Читать книгу Nachhaltigkeit, CO2-Neutralität und andere bilanzielle Fehler - Marc Lindner - Страница 1
Оглавление1 Einführung
Nachhaltigkeit ist ein Begriff, welcher zusehends leichtfertig und meist auch leichtgläubig verwendet wird. Oft ist damit eine zukunftsweisende Entwicklung oder die Nachahmung eines, den Menschen bequem und einfach erscheinenden Trends gemeint.
In Präsentationen oder in politischen Aussagen wird gerne auf die Aspekte der Nachhaltigkeit hingewiesen. Dabei wird oft der soziale Aspekt besonders hervorgehoben, ohne dass dieser, abgesehen von der namentlichen Erwähnung, im Konzept wiederzufinden ist.
Der ökologische Aspekt wiederum – gerne als Umweltschutz bezeichnet, beschränkt sich häufig auf einzelne, einfach zu visualisierende Maßnahmen, die dem gesamten Vorhaben die notwendige grüne Farbe verleihen. Fleißig wird Ökostrom eingekauft, Erdgas mit 1 % realem „Biogas“ salonfähig vertrieben und um den letzten Skeptikern zu zeigen, dass schonungslos an die Umwelt gedacht wird, spazieren wir in die Wälder und schlagen tonnenweise Holz heraus, um es in einem wildromantischen Pelletfeuer zu verheizen und uns gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Umweltschutz ist doch so leicht.
Wir leben in einer Zeit, die sich wandelt. Wir werden mit neuen Begriffen konfrontiert und müssen lernen, mit diesen umzugehen. Es ist wichtig, dass wir verstehen, was hinter diesen Aussagen steht und wo manche uns versuchen zu täuschen. Vielleicht würde vieles sinnvoller gestaltet werden, wenn wir als Konsumenten wüssten, dass grün angestrichene Plakate letztendlich nur aus Farbe bestehen und vor allem anderen dazu dienen, die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen zu schützen. Die zugegebenermaßen wenig versteckte Kritik, die in dieser Aussage steckt, gilt nicht den Unternehmen – deren Handeln ist seit jeher der Rationalität und der Logik verschrieben. Und das zurecht. Nein, die Kritik gilt der Leichtgläubigkeit und der Bequemlichkeit. Wir alle wissen, dass wir etwas ändern müssen, wir stehen voller Tatendrang auf und sehen: Ach, sieh her, die machen doch schon. Ja, dann ist doch alles in Ordnung. Es sind nicht die Unternehmen, die handeln müssen – es ist der Mensch aus Fleisch und Blut und nicht die juristische Person. Wir haben von Geburtswegen Augen, Ohren und Verstand. Aber wir müssen noch lernen zu sehen, zu hören und zu verstehen.
Dieses Werk beruft sich nicht auf Vollständigkeit und soll auch keine wissenschaftliche Lektüre darstellen. Vielmehr versucht es, Missverständnisse zu beleuchten und das Interesse zu wecken, sich mit der Wandlung unserer Gesellschaft zu beschäftigen und als alternativlos postulierte Handlungen kritisch zu hinterfragen. Ich möchte Ansätze aufzeigen, welche bei der Auseinandersetzung mit wohlklingenden populistischen Aussagen helfen. Zudem sollen ebendiese Ansätze dazu dienen, „nachhaltiges“ Strohfeuer von zukunftsweisenden Konzepten zu unterscheiden. Dazu erscheint es sinnvoll, unterschiedliche Perspektiven wahrzunehmen, Begriffe zu definieren und nüchtern zu betrachten. Denn oft sind Nuancen mitentscheidend. Es muss unterschieden werden zwischen „richtig“ und „unter gewissen Bedingungen richtig“. System- und Bilanzierungsgrenzen werden häufig aus Bequemlichkeit ausgeblendet, sodass das gewünschte Ergebnis auch richtig erscheint. Deshalb werde ich versuchen, in diesem Buch einzelne Elemente genauer zu beleuchten und gleichzeitig, das System als Ganzes zu betrachten.
Bevor im Folgenden unser Bemühen nach oder unser Verständnis von Nachhaltigkeit hinterfragt wird, erscheint es sinnvoll den Begriff der Nachhaltigkeit als solchen zu definieren.
Generell beschreibt Nachhaltigkeit einen Zustand, der es ermöglicht, unsere Bedürfnisse zu erfüllen, ohne die Möglichkeit zukünftiger Generationen zu beschneiden, deren Bedürfnisse zu erfüllen1. In dieser Definition wird die zentrale Rolle des Menschen deutlich. Unterschieden wird häufig zwischen ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, dann meinen wir damit die Bedürfnisse der Menschen, ohne dabei räumlich oder zeitlich zu differenzieren. Es geht somit um jeden Menschen, der jetzt oder in Zukunft auf diesem Planeten lebt.
Nachhaltigkeit ist ein Sammelbegriff für verschiedenste Aspekte und meint nicht mehr und nicht weniger als sämtliche Chancengleichheit eines jeden Individuums, ungeachtet dessen, ob er bereits geboren ist oder nicht.
Vielen mag nun unangenehm sein, dass dem Begriff durch diese Darstellung ein wenig an Charme verloren geht. Doch durch die nüchterne Betrachtung kann es einfacher erscheinen, etwas Distanz zu dem Begriff der Nachhaltigkeit zu gewinnen und einen davon abhalten, ihn leichtfertig zu gebrauchen. Bezeichnen wir für einen Augenblick Nachhaltigkeit als die egoistische Forderung der Menschheit, ihren Lebensstandard auf einem möglichst hohen Niveau dauerhaft zu halten. Diese auf den Menschen reduzierte Formulierung zwingt uns, darüber nachzudenken, was wir als Grundlage unseres Lebensstandards betrachten und wie wir unsere Bedürfnisse definieren wollen.
Hierzu zählen dann sicherlich Grundbedürfnisse wie Nahrung, Gesundheit, Sicherheit, aber auch weiterführende Bedürfnisse wie Komfort, Wohnen, Selbstbestimmung, Wohlstand, Erholung und Freizeit. Diese Liste könnte beliebig weitergeführt und gegliedert werden. Auch hier werden wieder die auf die Menschen bezogenen sozialen und ökonomischen Aspekte deutlich, die durch eine egoistisch agierende Menschheit ausreichend abgedeckt sind. Hinzu kommt allerdings eine auf die Umwelt beziehungsweise die naturbezogene ökologische Nachhaltigkeit, die durch die Forderung nach Gesundheit, Energie und Artenvielfalt herrührt. Dabei ist die Artenvielfalt für ein stabiles Ökosystem wichtig und bereichert die Menschheit auf sozialer Ebene. Ausnahmen sind hierbei Menschen, die ein abgekapseltes Stadtleben führen wollen und denen es ausreicht, Tiere im Zoo zu betrachten und sich im besonderen Maße geehrt fühlen, wenn sie darunter auf einem Schild lesen können: Dies ist das letzte Exemplar seiner Art.
