Die abgetrennte Zunge

Die abgetrennte Zunge
Автор книги: id книги: 2105149     Оценка: 0.0     Голосов: 0     Отзывы, комментарии: 0 1558,69 руб.     (15,2$) Читать книгу Купить и скачать книгу Электронная книга Жанр: История Правообладатель и/или издательство: Автор Дата добавления в каталог КнигаЛит: ISBN: 9783806244106 Скачать фрагмент в формате   fb2   fb2.zip Возрастное ограничение: 0+ Оглавление Отрывок из книги

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Die griechisch-römische Antike hat die westlichen Kulturen maßgeblich beeinflusst – auch im Hinblick auf Frauen- und Männerbilder, auf eine männliche Dominanz, die unsere kulturelle DNA geprägt hat. Wer kennt sie nicht, die antiken Sagen von Göttern, die schöne Nymphen verführen, von tragisch Liebenden und heiß Begehrenden. Die Begeisterung eines Apoll für seine Daphne oder die Verzweiflung der verlassenen Dido finden sich in ähnlicher Form auch heute in zeitgenössischen Filmen, Serien oder Songs wieder, die totale Verschmelzung und unbedingte Leidenschaft propagieren: can’t live, if living is without you! Sind die Texte, die zu den Grundlagen der europäischen Kultur gehören, wirklich noch zeitgemäß – ja, sind sie überhaupt noch salonfähig? Ist Apoll eigentlich ein Vergewaltiger, Dido das Opfer einer ›toxischen Männlichkeit?‹ Es gilt, einen neuen Umgang mit alten Stoffen zu finden. Katharina Wesselmann liest klassische antike Texte neu und verknüpft sie auf spannende Weise mit dem Hier und Heute.

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Katharina Wesselmann. Die abgetrennte Zunge

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Inhalt

Einleitung. Was ist bloß mit dem Feminismus los?

Erzählte Frauen. Sklavin, Gattin, Göttin

Die Sklavin: Briseis

Die Gattin: Penelope

Die Göttin: Helena

Die Macht der Erzählung

Das fatale monstrum. Die mächtige Frau

Ausgrenzung: Antigone

Dämonisierung: Kleopatra

Die mächtige Frau als Abnormität

Das Schicksal der Verlassenen. Dido und Medea

Die erzwungene Liebe

Die gebrochenen Eide

Die ausweglose Situation

Die Tränen des Augustinus

Stumme Schreie. Mundtote Opfer

Daphne

Io

Die abgetrennte Zunge

Die ungehörten Stimmen

Ehe als Besitz. Die Tradition der legalisierten Gewalt

Männerprobleme: Andria

Boys will be boys: Adelphoe

Frauen und ihre Chancen: Eunuchus

Vergewaltigung in der Ehe löst alle Probleme: Hecyra

Gewalt und Recht

But what about men? Konsens und Asymmetrie

Toyboys und Sexsklaven

Sex als Vergeltung

Der Sonderfall der Päderastie

Sexuelle Gewalt gegen Männer

Incels, Stalker, Gewalttäter. Der gekränkte Liebhaber

Elegische Loser

Liebe als Sklavendienst

Die ausgerutschte Hand

Liebe als Krieg

Die Schuld des Opfers

Die Aggression des Zurückgewiesenen

Eskalation der Gewalt

Antike Elegie und moderne Paradigmen

Schwuler Romulus. Mackertum und Brechung

Versi molliculi: „Schlüpfrige kleine Verse“

Odi et amo: Aggression und Verletzlichkeit

Notha mulier: Genderfluidität

Me ex versiculis meis: Dichter und Werk

Das ultimative Scheusal. Hässlich, alt und geil

Das groteske hässliche Weib

Exkurs: Triggerwarnungen bei Martial?

Hässlichkeit heute

Dank

Anmerkungen

Bibliografie

Register der antiken Autor:innen mit ihren Lebensdaten

Bildnachweis

Informationen zum Buch

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Innentitel

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Leider ist dies bisher zu wenig geschehen. Zwar haben die Gender Studies auch die Klassische Philologie längst erreicht und stellen innerhalb der Alten Sprachen mittlerweile ein ge- und beachtetes Forschungsfeld dar. Meist beschränkt sich die Diskussion aber auf rein akademische Kreise. Immerhin finden sich hier Auseinandersetzungen auch mit ganz zeitgenössischen Problemen. Melanie Möllers 2020 erschienener Sammelband Gegen / Gewalt / Schreiben. De-Konstruktionen von Geschlechts- und Rollenbildern in der Ovid-Rezeption beleuchtet den lateinischen Autor aus einer sehr gegenwärtigen Perspektive und thematisiert auch die Probleme eines heutigen Publikums mit den antiken Texten. Auch in den USA gibt es Beispiele für diese offene Konfrontation der antiken Traditionen mit modernen Problemen. Schon 2004 publizierte Madeleine Kahn, eine Dozentin für Vergleichende Literaturwissenschaft am Mills College in Oakland, Kalifornien, einen Lehrbericht, in dem sie offenlegte, wie schockiert sich ihre Studierenden über die sexuelle Gewalt in Ovids Metamorphosen zeigten – wie aber auch gerade dieser Schockeffekt eine äußerst produktive Diskussion anregte.4

Auch die klassische Philologin Rosanna Lauriola von der Universität Idaho schilderte bereits 2013 eine fruchtbare Unterrichtseinheit, ebenfalls in Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema Vergewaltigung.5 Sie widmete sich der Geschichte der Lucretia in den Versionen verschiedener antiker Autoren. Diese Geschichte bietet viel Zündstoff für Diskussionen heutiger Studierender: Lucretia wird vergewaltigt und begeht Selbstmord, um ihre Ehre zu bewahren. Im ersten Teil des Kurses las Lauriola die lateinischen Texte mit einer Gruppe Studierender der klassischen Philologie und man recherchierte antike Vorstellungen von sexueller Gewalt im ethischen, sozialen und juristischen Bereich. Den zweiten Teil öffnete Lauriola für Studierende anderer Fachrichtungen zu einer Art Podiumsdiskussion: Die Studierenden der klassischen Philologie berichteten von den gelesenen Texten und den Diskussionen innerhalb ihrer Gruppe; andere Studierende fragten nach und ergänzten. Die Lektüre wurde so zu einer Art Debattierforum: Die antike Erzählung wurde aktualisiert und einem breiten Publikum vermittelt. Zeitgenössische Perspektiven auf das Thema der Vergewaltigung konnten so in eine Diskurstradition eingeordnet werden, die sich bereits in jahrtausendealten Texten findet.

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