Nervöser Orient

Nervöser Orient
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Описание книги

Im 19. Jhr. stand ›der Orient‹ für märchenhafte Verheißung – heute für Terror, Despotie und zerfallende Staaten. Hat sich seit damals nur unser Bild vom ›Morgenland‹ gewandelt, oder der Orient selbst? Als 1798 Napoleon mit einer Armee von Soldaten, Wissenschaftlern und Ingenieuren in Ägypten landete, kam der Nahe Osten erstmals intensiv in Kontakt mit der europäischen Moderne. Seitdem ist die Region hin und hergerissen: Zum einen ist sie fasziniert von den westlichen Errungenschaften und versucht, Anschluss an diese zu finden; zum anderen beruft sie sich auf eigene Traditionen, die sie mit der Moderne zu verknüpfen versucht. Sie leidet am unseligen Erbe des europäischen Kolonialismus, aber auch an selbstverschuldeter Stagnation und unfähigen Regimen. Kersten Knipp schlägt Schneisen in die komplexe Thematik, wartet mit unbekannten historischen Hintergründen auf und spürt, glänzend formuliert, den Konfliktfeldern nach, auf denen sich arabische Welt und Moderne unversöhnlich begegnen.

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Kersten Knipp. Nervöser Orient

Nervöser Orient

Impressum

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INHALT

Einleitung

Im freien Fall

Moderne auf Arabisch

Der Islam – und was man aus ihm nicht lernen kann

Arabische Liberale

GLOBALISIERUNG. 1. Ägyptisches Vorspiel. Napoleon am Nil

Das Große Spiel

Im Schatten des Windes

Ein Gottgesandter

Von Pflicht und Glauben

Fesseln der Zivilisation

Feier und Fron

Wunderwerke der Technik

Und die Moral von der Geschichte

Republikanische Ahnungen

Umkehrung des Ursprünglichen

2. Stich durch den Sinai. Der Bau des Suezkanals

Safari nach Suez

Die universale Gesellschaft

Frondienst im Wasser

Ein unmögliches Arabisch

Highway of the British Empire

Schiffe versenken

„Ägypten den Ägyptern“

Flammen des Eifers

MODERNE. 3. Metropolen in Bewegung. Die Verwandlung der Städte

Trip durch das Mittelmeer

Erste Exkursion: Alexandria und Kairo

Zweite Exkursion: Algier

Rückkehr nach Beirut

Das Land in der Stadt

Tausend Pferde

Islamic Times – „Moderne Zeiten“ in der Levante

Böhmische Damen

Networking

Le chic de Paris

Knigge in Beirut

Bibel und Bildung

Renaissance auf Arabisch

4. Moderne auf Arabisch. Die Philosophie der „Nahda“

Jenseits der Religion

Das Band der Sprache

Unter Freimaurern

Die Heuschrecken

Künstliche Paradiese

Von Zwiebeln und Tränen

Modernisierung der Köpfe

Keine Macht für niemand!

Philosophie der Bombe

5. Islamische Renaissance. Das starke Band der Religion

Ein Ignorant, Sünder und Ungläubiger

Der Staub der Ignoranz

Verrückter Stolz

Der Kopf der Religion

Drang ins Dunkel

NATIONALISMUS. 6. „… zum wilden Aufstande entflammen“ Deutschlands Dschihad im Ersten Weltkrieg

Ein Wanderzirkus

Das große Spiel

Unendliches Hurrageschrei

Tragische Passionen

„Die Seele der islamitischen Welt“

Mit der grünen Fahne

Zug in den Tod

Eine Bahn für den Dschihad

„Die Psyche des Orientalen“

Spione seiner Majestät

Auf verlorenem Posten

7. Linien im Sand. Das Sykes-Picot-Abkommen und seine Folgen

Farben und Linien

Handschlag im Hedschas

Der Prinz und der Agent

Filmen in Jerusalem

Moskauer Indiskretion

Vierzehn Punkte

Arabische Fassade

”Ein nicht zu verachtendes physiologisches Produkt“

„Willkommen zu Hause“

Diplomaten an der Seine

Zauber der Sprache

Stimmungstest vor Ort

Krönungsfeier in Damaskus

Aufstand und Abdankung

König des Irak

Die Große Tour

Westliche Vormacht und ihre Folgen

VARIANTEN DES SCHEITERNS. 8. Die Rechtgeleiteten. Saudi-Arabien und der Wahhabismus

Öl in Nummer 7

Made in Britain

„Unsere gemeinsame Sache“

„Kommunismus ist keine Religion“

Das Buch der Einheit

Staatengründer unter sich

Die Kunst des Krieges

Karl Marx in der Wüste

Krieg und Embargo

Der Gesandte und die Geiseln

Hüter der Tradition

Im Zauberreich der Fatwas

„Mit unerbittlicher Härte“

Justiz als politische Dienstleistung

1000 Peitschenhiebe

9. Der große Diktator. Saddam Hussein oder die totale Macht

Panarabisches Vorspiel

Porträt des Diktators als junger Mann

Clan und Macht

Republik der Angst

Lektionen fürs Leben

“Schwerter des Sieges”

