Der verstellte Blick: Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit intellektueller Beeinträchtigung

Der verstellte Blick: Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit intellektueller Beeinträchtigung
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Описание книги

Intellektuell beeinträchtigte Kinder und Jugendliche leiden häufiger unter psychischen Erkrankungen als nicht beeinträchtigte Gleichaltrige. Dennoch sind sie psychotherapeutisch, psychiatrisch und heilpädagogisch mangelhaft versorgt. Woran liegt das? Was verstellt uns den Blick auf die auffälligen Verhaltensäußerungen, die allzu oft der geistigen Behinderung zugerechnet und nicht als Ausdruck psychischer Belastung wahrgenommen werden? Diese Fragen werden in diesem Werk praxis- und lösungsorientiert anhand zahlreicher Fallbeispiele erörtert. Hinderliche Perspektiven wie u.a. die Haltung des «overshadowing», eine unklare Entwicklungsorientierung oder unpassende Begrifflichkeiten wie «herausforderndes Verhalten» werden auf Grundlage der Entwicklungspsychopathologie, des bio-psycho-sozialen Modells der ICF und unter systemischen Gesichtspunkten kritisch diskutiert. Vor dem Hintergrund seiner langjährigen Erfahrung möchte der Autor allen involvierten Disziplinen eine erweiterte Betrachtungsweise vorschlagen und dazu beitragen, einen angemessenen Umgang mit diesen Kindern und Jugendlichen zu finden.

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Klaus Hennicke. Der verstellte Blick: Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit intellektueller Beeinträchtigung

Inhaltsverzeichnis

Abbkürzungsverzeichnis

Geleitwort. Hinterm Horizont geht’s weiter … Kollegiale Anmerkungen von einer »Insel des Glücks«1. Michael Buscher

Klagen allein ändert nichts

Es geht nur mit Mannschaftsspiel auf Augenhöhe

Mit Humor geht’s besser

Mit dem Scheitern leben

Voneinander lernen

Den Aufbruch nutzen

Herausforderungen

Reklame

Inklusion

Konklusion

1 Einleitung: Um was geht es? 1.1 »Das normale Leiden«

Fallbeispiel 1.1: Ralph 15 J

1.2 Meine Ausgangspunkte

1.3 Aufbau und Gliederung. 1.3.1 Personenkreis

1.3.2 Themenbereiche

1.3.3 Gliederung und zusammenfassender Überblick

2 Stand des Wissens

2.1 Epidemiologische Befunde. 2.1.1 Personenkreis

2.1.2 Prävalenz Intelligenzminderung

2.1.3 Zur Häufigkeit zusätzlicher körperlicher Störungen

2.1.4 Zur Häufigkeit psychischer Störungen und Verhaltensauffälligkeiten

2.1.5 Regulationsstörungen und psychische Störungen im frühen Kindesalter

2.1.6 Schlussfolgerungen

2.2 »Hochrisikogruppe« – Eine angemessene Bezeichnung?

2.2.1 Quellen für das hohe Morbiditätsrisiko

Die besonderen individuellen Bedingungen – Intellektuelle Beeinträchtigung

Die besonderen familiären Herausforderungen und Belastungen

Die »Macht der Ohnmacht«

Strukturelle Ungleichgewichtigkeiten in der Familie

Strukturelle Ungleichgewichtigkeiten in Familien mit einem intellektuell beeinträchtigten Kind

Fallbeispiel 2.1: Juri 8 J

Grenzen: Kindeswohl

Fallbeispiel 2.2: Svenja 13 J

Fallbeispiel 2.3: Juri 8 J

Fremdunterbringung

Ablösung

Zusammenfassung

Die (widrigen) sozialen Bedingungen der modernen Gesellschaft

2.3 Erklärungsrahmen Entwicklungspsychopathologie

2.3.1 Was ist Entwicklungspsychopathologie?

Fallbeispiel 2.4: Timm 9 J

2.3.2 Risikofaktoren und Schutzfaktoren

2.3.3 Widrige Erfahrungen in der Kindheit (»Adverse childhood experiences« ACE):

Fallbeispiel 2.5: Sven 15 J

Fallbeispiel 2.6: Omar 7 J

Fallbeispiel 2.7: Heinz 15 J

2.3.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Zur Nützlichkeit entwicklungspsycho(patho)logischer Sichtweisen