Fassen wir zusammen, dann ist es völlig ausreichend, wenn die Menschheit egoistisch handelt, denn dann ist an alles gedacht. Wenn wir dann unseren Nutzen maximieren wollen, sorgen wir uns gleichzeitig um unsere Umwelt; dazu zählen dann unsere Mitmenschen und deren Nachkommen und auch die Tier- und Pflanzenwelt. Dazu ist es aber wichtig, dass die Menschheit den Nutzen und damit den Wert der Welt für sich erkennt und dadurch scheinbar altruistisch handelt. Ich unterstelle der Menschheit an dieser Stelle Empathie für die sie umgebende sichtbare und nicht sichtbare Welt.2
Nach Charles Darwins Evolutionstheorie ist eine egoistische Lebensweise aufgrund der bekannten Aussage „survival of the fittest“3 oder „Überleben des am besten Angepassten“, für das Überleben einer Spezies durchaus zielführend. Es entsteht die Hoffnung, dass eine egoistisch handelnde Menschheit in einem stabilen Ökosystem resultiert und sich die erzielte Nachhaltigkeit nicht nur auf den Menschen reduziert, sondern sich auf das Gesamtsystem positiv auswirkt. Dabei sind lediglich – und im entscheidenden Maße – zwei Störgrößen vorhanden, die diese Hoffnung illusorisch erscheinen lassen. Denn die Menschheit handelt nicht geschlossen.
Erstens handeln derzeitige Generationen egoistisch und leben auf Kosten zukünftiger Generationen und zweitens handeln einzelne Individuen egoistisch und streben danach ihren eigenen Nutzen zu maximieren, und nicht den der Gesellschaft.
Somit kann die Komplexität einer nachhaltigen Welt auf die Problematik der egoistisch handelnden Individuen der Menschheit reduziert werden. Das heißt, alles was wir fertigbringen müssen ist, geschlossen als Menschheit zu handeln. Wir müssen uns als Gesellschaft sehen und die Verantwortung übernehmen, die uns als Individuen einer Gesellschaft zuteil wird. Und das ist das größte und das einzige Problem. Jeder dürfte bereits folgenden Spruch gehört haben.
Es stehen 1000 Menschen in einem Eck und sagen im Chor: Einer allein kann nichts ändern.
Nachdem ich aufgezeigt habe, dass wir nicht primär ein Nachhaltigkeitsproblem haben, sondern es letztlich auf ein gesellschaftliches Problem hinausläuft, stelle ich nun einmal die Gegenfrage.
Müssen wir etwas tun, damit wir Nachhaltigkeit erreichen oder erhalten wir einen nachhaltigen Zustand ganz ohne unser Zutun? Die Frage scheint zunächst verwirrend, wird uns doch von allen Seiten eingetrichtert, dass wir etwas tun müssen.
Rufen wir uns noch einmal in Erinnerung was Nachhaltigkeit bedeutet. Nachhaltig beschreibt nämlich einen Zustand, der bis in alle Ewigkeit4 konstant gehalten werden kann. Somit läuft es darauf hinaus, dass wir irgendwann nur so viel konsumieren können (Energie, Nahrung, Material, Gesundheit), wie unserem Ökosystem zugeführt beziehungsweise an Giftstoffen abgebaut werden kann. Dieses Gleichgewicht wird spätestens dann erreicht werden, wenn alle gespeicherten Ressourcen aufgebraucht sind und von unserem anfänglichen Startkapital nichts mehr übrig ist. Dann werden wir nachhaltig leben, leben müssen, da die Natur keine Kredite vergibt. Haben wir bis dahin nicht gelernt mit den zur Verfügung stehenden Potenzialen auszukommen, wird es drei Wege geben, mit denen uns unerbittlich nachhaltiges Leben aufgezwungen wird:
1) Ein Teil der Menschheit stirbt (Hunger, Krieg, Revolution, Krankheit)
2) Einige Wenige unterdrücken viele und leben auf deren Kosten
3) Wir alle müssen in gleichem Maße einen niedrigen Lebensstandard hinnehmen (Rückentwicklung unserer Bedürfnisse)
Mischformen sind selbstverständlich möglich und wären wahrscheinlich.
Wenn wir diese drei Möglichkeiten betrachten, fällt gleich auf, dass sich die Dritte nicht einstellen wird. Das wäre Kommunismus mit der Forderung alle sollen es gleich schlecht haben. Ich denke, dass keiner so naiv ist, zu glauben, dass es jemals Kommunismus gegeben hat oder geben wird.
Die zweite Möglichkeit beschreibt einen Zustand, wie wir ihn derzeit haben; mit den entwickelten Ländern und den Entwicklungsländern und mit einem großen Unterschied zwischen Arm und Reich in den meisten Ländern. Und auch dieser Zustand ist nicht auf Dauer zu halten5. Dieses Ungleichgewicht wird willentlich abgeschwächt werden müssen oder aber es wird sich durch Gewalt angleichen und nahtlos in die erste Möglichkeit übergehen.
Es handelt sich somit bei Nachhaltigkeit um eine Art „Gleichgewicht“, welches sich ohne jedes Zutun einstellen wird. Nachhaltigkeit wird für jede Spezies unausweichlich erreicht werden und hat als niedrigstes stabiles Niveau deren vollständiges Aussterben.
Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, meinen wir aber nicht jenen erwähnten „stabilen“ Zustand auf einem x-beliebigen Niveau, sondern wir meinen den maximal möglichen Nutzen für die Menschheit, der auf Dauer erreicht werden kann. So sind wir erneut bei der bereits erwähnten Forderung der Menschheit, ihren Lebensstandard zu maximieren.
Hierdurch bleibt von Nachhaltigkeit die notwendige und vollständig ausreichende Bedingung einer einheitlich gesellschaftsorientiert handelnden Menschheit übrig.
Sollten wir es nicht schaffen, unseren Wohlstand auf Dauer zu maximieren, dann liegt das nicht an den Randbedingungen der Welt, zum Beispiel endlichen Ressourcen, sondern an einer individuell asozial agierenden Menschheit, in der individuelle Nutzenmaximierung nicht zu einem gesellschaftlichen Optimum führt.
Dies rechtfertigt das Vorhandensein einer übergeordneten Staatsmacht. Dieser obliegt es die Freiheiten einzelner Individuen einzuschränken und die Randbedingungen so zu definieren, dass wenn jedes Individuum seinen eigenen Nutzen maximiert6, damit gleichzeitig der Nutzen der Gesellschaft optimiert wird.
Die Aufgabe des Staates ist es letztendlich, sämtliche externe Kosten mit in das Entscheidungskalkül der Individuen einfließen zu lassen.
