie berichteten von den gelesenen Texten und den Diskussionen innerhalb ihrer Gruppe; andere Studierende fragten nach und ergänzten. Die Lektüre wurde so zu einer Art Debattierforum: Die antike Erzählung wurde aktualisiert und einem breiten Publikum vermittelt. Zeitgenössische Perspektiven auf das Thema der Vergewaltigung konnten so in eine Diskurstradition eingeordnet werden, die sich bereits in jahrtausendealten Texten findet.
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