Zur Komplexität individueller Lebenslagen

Fallbeispiel 2.8: Klientel einer heilpädagogisch-therapeutischen Intensivgruppe

2.4 Versorgungsprobleme

2.4.1 Kinder- und Jugendpsychiatrie

Stationäre Behandlung

Fallbeispiel 2.9: Junge 12 J

Fallbeispiel 2.10: Omar 7 J. Krisenintervention

Tagesklinische Angebote

Ambulante Versorgung

Fallbeispiel 2.11: Omar 7 J

Die geringe Inanspruchnahme psychiatrisch-psychotherapeutischer Dienste

Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

Psychopharmakotherapie. Kritische Praxis

Standards

Grundlegende Standards der Behandlung mit Psychopharmaka

Fallbeispiel 2.12: Kritischer Einsatz von Psychopharmaka

Fallbeispiel 2.13: Jugendlicher 18 J

Mythen

Bedingungen und Faktoren, die die Wirkung von Psychopharmaka beeinflussen

Kinder- und Jugendpsychiatrische Forschung

Zusammenfassung

2.4.2 Spezielle ambulante Einrichtungen für Kinder- und Jugendliche mit Intelligenzminderung (Frühförderung, SPZ, »Frühe Hilfen«)

Frühförderung

Sozialpädiatrische Zentren (SPZ)

Frühe Hilfen

Behandlung behinderungsbedingter Beeinträchtigungen

Kassenfinanzierte Therapien

Nicht kassenfinanzierte Therapien (kreative Therapie, tiergestützte Therapie)

Zusammenfassung

Fallbeispiel 2.14: Steffi 11 J

2.4.3 Heilpädagogisch-therapeutische Angebote in der Behindertenhilfe

Klinische Heilpädagogik

Stationäre Intensivbetreuung

Hinreichend evaluierte heilpädagogische Programme (TEACCH, ABA, PVU)

Das TEACCH-Konzept

ABA (Applied Behavior Analysis)

Positive Verhaltensunterstützung (Positive Behavior Support) (PVU)

2.4.4 Die Förderschulen für geistige Entwicklung (FSGE)

FSGE und psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Intelligenzminderung. Zunahme der Schülerzahlen

Tagesstrukturierendes Angebot in der psychosozialen Versorgung

2.4.5 Umgangsstrategien mit Verhaltensauffälligkeiten

Ertragen und Abschwächen

Beeinflussen und Verändern

Extern Behandeln

Feststellung der Grenzen der Beschulbarkeit

Schlussfolgerungen

Fallbeispiel 2.15: Martin 10 J

2.4.6 Politisch-gesellschaftlicher Rahmen der Versorgungsdefizite

2.5 Schlussbemerkungen zum Stand des Wissens

3 Was verstellt den Blick?

3.1 Unterscheidungen und Unterschiede: Intelligenzminderung, geistige Behinderung, seelische Störung

3.1.1 Systemische Prämissen

3.1.2 Das bio-psycho-soziale Modell der ICF

Implikationen der ICF

Unterscheidung zwischen Intelligenzminderung und geistiger Behinderung

Vom schädigenden Prozess der Hirnfunktion zur Intelligenzminderung

Von der körperlichen Beeinträchtigung zum subjektiven Bewusstsein, beeinträchtigt zu sein und sich selbst als »behindert« wahrzunehmen

Von der Beeinträchtigung der Aktivitäten zum sozialen Zustand geistige Behinderung