Zunächst werden wir die Potenziale unseres Ökosystems genauer betrachten, wobei der Begriff Nachhaltigkeit in seine Einzelteile zerlegt wird. Wir werden uns mit wichtigen Aspekten, Zusammenhängen und Kenngrößen beschäftigen und diese, wenn notwendig, definieren. Erst dann kann, darauf aufbauend, versucht werden, eine einheitliche Betrachtung zu erarbeiten.
2.Nachhaltigkeit
2.1. Herkunft
Der Begriff stammt ursprünglich aus der Waldwirtschaft und meint, dass nicht mehr Holz geschlagen werden darf, als nachwächst. Erstmals niedergeschrieben wurde der Begriff der Nachhaltigkeit von Hans Carl von Carlowitz in seinem Werk Silvicultura oeconomica von 1713. Dort wird nachhaltig als Synonym von „beständig“, „immerwährend“ und „kontinuierlich“ verwendet. Diese Art der Waldbewirtschaftung wurde bereits im Mittelalter mündlich überliefert und wurde ab dem 15. Jahrhundert schriftlich festgehalten, so zum Beispiel in der Forstordnung des Bistums Speyer aus dem Jahr 14427.
2.2. Aspekte
Nachhaltigkeit besteht aus drei Aspekten, die alle gleichzeitig erfüllt sein müssen. Diese nachhaltigen Aspekte sind als Säulen zu verstehen. Wird eine davon vernachlässigt, kann aus den übrigen keine Nachhaltigkeit resultieren.
Demnach sind die Säulen der Nachhaltigkeit folgende:
Ökologisch
Ökonomisch
Sozial
Da der Begriff der Nachhaltigkeit oft fahrlässig verwendet wird, versuche ich mich an dieser Stelle von diesem Begriff zu distanzieren und spreche von einem Gleichgewichtszustand. Auch ökonomische, ökologische Aspekte betrachte ich nicht getrennt. Ich fokussiere meine Betrachtungen auf die Gesellschaft als eine Einheit und spreche in ihrem Sinne von Nutzen und Kosten, die sich aus der Erfüllung von unterschiedlichsten Interessen und der Aufwendung unterschiedlichsten Ressourcen ergeben können.
3.Erläuterungen
Vereinfachungen helfen oft, Dinge zu erklären und greifbar zu machen. Manchmal kann dies aber zu Selbstverständlichkeiten führen, die pauschal angenommen werden und Problematiken verzerren oder vollständig ausblenden. Deshalb ist es wichtig, Begriffe voneinander abzugrenzen beziehungsweise zu definieren oder aber den Leser für deren Bedeutung zu sensibilisieren. Bei den meisten Begriffen kann ich im Rahmen dieses Buches nicht ins Detail gehen, da eine ausführliche Betrachtung selbst ein ganzes Buch füllen würde.
3.1. Exergie
Exergie ist der Anteil einer Energie, der theoretisch uneingeschränkt in jede andere Energieform umgewandelt werden kann.
Die allgemeine Verwendung des Begriffes „Energie“ stellt eine solche Vereinfachung dar und ist im Alltagsgebrauch auch durchaus zielführend.
Dennoch sollte in diesem konkreten Zusammenhang das Bewusstsein dafür vorhanden sein, dass Energie nicht gleich Energie ist. Nicht jede Energieform weist die gleiche Qualität auf und ist auch nicht im gleichen Maß nutzbar.
Dazu ein veranschaulichendes Beispiel:
Wenn wir elektrischen Strom nutzen, dann kennen wir von unserer Stromrechnung die Einheit kWh. Das entspricht der Energiemenge, die wir erhalten, wenn wir während einer Stunde 1 000 W (= 1 kW) Leistung beanspruchen.
Diese eine kWh an elektrischem Strom können wir fast uneingeschränkt und verlustarm in jede andere Energieform umwandeln.
Ein Mixer kann sie in mechanische Energie umwandeln, eine Lampe wandelt den elektrischen Strom in Licht um, während ein Wasserkocher Wärme produziert. Am Ende allerdings wird der Mixer den Teig und den Raum erwärmt haben. Ebenso wird sich die Lichtenergie in Raumwärme umwandeln. Die Tasse Kaffee oder Tee wird abkühlen und den Raum wärmen und/oder befeuchten.
Dabei gilt für all diese Prozesse jedoch, dass nachdem 1 kWh an elektrischem Strom „verbraucht“ ist, dem Raum 1 kWh Wärmeenergie zugeführt worden ist. Die Energiemenge wird dabei nicht reduziert, sie wird lediglich in eine andere Energieform umgewandelt. Es ist falsch, wenn behauptet wird, dass Energie verbraucht wird. Wenn wir von Energienutzung sprechen, muss folglich etwas anderes gemeint sein als der „Verbrauch“ der Energie. Denn laut dem ersten Satz der Thermodynamik kann Energie weder erschafft noch vernichtet werden.
Wenn wir uns das erwähnte Beispiel in Darstellung 3-1 ansehen, wird deutlich, dass die Qualität der Energie verändert worden ist. Nicht jede Energieform lässt sich beliebig in andere Energieformen umwandeln.
Mit dem elektrischen Strom (1 kWh) wäre es ohne weiteres möglich, einen Fernseher zu betreiben. Mit der gleichen Menge an Wärmeenergie des Raumes gestaltet sich dies weitaus schwieriger – theoretisch ist Wärmeenergie solange „nutzbar“, solange sie auf einem höheren Temperaturniveau ist, wie eine andere nutzbare Kältequelle. Die Energiemenge, die umwandelbar und nutzbar ist, resultiert aus der Differenz von Potenzialen8.
Dabei weist elektrische Energie einen Exergieanteil von nahezu 100 % auf. Der Exergieanteil von Umgebungswärme ist dagegen bei nahezu 0 %. Somit lässt sich Exergie im Vergleich zur Energie durchaus „verbrauchen“. Durch den zweiten Satz der Thermodynamik wird das Verbot des Perpetuum mobile 2. Art ausgedrückt, das besagt, dass Prozesse nicht beliebig umkehrbar sind und es kann keine Maschine geben, die eine Energieform in eine andere umwandelt und diese Energiemenge wieder verlustfrei zurückwandelt. Wir können Energie somit in zwei Anteile aufteilen, nämlich in
Exergie (Energieanteil, der „nutzbar“ ist, beziehungsweise die Fähigkeit besitzt, Arbeit zu verrichten)
Anergie (Energieanteil, der nicht in Arbeit umgewandelt werden kann)
Energie = Exergie + Anergie = konstant
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Energiemenge immer konstant bleibt. Wenn wir aber Energie umwandeln beziehungsweise Arbeit verrichten, dann wird immer ein Teil der Exergie in Anergie umgewandelt, ohne dass die Menge an Energie variiert. Während Anergie ständig produziert wird, ist es unmöglich, Exergie herzustellen.
