Menschen und andere Tiere

Menschen und andere Tiere
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Dass weitreichende Verbesserungen der Mensch-Tier-Beziehungen zumindest in den Bereichen Nutztierhaltung und Tierversuche notwendig sind, ist in Ethik, politischer Philosophie und den Animals Studies unstrittig. Gleichzeitig bestehen diese Praktiken fort, und allein der Appell an Einzelne, tugendhafte Konsumbürger*innen zu werden, wird daran in absehbarer Zukunft nichts ändern. So ist es Mara-Daria Cojocarus Anliegen, aus der Perspektive des philosophischen Pragmatismus zu verstehen, wie ethische Erkenntnisse erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden können. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Überlegungen zum Thema, welche Rolle Emotionen dabei im Guten wie im Schlechten spielen und wie mittels Institutionen wie Politik und Wissenschaft echter Fortschritt unterstützt werden kann.

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Mara-Daria Cojocaru. Menschen und andere Tiere

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Inhaltsverzeichnis

1Dass wir vor Scham und Trauer nicht jeden Tag in die Knie gehen, erstaunt mich immer wieder

1.1Als ich dachte, ich könnte mich als „Ethikerin“ richtig nützlich machen: Ein Versuch über Tierversuche

1.2Warum ich lieber keine Veganerin wäre: Ein Versuch über Massentierhaltung

2Und wie wird das nun Philosophie? Ein paar Hinweise zur Methode

Naturalistisch, aber nicht szientistisch

Pragmatisch im Sinne von pragmatistisch

Philosophie des Wandels, ohne beliebig zu sein

3Tier werden: Menschen und andere Tiere

3.1Wider die selbst verschuldete Entmündigung verkappter Darwinist*innen!

3.2Für einen entlastenden Essenzialismus!

3.3„Tierwerden“ als Aufgabe

4Leidenschaften: Warum wir uns kümmern – auch um andere Tiere

4.1Zur Erinnerung – Tierliche Moral und Politik: Ein Einschub

4.2 Menschliche Leidenschaften und die Rollen von Ethik, Politik und Gewissen

4.3Warum es nicht reicht, „tierlieb“ zu sein

5Mensch werden: Elemente einer Moralpragmatik

5.1„Nun sag, wie hältst du es mit der Praxis?“: Vom Nutzen der (Tier-)Ethik

5.2 Moralpragmatik: Vom Wissen zum Gewissen

5.3Partei ergreifen, Abstand nehmen

6Leidenschaftlich denken: Die Rolle von Werten in systematischen Untersuchungen

6.1Denken, überhaupt: Vom Zweifel zu logischen Sentimenten

6.2Emotionales Wertverstehen und die Rolle der Gemeinschaft

6.3 Kritischer Common Sense und epistemische Solidarität

7Leidenschaftlich streiten: Wut und warum sie nicht der Anfang vom Ende des zivilisierten Miteinanders ist

7.1Wut: Sensor für Unrecht oder moralisch-politische Charakterlosigkeit?

7.2Die vielen Gesichter der Wut und leidenschaftlicher Dissens

7.3Im Sinne aller Betroffenen: Den Non-Anthropozentrismus verteidigen

8Richtigliegen: Was man über Tierversuche und industrielle Nutztierhaltung wissen muss

8.1Tierversuche: Die Bastion medizinisch-moralischen Fortschritts?

8.2Nutztierhaltung: Denn wir alle wollen, dass sich die Tiere wohlfühlen (?)

8.3Im Zweifel dagegen

9Instrumente und Herangehensweisen

9.1Instrumente: Von pragmatischen Maximen, Landkarten des Denkmöglichen und Gedankenexperimenten

9.2Herangehensweisen: Von Fall zu Fall, aber immer auf der Suche nach den richtigen Worten

9.3Ethische Mehrsprachigkeit

10Tierethik und Tierpolitik: Von der Durchsetzung von Gesetzen zu privaten Experimenten

10.1 Gemischte Mensch-Tier-Gemeinschaften unter der Lupe

10.2 Öffentliche Moral, Hoffnung und die Macht der Gesetze

Vom Tiertransport zum Begegnungslebenshof ?

