… «Er kommt herunter!» Man sah, wie der Pfeil größer wurde, rasch wieder die Form eines beschwingten Fliegers annahm. Etwas Glänzendes und Dunkles zugleich, etwas, das einmal leicht aufleuchtete und dann unbestimmter Schatten war, durchschnitt unterhalb der Maschine die Luft. Vielleicht sah so die erste Feder aus, die aus den Schwingen des Ikarus aufs Meer fiel. Eine Stimme voller Schrecken rief: «Die Schraube! Der Schraubenflügel!» Und Schrecken breitete sich über die ganze Menge, nicht von Stimme zu Stimme, nein, von Fleisch zu Fleisch. "Er fällt!" Alle Stimmen und Geräusche hatten einen unnatürlichen Widerhall, nicht in der Luft, in den Herzen selbst. "Er fällt, er fällt!" Nun schrie keiner mehr, keiner holte mehr Atem. Man sah, wie der menschliche Vogel schwankte und sich von einer Seite auf die andere legte wie ein wahnsinnig rollendes Schiff. Man sah, wie der lange Mittelkörper unter dem Druck des Steuers sich bäumte und aufrichtete, einen Augenblick die Flugflächen in die richtige Lage zum Abstieg brachte und einen Moment lang Hoffnung weckte, dann plötzlich vorwärts stürzte, ohne Halt, mit der Geschwindigkeit eines toten Körpers gerade herabkam und gegen die Erde prallte mit einem Dröhnen, das in der lautlosen Stille der Herzen wie Donner klang. …
Оглавление
Leonhard Adelt. Der Herr der Luft
Vorwort
Der Condor. Von Adalbart Stifter
Der Türmer Palingenius. Von Karl Hans Strobl
Hans Pfaalls Mondfahrt. Von Edgar Allan Poe
Der unheimliche Gast. Von Jules Verne
Luitpold Jacquelin. Von Otto Kung
Die Geliebte. Von Karl Vollmöller
Geflügelte Taten. Von Hermann Heijermans
Die Reise um die Erde in vierundzwanzig Stunden. Von Maurice Renard
Das Flugtreffen. Von Ardea von Gabriela d’Annunzio
Die Melodie der Sphären. Von Aage von Kohl
Das lebendige Mastodon. Von Paul Scheerbart
Der Ozeanflug. Von Leonhard Adelt
Der Flieger. Von Wilhelm Schmidtbonn
Die Luftschlacht am Niagara. Von Henry George Wells
Der erste Mensch. Von Alfred Richard Meyer
Nachbemerkungen
Отрывок из книги
Titel
Vorwort
.....
Nun war der Tag gekommen. Die Stadt unten machte die tiefen Atemzüge eines Erwachenden und schien sich den Hügeln entgegen zu dehnen. Aus den unzähligen Schornsteinen über den verschiedenfarbigen und -gestalteten Dächern drehten sich bläuliche Rauchwirbel in die klare Herbstluft; wo sie der Mündung des Schlotes entquollen, noch massig und schwer, fest geballt, als wollten sie wieder zurücksinken, weiter oben aber immer lockerer und heiterer und, wo sie sich in leichte Wölkchen aufzulösen begannen, schon von der Sonne angestrahlt. Braunrot und goldig flossen die letzten Flocken über den zartblauen Himmel. Unten auf dem Domplatz aber war ein dichter Klumpen von Menschen, die unverwandt nach der Turmgalerie blickten. Frühaufsteher aus Beruf und Neigung, die sich hier zusammengefunden hatten und nun ihren neugierigen Fragen keine Antwort wussten.
„Wos geschiegt denn durten?“ fragte ein Fleischhauer, der mit seinem, mit einem Kälberviertel und einigen großen Stücken Rindfleisch beladenen Hundewagen eben über den Domplatz kam. Er steckte beide Hände vorn in die blutfleckige Schürze und stellte sich hinter der letzten Reihe an, während der Hund, ebenso neugierig wie sein Herr, an den Röcken des vor ihm stehenden Milchweibes schnupperte. Im Mittelpunkt des Klumpens befanden sich, als die Aufgeregteste von allen, Frau Swoboda und ihr morgendlicher Freund, der Sakristan. Die beiden waren am ehesten imstande, eine Auskunft zu geben. Aber Genaues wussten auch sie nicht. Sie konnten nur sagen, dass der Türmer dort oben war, seine Tochter, die Johanna und — hier dämpften sie jedes Mal die Stimmen — „der Zauberer von drüben“. Aber was geschah? Was geschah dort oben?