Wenn wir davon sprechen „Energie zu verbrauchen“, dann meinen wir eigentlich „Exergie zu verbrauchen“. Diese Differenzierung ist im späteren Verlauf wichtig, da sie uns hilft die Qualität einzelner Energieformen zu bewerten, wobei eine Energieform mit einem hohen Anteil an Exergie eine hohe Qualität darstellt und Energie mit einem geringen Exergiegehalt als niedrige Energiequalität bezeichnet wird.
Darstellung 3-1: Wandlung von Exergie in Anergie durch Energiekonsum
3.2. Externe Effekte
Externe Effekte bezeichnen die Nutzen oder Kosten, die monetär oder nicht monetär anfallen, aber nicht in das Entscheidungskalkül des Entscheidungsträgers einfließen. Die Person oder die Gruppe muss die Kosten nicht tragen und erhält nicht den Nutzen, wodurch beides für ihn oder sie irrelevant ist.
Die externen und nicht berücksichtigten Kosten und Nutzen sind in vielen Fällen einer der Hauptgründe für ineffiziente Gesamtlösungen. Sind externe Kosten oder aber externe Nutzen vorhanden, dann führt eine egoistische Handlung einer Partei nicht zur Nutzenmaximierung aller betroffenen Personen.
Gelingt es die externen Effekte (ob positiv oder negativ) entsprechend in das Entscheidungskalkül der aktiv handelnden Personen zu integrieren, dann führt das egoistische Verhalten jeder einzelnen Person zur Nutzenmaximierung der Gesellschaft, weil durch die Internalisierung das egoistische Verhalten einer altruistisch handelnden Person gleich kommt.
Mit der zuvor hergeleiteten Erkenntnis, dass eine egoistisch handelnde Gesellschaft Nachhaltigkeit auf einem hohen Lebensniveau ermöglicht, lässt sich hier der besondere Stellenwert von externen Kosten sowie von externen Nutzen erkennen.
Folglich sollte versucht werden, externe Größen zu identifizieren und zu internalisieren, das heißt in das Entscheidungskalkül des Handelnden zu integrieren.
egoistisches Verhalten
+ internalisierte externe Effekte
= altruistisches Handeln
Externe Kosten fallen meist dort an, wo Güter genutzt werden, die scheinbar grenzenlos – in Bezug zu den Bedürfnissen einer Person – zur Verfügung stehen. Es mag für viele selbstverständlich erscheinen, dass für solche Güter kein Preis gezahlt werden muss. Schließlich nutzen wir solche Güter jeden Tag und sehen es als selbstverständlich an, dass diese vorhanden und gleichzeitig kostenlos sind.
Ein solches Beispiel ist unsere Atemluft. Es würde vermutlich befremdlich klingen, darüber zu diskutieren, ob wir für Luft bezahlen müssten. Wer hätte das Recht Luft zu verkaufen und welcher Preis wäre gerechtfertigt, weil doch keine Kosten für Produktion oder Transport anfallen? Es gibt zwei Gründe, warum es hier schwerfällt, eine Rechtfertigung zu finden. Erstens habe ich ein provokantes Beispiel gewählt, schließlich stellt Luft ein Grundbedürfnis dar und ist überlebenswichtig. Zweitens wurde die Frage falsch gestellt.
Drehen wir die Frage um.
Wir haben gesagt, dass Luft keinem gehört und somit von jedem genutzt werden darf.
Das gilt dann auch für jeden Kraftwerksbesitzer. Folglich darf jeder die Luft so viel mit Giftstoffen, Ruß, Feinstaub und radioaktiven Stoffen belasten, wie es für ihn kosteneffizient ist. Wenn Luft kostenlos ist, dann werden sich weder Filter noch eine andere Abluftreinigung lohnen. Immer noch entstehen keine direkten Kosten für die Luft. Aber es ist nicht schwer sich vorzustellen, dass eine solche Denk- und Handlungsweise dazu führt, dass die Luft so sehr verschmutzt wird, dass die allgemeine Lebensqualität sehr stark reduziert wird. Und genau diese Reduktion der Lebensqualität stellt in diesem Fall die externen Kosten dar. Diese Kosten sind hier nicht monetär und können auch nicht genau erfasst werden. Und es ist auch nicht so, dass sie an jemanden gezahlt werden müssen.
Wir würden uns weniger wohlfühlen, wären weniger leistungsstark und würden nicht so lange leben. Somit sind die Kosten nicht das, was wir üblicherweise unter Kosten verstehen. In diesem Fall sind die Kosten der schmutzigen Luft der entgangene Nutzen der sauberen Luft durch die verringerte Gesundheit und das verkürzte Leben.
Externe Kosten bezeichnen somit unter anderem den entgangenen Nutzen aller Personen, wenn sich eine Person dafür entscheidet, ein Gut zu nutzen (selbst wenn dieses kostenlos ist).
Auf welche Art sich das Vorhandensein von externen Kosten oder aber externen Nutzen auf die Gesamtnutzen einer jeden Person ausüben kann, wenn diese nicht durch den Entscheidungsträger berücksichtigt werden, soll folgendes Beispiel veranschaulichen.
Nehmen wir an, jeder Autofahrer kann sich frei entscheiden, ob er einen Katalysator in seinem Auto installieren möchte oder nicht. Der Katalysator soll in diesem Beispiel 500 € kosten.
Nehmen wir ferner an, dass wenn alle Autos über einen Katalysator verfügen, jeder Mensch einen höheren Nutzen (höhere Lebensqualität, bessere Gesundheit, längeres Leben) aufweist, als wenn kein Auto einen Katalysator aufweist und er wäre bereit für diesen Mehrnutzen 1 000 € zu zahlen.
Welches wäre unter diesen Umständen die optimale Entscheidung eines jeden Autobesitzers? Und welcher Zustand wäre stabil? Dabei muss bedacht werden, dass jeder Autobesitzer nur für sich entscheiden kann und die Entscheidungen der anderen nicht beeinflussen kann.
Wenn keine externen Kosten internalisiert sind, dann sieht die Gewinnfunktion des Autobesitzers folgendermaßen aus:
Gewinn = - Kosten des Katalysators
+ Nutzen, wenn er einen Katalysator einbaut
+ Nutzen aus der Entscheidung der Anderen
Der Nutzen, wenn der Autobesitzer sich für einen Katalysator entscheidet ist 0 €, weil sein Katalysator einen unbedeutenden Einfluss auf die Luftqualität der Welt ausübt.
Der Nutzen aus der Entscheidung der Anderen ist ein externer Nutzen und nicht von seiner Entscheidung abhängig.