Vom Rattenrennen zur biomedizinischen Forschung der Zukunft?

Von allergischen Hunden, Hauskatzen und Raubmenschen

10.3 Private Moral und die Macht des inneren Kindes

11Postskript: „Be ignited, or be gone“?

DANKSAGUNG

ANMERKUNGEN

1 Dass wir vor Scham und Trauer nicht jeden Tag in die Knie gehen, erstaunt mich immer wieder

2Und wie wird das nun Philosophie? Ein paar Hinweise zur Methode

Teil 1 Leidenschaftliche Tiere. 3 Tier werden: Menschen und andere Tiere

4 Leidenschaften: Warum wir uns kümmern – auch um andere Tiere

5 Mensch werden: Elemente einer Moralpragmatik

Teil 2 Emotionen und normative Überzeugungen. 6 Leidenschaftlich denken: Die Rolle von Werten in systematischen Untersuchungen

7Leidenschaftlich streiten: Wut und warum sie nicht der Anfang vom Ende des zivilisierten Miteinanders ist

8 Richtigliegen: Was man über Tierversuche und industrielle Nutztierhaltung wissen muss

Teil 3 Alternativen denken

9 Instrumente und Herangehensweisen

10 Tierethik und Tierpolitik: Von der Durchsetzung von Gesetzen zu privaten Experimenten

11 Postskript: „Be ignited, or be gone“?

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Mara-Daria Cojocaru

MENSCHEN UND ANDERE TIERE

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Bei allem Zweifel habe ich aber auch und grundsätzlich Respekt davor, wenn jemand seine Meinung ändert oder dazu zumindest bereit scheint. Das ist auch passiert. Das ist auch mir passiert. Ich würde nicht sagen, dass es besonders ausgeklügelte ethische Argumente gewesen sind, die dazu geführt haben. Insofern erscheint mir die ethische Debatte über Tierversuche auf sonderbare Weise von der Praxis entkoppelt. Diese Debatte hat die moderne Tierethik mitgeprägt, und das Thema ist seit jeher emotional stark besetzt. Es könnte nun wieder als Ausweis moralischen Fortschritts gelten, dass sich die Sichtweise, dass Tiere zweifellos für jedweden menschlichen Zweck in Versuchen eingesetzt werden dürfen, erübrigt zu haben scheint. Allerdings gibt es niemanden – keine Ethikerin, aber auch keine Wissenschaftlerin oder Fachgesellschaft –, der oder die eine prinzipielle moralische Sorglosigkeit im Umgang mit Tieren an den Tag legen würde.12 Ob dem so ist, weil das mittlerweile in Europa schlicht strafbar wäre, oder nicht, sei dahingestellt. Tatsächlich dominieren Diskussionen über Güterabwägungen und vorgebliche Dilemmata einerseits und Forderungen nach der kompletten Abschaffung von Tierversuchen andererseits. Die wissenschaftliche Praxis hingegen wird dominiert von dem Prinzip der 3R, bei dem es um den Ersatz von Tieren (replacement), die Reduktion von Tierzahlen (reduction) und die Verfeinerung von Versuchsmethoden (refinement) geht. Dazu später mehr.

Hier ist nur wichtig zu sagen, dass wir für die genuin ethischen Fragen in der Kommissionsarbeit keine Zeit hatten. Wenn sich in den Sitzungen Meinungen ein Stück weit zu verändern schienen oder Fragen akzeptiert wurden, dann hatte das meistens mehr damit zu tun, dass genau hingeschaut wurde, auch und gerade in Bezug auf die Empirie, dass Fragen gestellt wurden und Zweifel artikuliert, die zeigten, dass es um mehr als diese 3R geht. Klar ist aber: Ich habe in diesen Kommissionen mit meiner Arbeit nicht viel bewirken können, schon gar nicht als Ethikerin.13 Über die laut TierSchVersV angenommene Voraussetzung von Kenntnissen über den intrinsischen Wert des Lebens und von ethischen Argumentationen bei allen, die Tierversuche planen, durchführen oder für sie töten, kann ich, auch eingedenk der Vielfalt der akademischen Ethik, nur staunen.

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