Ein Waffennarr

Kuwait und die Folgen

Chaos made in USA

10. Revolution und Kopfschmerz. Ägypten kommt nicht voran

„Der Typ im Hintergrund“

„Eine gesunde demokratische Atmosphäre“

Held der arabischen Welt

Niederlage und Verhärtung

Herr der Spitzel

Finsternis und Angst

Kino und Karriere

Golfen bei Cheops

Krieg und Frieden

Der Tod des Pharao

Husni Mubarak oder die große Müdigkeit

Reich und arm

Früchte des Zorns

Der allzu starke Staat

GOTTESKÄMPFER. 11. Koran und Nation. Die Anfänge des Islamismus

Brüder im Namen des Islam

Tauben in New York

Kopfschmerz nach der Niederlage

Militanz und Mannequins

Naher Feind und ferner Feind

Revolution im Iran

Dschihad in Afghanistan

Die Karawane

Syrische Radikale

Apologie des Massenmords

12. Terror grenzenlos. Al-Kaida und der „Islamische Staat“

Ästhetik des Schreckens

Che Guevara und die Abbasiden

Ein Gotteskämpfer

Geist aus der Flasche

Wie man Feinde gewinnt

Ein Terrorbündnis

Revanchismus in Aktion

Führer der Gläubigen

Syrische Tragödie

Dschihad in Syrien

Glanz und Elend des Kalifats

In Bedrängnis

13. Gewalt, Macht, Sinn. Die globale Attraktivität des Dschihadismus

Marseille, 1983

New Age und das große Durcheinander

Zu Gast bei den Beatles

Ein Student gegen den Geheimdienst Ihrer Majestät

„Dead man walking“

Salafismus auf dem Lande

„Ein völliger Mangel an Bildung“

Virtuelles Gift

CHANCEN. 14. Wer sind wir? Arabische Selbstkritik

Der ewige Tyrann

Randbemerkungen zum Desaster

Fortschritt als Fiktion

Die postkoloniale Illusion

Der Ruf des Propheten

Lesarten des Göttlichen

Die Erfindung des Orients

Aufklärung als Prinzip

15. Und Deutschland? Statt eines Nachworts

Kunst der Gastfreundschaft

Der große Exorzismus

Das taumelnde Kind

Schwein oder nicht Schwein

Die Zumutungen der Freiheit

Die Fragen der Anderen

Jenseits der Abgrenzung

Charme der Diskretion

Jenseits des Konfessionalismus

Anmerkungen

1. Ägyptisches Vorspiel

2. Stich durch den Sinai

3. Metropolen in Bewegung

4. Moderne auf Arabisch

5. Islamische Renaissance

6. „… zum wilden Aufstande entflammen“

7. Linien im Sand

8. Die Rechtgeleiteten

9. Der große Diktator

10. Revolution und Kopfschmerz

11. Koran und Nation

12. Terror grenzenlos

13. Gewalt, Macht, Sinn

14. Wer sind wir?

15. Und Deutschland?

Bibliographie

Personenregister

Abbildungsnachweis

Informationen zum Buch

Informationen zum Autor

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Gewaltsame Konflikte prägen weithin den Alltag: Beirut 2003 an der ehemaligen ‚grünen Grenze‘, die die Stadt in einen christlichen und einen muslimischen Teil spaltete.

Die arabische Welt und die Moderne

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Allem Ärger zum Trotz erkennen die Ägypter eines an: Die Franzosen haben beeindruckende Technik im Gepäck. Die Druckerpresse zum Beispiel – die ägyptischen Würdenträger werden nicht müde, das Exemplar zu bewundern, das die Franzosen mit an den Nil gebracht haben. Unverkennbar sind sie von der Leistungsfähigkeit der Maschine beeindruckt. „Er wollte wissen, welchen Einfluss die Druckerpresse auf den zivilisatorischen Stand eines Landes haben könnte“, berichtet der Courier de l’Égypte über den Besuch eines Scheichs. „Er sah, welchen Vorteil es hat, gute Werke schnell zu vervielfältigen und in hoher Auflage zu verbreiten – Werke, die, wenn sie von Hand geschrieben wären, nur von wenigen Menschen gelesen werden könnten. Auch verstand er, dass diese Exemplare durch nichts mehr vernichtet und unterdrückt werden können, wie es mit Manuskripten geschehen kann.“ Nichts wäre wünschenswerter, so der Scheich, als wenn auch die Ägypter eine solche Maschine hätten. „Denn es gebe viele gute arabische Bücher, deren Veröffentlichung in Ägypten unendlich nützlich wäre.“23

Nicht nur die Druckerpresse beeindruckte die Ägypter. Napoleon hatte auf seinen Feldzug eine ganze Reihe Techniker und Ingenieure mitgebracht, die die Armee technisch unterstützen sollten. Doch der Feldherr wusste auch, dass sie noch zu etwas anderem dienen konnten: den Ägyptern den Stand der französischen Zivilisation zu demonstrieren, ihnen zu zeigen, dass es sich lohnen könnte, gute Verbindungen nach Frankreich zu pflegen. Was die Ingenieure dem Publikum in Kairo vorführten, grenzte in deren Augen an Zauberei: Die Menschen wurden Zeugen technischer Kunststücke, die sie nie zuvor gesehen hatten – ja, die sie sich niemals hätten vorstellen können. Die Vorführungen elektrischer Energie etwa: Dazu hatten Napoleons Spezialisten eigens einige Leidener Flaschen im Gepäck, um die damals fortschrittlichste Methode, Elektrizität zu erzeugen und deren Kraft erfahrbar zu machen, demonstrieren zu können. Diese Art der Energie war für die Ägypter eine ganz neue Erfahrung, die, wie einige Jahre vorher auch in Europa, größtes Staunen auslösten: „Wenn man mit der einen Hand die Verbindungskabel hielt und mit der anderen das rotierende Glas berührte, zitterte der ganze Körper, und der gesamte Knochenbau geriet in Bewegung. Es durchzog die Wirbelsäule, und der Unterarm begann zu schlackern. Wer immer die mit der Apparatur verbundene Person, deren Kleider oder sonst etwas von ihr berührte, spürte das Gleiche – auch wenn es tausend Personen waren, die einander berührten.“24

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