Daraus folgt mit den Werten, wenn der Autobesitzer sich für den Katalysator entscheidet:
Gewinn = - 500 €
+ 0 €
+ Nutzen aus der Entscheidung der Anderen
Und wenn der Autobesitzer sich gegen den Katalysator entscheidet:
Gewinn = - 0 €
+ 0 €
+ Nutzen aus der Entscheidung der Anderen
Somit kann der Autobesitzer sich zwischen einem Gewinn von 0 € oder von - 500 € entscheiden. Der Autobesitzer wird sich somit für einen Gewinn von 0 € und gegen den Katalysator entscheiden. Da jeder Autobesitzer vor der gleichen Entscheidung steht, werden alle sich gegen einen Katalysator entscheiden, woraus ein Mehrnutzen von 0 € für alle Menschen resultiert.
Versuchen wir nun die externen Kosten/Nutzen zu internalisieren und führen eine Verpflichtung für Katalysatoren ein, beziehungsweise eine Strafzahlung in Höhe von 700 €, wenn ein Autobesitzer sich gegen einen Katalysator entscheidet.
Die Gewinnfunktion des Autobesitzers wird nun um die Strafgebühr erweitert:
Gewinn = - Kosten des Katalysators
- Strafgebühr, wenn er keinen Katalysator einbaut
+ Nutzen, wenn er einen Katalysator einbaut
+ Nutzen aus der Entscheidung der Anderen
Daraus folgt mit den Werten, wenn der Autobesitzer sich für den Katalysator entscheidet:
Gewinn = - 500 €
- 0 €
+ 0 €
+ Nutzen aus der Entscheidung der Anderen
Und wenn der Autobesitzer sich gegen den Katalysator entscheidet:
Gewinn = - 0 €
- 700 €
+ 0 €
+ Nutzen aus der Entscheidung der Anderen
Somit kann der Autobesitzer sich zwischen einem Gewinn von -500 € oder von -700 € entscheiden. Der Autobesitzer wird sich folglich für einen Gewinn von -500 € und für den Katalysator entscheiden. Da wiederum jeder Autobesitzer vor der gleichen Entscheidung steht, werden alle sich für einen Katalysator entscheiden, woraus ein Mehrnutzen von 1 000 € für alle Menschen resultiert.
Für jeden Autobesitzer entstehen somit Kosten aus seiner Entscheidung von 500 € und ein Nutzen von 1 000 € aus der Entscheidung aller Autofahrer, womit er letztendlich einen Gewinn von 500 € erzielt und folglich besser gestellt ist, als wenn keine Strafgebühr eingeführt worden wäre. Der Nutzen jedes Menschen, der kein Autobesitzer ist, beträgt nun 1 000 € anstelle von 0 €, womit auch diese Personen durch die Strafgebühr einen Mehrgewinn erzielen.
Werden externe Effekte nicht beachtet, dann reduziert das den Nutzen der Gesellschaft.
Außerdem gilt:
Strafmaßnahmen können helfen, externe Kosten zu internalisieren und jeden Menschen besser zu stellen, ohne irgendjemanden zu benachteiligen.
Für unterschiedliche Arten von externen Kosten/Nutzen gibt es andere Maßnahmen, so dass eine gesellschaftlich optimale Lösung erreicht werden kann.
Ein anderes Beispiel dafür wären Straßen. Keine wirtschaftlich denkende Person würde auf die Idee kommen öffentliche Straße in dem Maße zu bauen, wie wir sie haben. Deshalb braucht es eine Institution, den Staat, der den externen Nutzen der Bevölkerung und der Unternehmen berücksichtigt und mit öffentlichen Mitteln versucht, den gesellschaftlichen Nutzen zu maximieren.
Es gibt unzählige Beispiele von Gütern, die unterschiedlich genutzt werden können, und bei denen externe Effekte auftreten, die von einzelnen Parteien nicht berücksichtigt werden. So können beispielsweise folgende Verhältnisse von Abhängigkeiten entstehen.
Wasserverschmutzung ↔ Fischfang
↔ Schwimmen
↔ Trinkwasser
↔ Gestank
oder
Förderung Erdgas ↔ radioaktiver Schlamm
↔ Klimaerwärmung
↔ entgangener Nutzen zukünftiger Generationen
Deshalb ist es wichtig darüber nachzudenken, wo externe Kosten auftreten und wie sie internalisiert werden können.
Dabei ist das größte Problem, dass diese externen Kosten schwer erfassbar sind und nur sehr eingeschränkt quantifiziert werden können. Wie viel kosten 3 Tage eines Menschenlebens? Wie viel kostet ein Jahr ohne Krebs?
Eine weitere Schwierigkeit stellt es dar, diese externen Effekte zu internalisieren.
Steuerelemente, die dies ermöglichen, sind zum Beispiel Steuern, Subventionen, Gebote, Verbote, Mindestanforderung und anderes mehr. Hierbei ist aber darauf zu achten, dass diese richtig eingesetzt werden, da ansonsten weitere negative Effekte auftreten können.
3.3. Synergieeffekte
Synergieeffekte dürften den Meisten aus der Natur bekannt sein, die auftreten wenn zwei Arten – ob Tier oder Pflanze – eng verbunden zusammenleben und dabei beide daraus einen Nutzen ziehen.
Eine solche Lebensweise von zwei oder mehr Arten wird als Symbiose bezeichnet, in der jede Partei ebenso gibt, wie auch nimmt.
Dabei ist der Nutzen, der aus der Symbiose resultiert, höher als die Summe der Nutzen, den die einzelnen Parteien ohne das Zusammenleben hätten.
Nutzen der Symbiose > ∑ Nutzen der getrennt lebenden Parteien9
Der positive Synergieeffekt bezeichnet dabei den Mehrgewinn der Beziehung und somit:
Synergieeffekt = Nutzen der Symbiose – ∑ Nutzen der getrennt lebenden Parteien
Diese Synergien können aber auch bei Nutzung unterschiedlicher Technologien auftreten. Genauso beim Arbeiten und Leben im Kollektiv oder bei getroffenen Maßnahmen, die sich gegenseitig verstärken. Ein Beispiel aus der Tierwelt ist bei Haien und Putzerfischen zu finden. Die Putzerfische reinigen die Haut der Haie und erhalten im Gegenzug Schutz vor Fressfeinden. Diese Symbiose ist für beide von Vorteil.
Allgemein treten Synergien auf, wenn sich unterschiedliche Fähigkeiten derart vereinen, dass sich die Vorteile verstärken und/oder die Nachteile abschwächen.
3.4. Skaleneffekte
Skaleneffekte geben das Verhältnis von Produktionsmenge beziehungsweise Produktgröße und benötigtem Arbeitsaufwand und Material wieder, und haben Auswirkungen auf den spezifischen Preis.
Positive Skaleneffekte machen sich oft dadurch bemerkbar, dass die doppelte Menge beziehungsweise die doppelte Größe nicht die doppelten Kosten verursacht.
Dies kann daraus resultieren, dass einige Fixkosten nur einmal auftreten. Angenommen sie bestellen ein Produkt mit einem Wert von 20 € und es fallen 5 € Versandgebühren pro Bestellvorgang an, dann kostet bei dieser Bestellung jedes Exemplar 25 €.
