Rom, Träume

Rom, Träume
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Die vielleicht schönsten Seiten der italienischen Nachkriegsgeschichte wurden in Rom zur Zeit der Dolce Vita, der fünfziger und sechziger Jahre geschrieben. Fellini und andere drehten in Cinecittà, auf der Via Veneto drängelten sich Hollywood-Stars. Das Antlitz der Zeit aber wurde geprägt von den Freunden um Elsa Morante, Alberto Moravia, Carlo Emilio Gadda, Ennio Flaiano und Pier Paolo Pasolini. Sie mischten sich mit polarisierender Stimme in das politische und kulturelle Geschehen. Mit ihren Büchern und heiß umstrittenen Filmen schrieben sie ein bis heute unvergängliches Kapitel italienischer Kulturgeschichte. Maike Albath macht in ihrem Buch, in dem viele Zeitzeugen zu Wort kommen, die unvergleichlich kreative Atmosphäre jener römischen Jahre noch einmal fühlbar.

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Maike Albath. Rom, Träume

ROM, TRÄUME

Vorbemerkung

IM SANATORIUM

VIA VENETO. Das Leben der Boheme

DIE NEUEN BÜRGER. Familie Pincherle

LANGEWEILE. Alberto Moravia und »Die Gleichgültigen«

TESTACCIO. Im Bauch von Rom

ABENDS IM CAFÉ. Piazza del Popolo

VIA DELLA PAGLIA. Die Zeit der Fahrraddiebe ist vorbei

CAMPO DE’ FIORI. Die bittere Stadt

LEIDENSCHAFT UND IDEOLOGIE. Pier Paolo Pasolini

DIE HERRLICHEN EIGENTÜMER DER NACHT. Pasolini entdeckt Rom

DIE LIEBE IN ITALIEN. Comizi d’amore

AM WASSERFLUGHAFEN VON OSTIA. Tod eines Freibeuters

NUR DIE EINZELGÄNGER VERSTÄNDIGEN SICH. Andrea Zanzotto und Pier Paolo Pasolini

ROHRSYSTEME UND VERSORGUNGSSCHÄCHTE. Der Ingenieur Carlo Emilio Gadda

»LASSEN SIE MICH IM SCHATTEN!« Gaddas Enkel

DIE EINSAMKEIT DES SATIRIKERS. Ennio Flaiano

DAS BITTERSÜSSE LEBEN. La dolce vita

FINALE: FRAUEN IN ROM. Franca Valeri

Literatur

Bildnachweise

Mein Dank

Maike Albath,

Отрывок из книги

Maike Albath

Moravia, Pasolini,

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»Die römische Dekadenz ist auch Gegenstand von Flaianos Theaterstück Ein Marsmensch in Rom«, erzählt Raffaele La Capria, der mit der Schauspielerin Ilaria Occhini verheiratet ist. Eine Frau von bewundernswerter Schönheit, wie ich mich mit einem Seitenblick auf die Familienfotos vergewissern kann. Sie stand bei der Uraufführung in Mailand mit Vittorio Gassman auf der Bühne. In dem Stück ist viel von den parasitären Römern die Rede, die sich durch nichts von ihrem Lebensstil abbringen lassen, auch nicht durch einen Marsmenschen. Am Anfang herrscht zwar große Aufregung um den ungewöhnlichen Besucher, er wird auf Partys und in Salons herumgezeigt, aber schon nach kurzer Zeit gehen alle wieder zur Tagesordnung über. »Leider war es ein totaler Reinfall und wurde ausgepfiffen. Die Mailänder haben alles für bare Münze genommen. Während sie in den Fabriken und Firmen für das Bruttosozialprodukt schuften, machen sich die Römer ein schlaues Leben. Das kritische Potenzial haben sie gar nicht wahrgenommen. Es gab Pfiffe, Buhrufe, Geschrei, wie seit Pirandello nicht mehr. Mir tat es für meine Frau sehr leid. Flaiano hat mit dem Aphorismus reagiert: ›Der Misserfolg ist mir zu Kopf gestiegen.‹«

La Capria etablierte sich im römischen Kulturleben. »Moravia war damals überall, so wie man heute überall auf Dacia Maraini trifft, egal bei welcher Veranstaltung«, meint er zu der Omnipräsenz des älteren Kollegen. »Aber ich verdanke ihm viel, er hat sich bei seinem Verleger Bompiani für die Veröffentlichung meines Romans eingesetzt, was ich erst lange nach seinem Tod erfuhr. Als wir Mitte der sechziger Jahre mit ihm und Dacia an der Amalfi-Küste Urlaub machten, wurde mir seine Emsigkeit allerdings zu viel. Mitten im August wachte ich morgens um neun von Schreibmaschinengeklapper auf. Ich fragte meine Frau: ›Was ist das?‹ ›Dacia und Alberto‹, antwortete sie mir, ›sie schreiben.‹ Das fand ich wirklich übertrieben, ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht arbeitete«, erinnert sich La Capria. Da waren ihm die weniger dienstbeflissenen Schriftsteller Carlo Emilio Gadda und Goffredo Parise, die ebenfalls ins Café Rosati kamen, oft lieber. »Obwohl Gadda ein überaus korrekter Mann war. Er war ein großer Konservativer und hielt damit nicht hinterm Berg. Während alle so taten, als seien sie Kommunisten, stand er dazu, rechts zu sein. Er war nationalistisch, hielt viel von Dingen wie Vaterland, Fahne, allgemeine Ordnung. Er war ein herausragender Schriftsteller, Die grässliche Bescherung in der Via Merulana war schon erschienen. Goffredo provozierte ihn ständig, er nahm ihn zum Beispiel im Auto mit und fuhr absichtlich zu schnell, was Gadda entsetzlich fand. ›Du willst mich töten, das ist Mord‹, sagte er zu ihm, ›du hältst dich wohl für sehr modern‹, schimpfte er weiter. Goffredo war sehr schlitzohrig und machte mit Gadda seine Späße. Gadda sah aus wie ein tapsiger Elefant. Er hatte immer viele Ängste und Bedenken, die typischen Ängste eines Bürgers. Dass man ihn falsch verstehen könnte, dass man ihn ausraubte. Er war also sehr misstrauisch. Parise wusste genau, welchen Weg Gadda normalerweise von seiner Arbeitsstelle bei der RAI nach Hause ging. Und eines Tages malte er mit Kreide genau auf diesem Weg lauter Pfeile auf den Boden. Straße für Straße, Ecke für Ecke. Gadda war sehr beunruhigt und rief Parise an: ›Jemand verfolgt mich, auf meinem gesamten Nachhauseweg waren Pfeile eingezeichnet, dabei weiß niemand, wo ich für gewöhnlich langgehe.‹ Und Goffredo hat sich lange mit ihm über diesen Verfolger unterhalten. So etwas war typisch für ihn.« Wir amüsieren uns noch eine Weile über den Schabernack, den Parise mit seinem Freund trieb. Dann ist der Winternachmittag vorbei, und wir kehren zurück in das Rom von heute. Einen Abstecher ist die Via Veneto noch wert.

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