Fallbeispiel 3.1: Junge Frau 20 J

3.1.3 Geistige Behinderung als »soziale Konstruktion«

3.1.4 Behinderung im deutschen Sozialrecht – Das neue BTHG

3.1.5 Zur Unterscheidung Intelligenzminderung und psychische Störung

Unterschiede zwischen Intelligenzminderung und psychischer Störung

Beispiele für Funktionsbeeinträchtigungen im Kontext einer psychischen Störung (Psychopathologie)

Intelligenzminderung und psychische Störung sind voneinander unabhängige Sachverhalte

Fallbeispiel 3.2: Martin 10 J

Exkurs: Konzept der Verhaltensphänotypen

Therapeutisch-heilpädagogische Schwerpunkte bei Kindern mit Fragilem-X-Syndrom (Sarimski 20005b, S. 16)

Fallbeispiel 3.3: Sascha 11 J

3.1.6 Schlussfolgerungen

3.2 »Overshadowing« oder »Nicht sehen können!«

3.2.1 Was heißt »overshadowing«?

Fallbeispiel 3.4: Tanja 14 J

3.2.2 Overshadowing ist weit verbreitet in Medizin und Psychiatrie

Autismus-Spektrumstörung und Fetale-Alkoholspektrumstörung

Psychisch kranke Menschen und »overshadowing« körperlicher Symptome

Sozialpsychologische Aspekte

Verleugnung von Emotionalität und Versorgungspraxis

Psychopharmaka ohne Psychiatrie?

Risiken der Selbstwahrnehmung und Identitätsfindung für die Betroffenen

Fallbeispiel 3.5: Tanja 14 J

3.2.3 Schlussfolgerungen

3.3 »Herausforderndes Verhalten« – Pädagogen unter sich?

3.3.1 Die Bedeutung des Begriffs und seine Wandlung

3.3.2 Beliebigkeit und Bagatellisierung

Zur Beliebigkeit der Symptomatiken von herausforderndem Verhalten

3.3.3 »Subjektive Sinnhaftigkeit«

3.3.4 Störung des Verhältnisses zwischen Person und Umwelt

3.3.5 Standes- und versorgungspolitische Attraktivität

3.3.6 Fazit

Exkurs: Störungsorientierte Heilpädagogik?

3.3.7 Problemverhalten – ein passenderer Begriff?

3.3.8 Zusammenfassende Schlussfolgerungen: Worin könnten die wirklichen Herausforderungen der »herausfordernden Verhaltensweisen« liegen?

Empfehlungen an die Förderschulen für geistige Entwicklung

3.3.9 Pädagogik in der psychiatrischen Versorgung

3.4 Mangelhafte Entwicklungsorientierung

Fallbeispiel 3.6: Entwicklungsorientierung

3.4.1 Entwicklungsstörung, Entwicklungskorridor und individuelle Normalität

3.4.2 Entwicklungsphasen, Entwicklungsalter, Schwergrad der Beeinträchtigung

3.4.3 Diagnostik des Entwicklungsstandes

3.4.4 Risiko der »Infantilisierung«

Fallbeispiel 3.7: Junger Mann 20 J

3.4.5 Schlussfolgerungen. Gestaltung des Umgangs

Wissenschaftliche und praktische Herausforderungen

3.5 Naive Inklusion

4 Perspektiven

4.1 Zur Grobdifferenzierung auffälliger Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen mit intellektueller Beeinträchtigung. 4.1.1 Voraussetzungen

Fallbeispiel 4.1: Kevin 12 J

4.1.2 Zusammenfassender Überblick

Behinderungs- und entwicklungsstandtypisches Verhalten

Handlungsoptionen

Reaktives Verhalten auf aktuelle Umstände und seelische Krisen

Fallbeispiel 4.2: Sven 15 J

Handlungsoptionen

Exkurs: Psychiatrische Krisenintervention

Erlernte/erworbene Verhaltensweisen

Fallbeispiel 4.3: Tanja 13 J

Handlungsoptionen

Psychische Störungen

Handlungsoptionen

Schlussfolgerungen

4.2 Standards der Kinder- und Jugendpsychiatrie

4.2.1 »Wunderfrage«

Fallbeispiel 4.4: Andrea 17 J

4.2.2 Normal und auffällig, kategoriale und dimensionale Diagnose

4.2.3 Multidimensionale Diagnostik

Multidimensionale Diagnostik psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen (mod. und erg. n. Döpfner et al. 2000a, S. 29, In: Hennicke 2005c, 353)