Bestellen Sie gleichzeitig 2-mal dieses Produkt, fallen insgesamt Kosten in Höhe von 45 € an und somit kostet ein Exemplar 22,5 €.
Ein anderer Effekt wird deutlich, wenn Sie ein Auto kaufen wollen und sich bereits für ein Modell entschieden haben und sich nur noch über die Leistungsstärke des Motors uneinig sind. Angenommen es gibt das Modell mit 90 PS als Basisversion und mit 180 PS als Sportversion. Auch hier erwarten sie sich nicht den doppelten Preis. Grund dafür ist, dass einige Bauteile überhaupt nicht ändern und einige Bauteile lediglich etwas größer und/oder stärker ausgeführt werden müssen. Regelungstechnik und Ausstattung bleiben gegebenenfalls gleich. Der Fahrzeugrahmen muss verstärkt werden, wobei die Produktionskosten sich nicht verdoppeln, nur weil die Materialstärke um einen Millimeter erhöht wird.
An diesem Beispiel soll eine der wichtigen Wirkweisen von Skaleneffekten gezeigt werden. Angenommen der Hubraum der Zylinder wird verdoppelt und der Hub H soll gleich groß bleiben, wie ändert dann der Durchmesser?
D1 sei der Durchmesser und V1 der Hubraum der Basisversion. D2 ist der Durchmesser der Zylinder der Sportversion mit dem Hubraum V2, so gelten folgende Zusammenhänge:
mit (1) in (2) folgt nach Umformen:
Somit muss der Durchmesser der Kolben und der Zylinder lediglich um knapp 42 % vergrößert werden. Die Anzahl der Produktionsschritte wird dadurch aber nur geringfügig erhöht.
3.5. Lerneffekte
Lerneffekte bezeichnen jene Effizienzsteigerungen der Produktion, die sich mit steigender akkumulierter Menge der produzierten Produkte10 gleicher Art ergeben und die die spezifischen Kosten11 der produzierten Einheiten senken.
Die Lerneffekte entstehen bei der Serienfertigung unter anderem durch Standardisierung, Rationalisierung und Automatisierung. So lässt sich durch den Übungsgewinn zusätzlicher Einheiten die Fertigungszeit verkürzen und die Ausschussrate12 verringern.
Üblich sind Lernraten von 70 % bis 80 % bei einer Verdopplung der akkumulierten Anzahl der gefertigten Produkte, womit eine Kostensenkung von 20 % bis 30 % erreicht wird. In Grafik 3-1 ist der Verlauf der Entwicklung der Grenzkosten bei einer Lernrate von 70 % skizziert. Dabei sind die Lernraten in verschiedenen Branchen unterschiedlich und können auch von Produkt zu Produkt stark variieren.
Auch durch diesen Effekt lässt sich erklären, dass neue Technologien zunächst teuer und kaum bis gar nicht wettbewerbsfähig sind.
Insofern ist die eben getroffene Aussage im Kontext dieses Buches wichtig, weil sie verdeutlicht, dass neue und „teure“ Technologien durchaus gefördert werden müssen und dass sich der Nutzen erst dann ergibt, wenn eine gewisse Menge produziert und vermarktet worden ist und die Kosten soweit gesunken sind, dass die Vorteile des Produktes zum Tragen kommen.
Grafik 3-1: Auswirkung des Lerneffektes auf die Grenzkosten
3.6. Grenzkosten/Nutzen
Grenzkosten beziehungsweise marginale Kosten beschreiben jene Kosten, die anfallen, wenn die produzierte Menge um eine Einheit geringfügig erhöht wird. Sprich wenn bereits 1 000 Einheiten produziert worden sind, meint es die Kosten die zusätzlich anfallen, um die Einheit 1 001 zu produzieren. Ein beispielhafter Zusammenhang zwischen Kosten, Grenzkosten und produzierter Menge ist in Grafik 3-2 zu erkennen.
Dabei werden für die Grenzkosten alle Fixkosten außer Acht gelassen, da sie nicht aufgrund der einen zusätzlichen Einheit anfallen. Somit bleiben meist lediglich die verarbeiteten Materialien und die Energiemengen übrig, die der einen Einheit zugeordnet werden können.
Die marginalen Kosten einer Einheit sind somit die Kosten, die dieser Einheit zugeschrieben werden können.
Bei den Grenzkosten gibt es unterschiedliche Effekte. Einerseits sinken die Grenzkosten mit steigender Produktionsmenge aufgrund von Lerneffekten und Skaleneffekten. Allerdings steigen die Kosten ab einer gewissen Produktionsmenge erneut an. Dies ist aus mehreren Gründen ersichtlich. So hat man ab einem gewissen Punkt Kapazitätsbeschränkungen, erhöhten Materialverschleiß bei erhöhter Produktionsgeschwindigkeit der Anlage und Behinderung von Prozessabläufen durch eine zu hohe Personendichte.
Grafik 3-2: Grenzkosten der Produktion
Dazu ein Beispiel.
Angenommen sie wollen ein Loch im Garten graben, das ein Meter breit, lang und tief sein soll. Wenn sie alleine sind und eine Schaufel haben, dann werden sie sehr langsam sein. Eine zweite Person mit Schaufel kann ihnen helfen schneller zu sein. Möglicherweise sind sie wegen Motivationseffekten mehr als doppelt so schnell13. Selbst eine dritte oder gar eine zehnte Person wird dafür sorgen, dass das Loch schneller gegraben wird. Aber das Loch wird weit weniger als zehn Mal so schnell fertig sein, als wenn sie es alleine tun, weil die 10 Personen sich im Loch gegenseitig behindern und sie nur in kurzen Schichten abwechselnd arbeiten können. Dies veranschaulicht den sinkenden Grenznutzen des Personals. Die Grenzkosten der Produktion steigen dadurch an, denn wie in diesem Fall müssen sie immer mehr Personen einstellen, umso schneller sie das Loch fertig haben wollen, und die Produktion wird immer ineffizienter.
Für jede Art des Konsums gibt es unterschiedliche Nutzen und jeder würde den Nutzen anders hoch bewerten, aber für jeden Konsum gilt, dass je mehr konsumiert wird, umso weniger zusätzlichen Nutzen kann durch eine weitere Einheit erzielt werden, wie die Grafik 3-3 verdeutlichen soll. Dies gilt für Produkte ebenso wie für Dienstleistungen, ganz gleich, ob es sich um ein Grundbedürfnis oder ein Luxusgut handelt.
Dazu drei Beispiele.
- Angenommen jemand bietet ihnen 100 € dafür an, dass Sie eine gewisse Strecke laufen. Wie viele Meter wären Sie bereit dafür zu laufen? Dabei stellt der Grenzwert, den Sie bereit wären zu laufen genauso viele Kosten dar, wie die 100 € Ihnen wert erscheinen.
