Lebenslänglich

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Описание книги

Diana Bach (*1948) und Robert Minder (*1949) verbringen lange Jahre ihrer Kindheit in einem religiös geführten Kinderheim. Sie erleben Gewalt und wachsen in einer von Kälte und Angst dominierten Welt auf. Nach über fünf Jahrzehnten treffen sie sich wieder. Diana, mittlerweile pensioniert, ist Lehrerin geworden, Robert arbeitet als Hauswart und lebt mit seiner Familie. Beide tragen die Verletzungen der Kindheit noch in sich. Sie beginnen sich zu schreiben, tauschen sich über ihr Leiden und ihre Strategien des Überlebens aus. Und sie beteiligen sich an der Diskussion um Wiedergutmachung. Lisbeth Herger zeichnete die Lebensgeschichten von Diana und Robert entlang der Quellen nach, bearbeitete ihren Briefwechsel und bettete ihn zeitgeschichtlich ein. So werden zwei Schicksale zu hörbaren Stimmen und eindrücklichen Porträts. Entstanden ist eine sehr persönliche und historisch fundierte Reflexion zur Aufarbeitung der administrativen Versorgungen. Ein Zeitzeugnis der Schweizer Sozialgeschichte.

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Lisbeth Herger. Lebenslänglich

Vorwort

Robi Minder *1949

Bei Bauer Ammann

Im Waisenhaus in Basel

In der Gastronomie

Eine eigene Familie

Als Hauswart unterwegs

Der Zusammenbruch

Rettende Welten

Diana Bach *1948

Illegitim geboren

Bei der Grossmutter

Bei Pflegefamilien in Bülach

In der Kinderpsychiatrie

Im Kinderheim Villa Wiesengrund

Bei Tante Elsa

Studienjahre

In der Berufswelt

Weiterleben

Das Kinderheim Villa Wiesengrund

Ein evangelisches Familienheim

Heimorganisation

Aussenansichten

Innenansichten

Veränderungen

Die Schliessung

Briefwechsel zwischen Diana Bach und Robi Minder. Mails von Juli 2013 bis Dezember 2016

Dokumente

Dank

Quellen und Literatur

Отрывок из книги

Es gibt die Lauten. Und es gibt die Leisen. Das gilt für den Alltag. Für die Politik. Und auch für die Geschichtsschreibung.

In diesem Buch melden sich zwei Leise zu Wort. Zwei ehemalige Heimkinder, denen man das Reden früh abgewöhnt hat. Mit kalter Lieblosigkeit. Mit Drill und Strafen. Mit Gewalt. Sie standen eines Tages in meinem Büro, erzählten von ihrer qualvollen Kindheit und von den vielen posttraumatischen Belastungen, denen sie ein Leben lang ausgeliefert geblieben sind. Sie beklagten die Einseitigkeiten im aktuellen medialen Diskurs, zum Beispiel, dass die Heimkinder hinter dem bekannten Bild des Verdingkindes zu verschwinden drohen. Und bemängelten, dass man viel von schlimmen Kindheiten, aber wenig vom davon beschädigten Leben als Erwachsene zu hören bekomme. Genau darüber möchten sie schreiben, erklärten sie, und legten eine hochkomplexe Projektskizze auf den Tisch – ein von ihren Erfahrungen genährtes Fachbuch zu posttraumatischen Belastungsstörungen sollte es werden. Sie erzählten aber auch, wie sie sich, 51 Jahre nach ihrem Weggang aus dem schrecklichen Heim, nach einem langen, sehr unterschiedlich gelebten Leben – er als Hauswart, sie als Akademikerin – auf ihren Wegen wiedergefunden hatten. Bei der Suche nach ihren Akten. Dank eines aufmerksamen Staatsarchivars, der die beiden aufeinander hingewiesen hatte. Und sie berichteten von ihren regelmässigen Treffen danach, von ihrem intensiven Mailwechsel, von ihrer Einmischung in die politischen Prozesse der «Wiedergutmachung» und von ihrem Rückzug daraus.

.....

Im städtischen Waisenhaus, einem ehemaligen Kloster an der alten Stadtmauer, wird ihm vorerst nichts geschenkt. Die Stadtkinder mokieren sich über Robis breiten Stiefelgang, sie reiben ihm seinen Stallgeruch unter die Nase, und auch sein St.-Galler-Dialekt bringt ihm keine Sympathien ein. Robi, unsicher, verletzt, in allem blockiert, wird zum Sonderling. Und doch macht ihn die neue, unbekannte Welt neugierig und auch etwas mutiger. Immerhin ist es eine Welt ohne Strafen und ohne lebensfeindliche Bibelzitate. Und man darf sogar über die riesengrossen Turnschuhe des Waisenvaters lachen. Im grossen Haus mitten in der Stadt, wo nicht mehr das Auge Gottes wacht, sondern jenes des Staates, ist man vor Willkür weit besser geschützt als früher in der Villa Wiesengrund. Und ausserdem gibt es nun plötzlich eine echte Mutter, die manchmal sonntags zu Kaffee und Kuchen lädt, die einen Freund hat – ein Verdingkind auch er –, einen, der Robi wohlgesonnen ist und der ihn ab und an zusammen mit der Mutter in seinem schicken Auto auf ein Fährtchen mitnimmt, zu seiner eigenen Pflegefamilie, in die hintersten Hügel des Juras.

In dieser neuen Welt trifft Robi, inzwischen im letzten Schuljahr angekommen, endlich mit seinem Zeichentalent auf aufmerksame Resonanz. Ein schulisches Zwischenjahr soll die Berufswahl weiter klären, mit 16 beginnt er dann in einem grösseren Ingenieurbüro eine Lehre als Bauzeichner. Die vielen Leute, die vielen Büros und die vielen Chefs machen dem Heimbuben Angst. Einmal duckt er sich, kurz danach schiesst er weit übers Ziel hinaus, Geltungsdrang und Gefühle absoluter Minderwertigkeit jagen ihn durch den Tag. Er ist halt- und orientierungslos. Einzig seine Arbeiten sind konstant gut und finden Anerkennung. Die Abschlussprüfung nach drei Lehrjahren quält ihn mit ungeahnten Ängsten, doch er schafft das Diplom. Und zwar mit Bestnote und Auszeichnung.

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