Отрывок из книги
Titel
1. Irun – Nantes
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Die Nacht ist ruhig, es bleibt warm und niemand weckt mich auf. Die Knie mucken herum, weil sie die stundenlange, angewinkelte Liegeposition nicht vertragen. Der Regen bleibt aus. Halb sieben Aufbruch. Kurze Zeit später in Arès, Verschnaufpause in der Kirche, was vor allem dann verlockend ist, wenn es draußen grau und trist ausschaut. Ich komme in ein bewaldetes Naturreservat, ein angenehmer Wanderweg direkt neben dem Ufer, wo weder Autos noch Fahrräder fahren dürfen. Dahinter bin ich wieder am Atlantik, da der Fahrradweg auf der „falschen“ Seite der hohen Düne langläuft, sieht man das Meer beim Wandern nicht, außer man nimmt dafür ein mühsames Wandern direkt auf Sand in Kauf … macht aber auch nur die halbe Geschwindigkeit. Ich bin hier auf dem Jakobsweg mit dem Namen Voie de Soulac … dieser führt vom Ästuar der Gironde bis nach Irun … aber jedoch bei weitem nicht so gut markiert, wie die Wege in Spanien, sonst hätte ich ja die ganze Zeit auf diesem Jakobsweg laufen und mir somit einige Asphaltritte ersparen können. Neben Strand und Düne beginnt der riesige Pinienwald, der nirgendwo ein Ende zu haben scheint und irgendwie die einsamen Geister in mir heraufbeschwört. Straßen, die parallel zur Küste verlaufen, gibt es hier nicht. Der Himmel ist heute phänomenal, von ganz grau am Morgen bis zu einer weißen Dunstschicht am Nachmittag … und auf einmal, innerhalb von nur 60 Sekunden verzieht sich die Dunstschicht komplett und über mir zeigt sich erstmals seit Tagen ein klarer, blauer Himmel. Das ist für mich das Zeichen! Rauf auf die menschenleere Düne, dem Atlantik gewunken, Matte ausgerollt, Bier herausgeholt, Sachen ausgezogen und langgemacht. Endlich mal wieder richtig Sonne, das muss ich mit meinem ganzen Körper teilen! Für einen Moment zieh ich sogar meine Boxershorts aus, aber das ist mir dann doch zu viel des Guten, beziehungsweise Schlechten. Ich lege viel wert auf Ästhetik. Die Knie schmerzen nach der unbequemen Nacht. Ich mache mir ihretwegen mal wieder Sorgen. Außerdem bereitet es mir Sorgen, dass ich trotz des vielen Glücks in den letzten Tagen weit weniger zufrieden bin, als ich es in den ersten Wochen am Mittelmeer war. Woher kommt das? Schon genug gesehen? Satt? Abenteuer-Akku bereits wieder bei 100 Prozent? Mehr geht nicht? Das kann doch nicht sein! Wenn ich die täglichen Geschenke nicht mehr zu schätzen weiß, wozu werde ich dann überhaupt noch beschenkt? Also reiß dich zusammen! Genieß den Augenblick, sonst wirst du es irgendwann bereuen, wenn du es nicht getan hast.
Der lange Strand (100 Kilometer durchgehend!) ist von der Zivilisation so gut wie unberührt, die Unmengen an Sand würden wohl jeden Ort unter sich begraben. Mal ein Sanitärtrakt für Badegäste oder auch mal eine Imbissbude, mehr ist nicht. Vereinzelt tauchen Surfer auf, auch ein paar Leute, die sich sonnen oder am Strand spazieren. Ich suche einen Windschutz, aber kein Bunker in Sicht. Bei Le Porge-Océan, also der Strandabschnitt der zum Ort Le Porge (fast zehn Kilometer im Landesinneren) gehört, sehe ich am Strand ein skurriles „Bauwerk“ … drei Holzpaletten wurden so zusammengebaut, dass es einen winzigen Unterstand ergibt … das sieht so knuffig aus, dass ich beschließe dort zu übernachten. Regen scheint nicht zu drohen und etwas Windschutz bietet das 1x1 Meter „große“ Palettengerüst auch. Ich finde auf der Düne noch ein paar Bretter, mit denen ich das Dach abdichte. Falls es doch regnet, könnte ich mich wenigstens hinsetzen und würde nicht allzu nass werden … bei einem Sturm würde das natürlich anders aussehen. Aber die Sonne scheint, geht direkt vor mir über dem Atlantik unter. Ich krame mein Tagebuch raus: Jetzt mal gemütlich auf der Couch sitzen, einen Kaffee trinken, was Warmes zum Abendessen und mit ihr etwas in der Glotze schauen. Aber ich habe deswegen ja immer rumgejammert, wie mich das alles einschränkt, dass das ja gar nicht ich bin … das hier und jetzt, bin das etwa ich? Ich werde beim Schreiben unterbrochen, vier gutaussehende junge Kerle tauchen mit ihren Surfbrettern von hinter der Düne direkt neben mir auf. Sie beachten mich nicht, laufen in ihren schwarzen Surfanzügen direkt in die hohen Wellen hinein, pünktlich zu den letzten Minuten des Sonnenuntergangs, also das passt ja mal ins Klischee … aber ich kann sie verstehen, die rote Sonne und die folgende Abendröte, das macht schon Spaß. Denk ich mir zumindest, denn ich stand noch nie auf einem Surfbrett. Kurz vor der Dunkelheit kommen die Jungs raus und verschwinden wieder hinter der Düne, nun bin ich endlich allein und denke an die vielen schönen Momente dieser Reise. Der Sternenhimmel beruhigt und inspiriert. Die Konstruktion um mich herum hält dem Wind stand, eine gute Wahl. Die Nacht ist warm und trocken.
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