Stellen Sie sich vor, sie würden an dem darauf folgenden Tag 1 000 000 € im Lotto gewinnen und dieser Jemand käme zurück und würde Ihnen das gleiche Angebot unterbreiten. Würden Sie dann immer noch so viele Meter laufen, um die 100 € zu bekommen? Wohl kaum. Zwar sind die Kosten diese X-genannten Meter zu laufen immer noch gleich hoch. Aber die zusätzlichen 100 € haben für Sie nicht mehr den gleichen Nutzen, als wenn sie die 1 Million Euro nicht hätten.
- Wenn Sie abends auf ein Feierabendbier in die Kneipe gehen, wie viel wäre ihnen das erste Bier wert, um den Durst zu löschen? Und wie viel wäre Ihnen ein Bier wert, wenn Sie bereits drei getrunken hätten?
Grafik 3-3: Grenznutzen des Konsums
- Wenn Sie in der Wüste sind und 10 km ohne Getränk in der Mittagsglut marschiert sind, wie viel würden Sie für ein Glas Wasser zahlen? Und wie viel wäre Ihnen ein Glas mit reinstem Bergquellwasser wert, wenn Sie bis zum Hals in einem Süßwassersee 2 km von der Küste entfernt am Ertrinken sind14?
Der abnehmende Grenznutzen des Konsums beschreibt nichts anderes, als dass eine zusätzliche Einheit für Sie umso wertloser wird, umso mehr Sie von der gleichen Art haben. Dabei kann der zusätzliche Nutzen ab einer gewissen Menge auch negativ sein.
3.7. Opportunitätskosten
Opportunitätskosten sind keine real anfallenden Kosten. Es handelt sich vielmehr um die rationalen und/oder subjektiven entgangenen Gewinne (Nutzen), die hätten realisiert werden können, wenn man sich für eine andere Alternative entschieden hätte.
Wenn möglich entscheidet man sich solange für eine Alternative, bis die Opportunitätskosten höher sind als der Gewinn der durch die gewählte Alternative erzielt wird.
Dazu ein einfaches Beispiel.
Sie kommen nach Feierabend nach Hause und jemand bittet Sie, ihm für 15 € eine Stunde zu helfen. Ein anderer aber bittet sie, während der gleichen Zeit für 20 € für ihn die identische Arbeit zu verrichten. Fall gesetzt es gibt keine persönlichen Präferenzen, keine freundschaftlichen Verbindungen, dann wählen Sie die Arbeit, die mit 20 € vergütet wird und ihre Opportunitätskosten betragen 15 €.
Wenn Sie sich nach der Arbeit ausruhen und Ihre Freizeit genießen wollen und Ihnen diese Freizeit, während der Sie arbeiten würden, 30 € wert ist, dann entscheiden sich dafür, die Arbeit abzulehnen und ihre Freizeit zu genießen. In diesem Fall betragen die Opportunitätskosten 20 €.
3.8. Kosteneffizienz und Gewinnmaximierung
Der Gewinn resultiert bekanntermaßen daraus, dass von dem Erlös (Nutzen) die entstandenen Kosten abgezogen werden.
Gewinn = Nutzen – Kosten
Wir haben zuvor die Nutzen- und Kostenfunktion in Abhängigkeit der Menge gesehen.
Hieraus kann nicht oder nur schwer abgelesen werden, für welche Menge der Gewinn maximal ist. Der einzige Schnittpunkt, der in Grafik 3-4 abgelesen werden kann, ist bei der Menge für die gilt: Nutzen = Kosten. Für diese Menge ist der Gewinn gleich null. Folglich hilft uns diese Betrachtung nicht für die Ermittlung des Gewinnmaximums. Und folglich helfen uns der Gesamtnutzen und die Gesamtkosten nicht weiter.
Deshalb müssen wir jede Einheit einzeln betrachten und uns überlegen unter welcher Bedingung wir diese eine Einheit konsumieren beziehungsweise produzieren wollen, wenn es gilt den gesellschaftlichen Gewinn zu maximieren.
Grafik 3-4: gesellschaftlicher Gewinn des Konsums
Dies tun wir genau dann, wenn für die Einheit i gilt, dass:
Nutzen(Ei) ≥ Kosten(Ei)
Der Nutzen und die Kosten der Einheit i sind nichts anderes als der Grenznutzen und die Grenzkosten.
Folglich gilt:
Der Gewinn wird maximiert, wenn der Nutzen und die Kosten der letzten produzierten (konsumierten) Einheit gleich sind:
Grenznutzen des Konsums = Grenzkosten der Produktion
Eine Maßnahme ist dann kosteneffizient, wenn die Bedingung der Gleichheit von Grenznutzen und Grenzkosten erfüllt ist.
3.9. Risiko- und Zeitpräferenz
Risiko- sowie Zeitpräferenzen führen dazu, dass zwei Handlungsmöglichkeiten, von denen der zu erwartende Nutzen gleich hoch ist, dennoch unterschiedlich bewertet werden können.
Wenn Sie Geld auf die Bank bringen, dann bekommen Sie dafür Zinsen, die Sie dafür entschädigen sollen, dass Sie das Geld erst zu einem späteren Zeitpunkt nutzen. Wären die Zinsen geringer als der Mehrnutzen, den Sie aus einem momentanen Konsum15 gegenüber einem späteren Konsum erwarten würden, würden Sie konsumieren, statt das Geld auf einem Konto einzuzahlen. Aus diesem Grund senkt die EZB16 den Leitzins, wenn diese den Konsum anregen möchte und erhöht den Leitzins, um den Konsum und somit die Inflation zu entschleunigen.
In den meisten Fällen gilt Folgendes.
Je weiter ein Erlös in der Zukunft liegt, umso weniger ist er wert und die Zeit, die auf den Erlös gewartet wird, muss entlohnt werden, damit eine solche Alternative gewählt wird.
Wenn Ihnen einer auf der Straße begegnet und Ihnen anbietet sofort 100 € zu schenken oder aber, falls Sie bereit sind eine Woche zu warten, 150 € in einer Woche zu schenken, dann ist die Wahl nicht nur von der Zeitpräferenz abhängig, sondern wird auch stark durch Unsicherheiten (Risiken) geprägt. So wissen Sie, wenn Sie die 100 € sofort nehmen, dass Sie diese haben. Sie wissen aber nicht, ob derjenige tatsächlich in einer Woche zurückkommt, um ihnen die 150 € zu geben.
Hier kann generell gesagt werden:
Ein Risiko, welches an sich nur auf Unsicherheiten beruht, muss durch einen erhöhten Erwartungswert entlohnt werden, damit die betroffene Alternative gegenüber einer weniger riskanten Alternative gewählt wird.