Ergebnisse von Diagnostik

Welche Fragen können nach Abschluss der kinder- und jugendpsychiatrischen Diagnostik beantwortet werden? (mod. n. Döpfner et al. 2000a, b)

ICD-Klassifikation

4.2.4 Multimodale Therapie

Ebenen, Methoden und Settings der multimodalen Behandlung bei Menschen mit geistiger Behinderung und zusätzlichen psychischen Störungen (erg. n. Remschmidt 2005)

Fallbeispiel 4.5: Beispiele für Indikationsüberlegungen

Psychopharmakotherapie

4.2.5 Zusammenfassende Schlussfolgerungen

4.3 Was könnte die Heil- und Sonderpädagogik leisten?

4.3.1 Was bedeutet heilpädagogisch-therapeutische Intensivbetreuung?9

4.3.2 Blick über die Grenzen: TWSG Schweiz

1. Behandlungsstufe. Ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung (Diagnostik und Behandlung)

2. Behandlungsstufe. Stationäre sonderpädagogische und ambulant psychiatrische Behandlung in Therapeutischen Wohnschulgruppen (TWSG)

3. Behandlungsstufe. Stationäre psychiatrische Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung und psychischer Störung

4.3.3 Öffnung der Förderschulen11

4.3.4 Zusammenfassende Schlussfolgerungen

Literatur

Leitlinien. 1. AWMF-Leitlinien

2. Spezielle Leitinien von Fachgesellschaften

3. NICE-Guidelines (National Institute for Health and Care Excellence (England)

Stichwortverzeichnis. A

B

C

D

E

F

G

H

I

K

L

M

N

O

P

R

S

T

U

V

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Отрывок из книги

Der Autor

Prof. i. R. Dr. med. Klaus Hennicke ist Facharzt für Kinder-, Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Dipl.-Soziologe und Familientherapeut. Er verfügt über langjährige praktische Erfahrungen in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung (Klinik, Ambulanz, Öffentlicher Gesundheitsdienst, Supervision und Konsiliardienste in der Jugend- und Behindertenhilfe, Schulberatung) insbes. mit intellektuell beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen und ihren Familien. Er war tätig als Hochschullehrer für Heil- und Sozialpädagogen und als Lehrbeauftragter für Sonderpädagogen.

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Wollen wir dem Anrecht auf die Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen mit psychischer Belastung und Intelligenzminderung gerecht werden, müssen wir unsere Elfenbeintürme verlassen und aufeinander zugehen, uns kennen lernen, uns besuchen. Durch die Sammlung von Kooperationsverträgen ist das selten erreichbar, am Ende geht es doch um die persönliche Begegnung.

Es ist zwar nicht so ganz einfach, Mitarbeitende für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Intelligenzminderungen zu gewinnen, gelingt jedoch viel einfacher, als gemeinhin vermutet. Wir sollten uns aus der Mitleids- und Fürsorglichkeitsfalle befreien. Darum geht es nicht. Es geht vielmehr um eine hochqualifizierte gemeinsame Arbeit mit und für Menschen, die ihre Welt auf ihre Weise gestalten und die von unserem Angebot profitieren können, wenn sie und ihre Familien das wollen. In unserem Fall erwies sich ein systemischer Rahmen, der zu gegenseitigem Respekt verpflichtet, als Glücksfall. Bewährt hat sich die Balance zwischen besonders erfahrenen Mitarbeitenden und solchen, die neue Impulse einbringen.

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