Wobei es hier natürlich auch wiederum Situationen gibt, in denen Risiko anders bewertet wird. Zum Beispiel wenn jemand Lotto spielt, so weiß er, dass sein Erwartungswert so ist, dass er 40 % von seiner Anlage verlieren wird. Würde jemand unendlich oft spielen, dann würde er mit an 100 % grenzender Wahrscheinlichkeit nur 60 % seines Einsatzes zurückbekommen. Aber bei jedem Spiel besteht mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit, sehr viel zu gewinnen. Hier wird der kleine, verkraftbare Verlust unterbewertet und aus der Hoffnung heraus zu gewinnen eine voraussichtlich verlustbehaftete Investition getätigt.
Diese Form der Risikofreudigkeit ist überwiegend bei kleinen zu verlierenden Summen anzutreffen. Wäre der Einsatz so hoch, dass dessen Verlust reale Nutzeneinbußen mit sich bringen würde, würden risikoärmere Investitionsmöglichkeiten gesucht werden.
Investitionen mit hohen Zinserträgen sind entweder so, dass das Geld für eine lange Dauer festgesetzt ist oder aber, dass ein hohes Risiko besteht, seine Anlage zu verlieren. Der Rückschluss ist in einer freien Marktwirtschaft durchaus zutreffend.
3.10. Reboundeffekt
Der sogenannte Reboundeffekt meint hier all jene Effekte, die dafür sorgen, dass die Ersparungen letztendlich geringer sind, als durch eine Sparmaßnahme hätten erzielt werden sollen. Im schlimmsten Fall führt eine Maßnahme zur Energieeinsparung dazu, dass mehr Energie verbraucht wird als zuvor. In diesem Fall wird von „Back Fire“ gesprochen.
Diese Effekte können auf ganz unterschiedliche Weise wirken.
Ein einfaches Beispiel ist, dass durch effizientere Lichtquellen die Stromkosten für die Beleuchtung sinken. Dabei kann es dann durchaus sein, dass mehr Leuchten installiert werden, zum Beispiel wird die Lichtintensität in den Räumen erhöht, Gartenbeleuchtung installiert, oder die Leuchten werden schlicht länger brennen gelassen, weil sie nicht nach dem Verlassen des Raumes ausgeschaltet werden.
Effizienzsteigerung begünstigt im Allgemeinen Reboundeffekte. Aus diesem Grund steht diese im Verruf, keinen nennenswerten Beitrag zur Energieeinsparung leisten zu können.
3.11. Bilanzgrenzen
Soll ein Verfahren bezüglich seiner Umweltwirkung und/oder seiner Wirtschaftlichkeit geprüft werden, wird oft der Fehler begangen, dass die Bilanzgrenze zu eng um das Verfahren gelegt wird.
In einem solchen Fall treten Stoff- oder Energieströme aus den Bilanzgrenzen, die nicht direkt einen Endnutzen generieren und dann leichtgläubig und allzu oft fahrlässig Gutschriften oder anderweitig Wertigkeit erhalten, nur weil sie in einem anderen Prozess „benötigt“ oder aber „verwendet“ werden können. Wobei hier bereits ein entscheidender Unterschied zwischen den beiden Begriffen „benötigt“ und „verwendet“ festzustellen ist. Ein solches Beispiel ist in Grafik 3-5 zu finden. Hier führt eine zu enge Bilanzgrenze um den Prozess A dazu, dass die beiden Zwischenprodukte 1 und 2 einen fiktiven Wert erhalten müssen.
Durch die Gefahr einer subjektiven Wertigkeit von Zwischenströmen müssen die Bilanzgrenzen stets so weit gefasst sein, dass keine Zwischenströme zu anderen Prozessen außerhalb der Bilanzgrenze geführt und als wertig betrachtet werden. Alle Stoff- und Energieströme innerhalb der Bilanzgrenzen fließen nicht mit in die Bilanzierung ein.
Gutschriftverfahren sind vergleichsweise einfach und willkürlich einsetzbar, können aber für eine objektive Beurteilung nicht die übergeordnete Bilanzierung ersetzen.
Darstellung 3-2: Darstellung von geeigneten und ungeeigneten Bilanzgrenzen
3.12. Bauherrenproblem
Beim Bauherrenproblem ist der Effekt ähnlich wie bei den externen Kosten, wenngleich die Situation einfacher zu erfassen ist. Er tritt überall dort auf, wo der Bauherr nicht auch anschließend der Nutzer ist.
Mit dem Bauherrenproblem ist der Umstand gemeint, dass der Bauherr die Nutzungs- beziehungsweise Betriebskosten nicht tragen muss und diese somit in seiner Optimierung nicht in vollem Maße berücksichtigt.
Für ihn zählt folgende Gewinnfunktion:
Gewinn = Verkaufserlös - Investition
Somit ist sein Interesse groß, die Investitionskosten zu minimieren und in vielen Fällen allgemeine Mindestanforderungen zu erfüllen, mit der Nebenbedingung, dass keine offensichtlichen Mängel auftreten, die den Verkaufserlös senken. Das heißt insbesondere optische Qualitäten sind entscheidend und der Bauherr ist nur dann bereit in Maßnahmen zu investieren, die die Betriebskosten senken, wenn sich die Senkung der Betriebskosten entsprechend kommunizieren und vermarkten lässt.
Gewinn = + Verkaufserlös - Investition
+ Mehrerlös durch Betriebskostensenkung
- Zusatzkosten für betriebskostensenkende Maßnahmen
Für einen Bauherrn, der selbst die Immobilien nutzen wird, sieht die Gewinnfunktion anders aus. Für ihn gilt:
Gewinn = - Investition
- ∑ Betriebskosten
Er würde die Betriebskosten soweit und mit so viel Investitionsaufwand minimieren, wie es für ihn mit seiner Zeitpräferenz ökonomisch optimal erscheint. Nehmen wir an, dieses würde in diesem Fall eine Mehrinvestition von 50 000 € bedeuten.
Das bedeutet, dass wenn der Bauherr, der das Gebäude nur bauen und verkaufen möchte, diese Mehrinvestition tätigen würde, müssten für ihn Mehrerlöse von eben dieser Summe zu erzielen sein inklusive einem Zuschlag, weil er auch auf dieser Summe einen Gewinn erzielen wollen würde. Dies ist aber nicht realistisch, weil ein Käufer der erzählt bekommt, dass er in 15 Jahren 50 000 € an Betriebskosten einsparen kann, wird nicht bereit sein so viel zu bezahlen, weil die kommunizierten Einsparungen mit starken Unsicherheiten behaftet sind. Weil der Bauherr eben dies auch weiß, wird er die Mehrinvestition in die Betriebskostensenkung nicht tätigen, weil für ihn die Mehrerlöse mit starken Unsicherheiten (Risiko) behaftet sind und er, damit er dieses Risiko übernimmt, einen Risikozuschlag erhalten müsste, um das Geschäftsrisiko einzugehen. In einem solchen Fall wäre aber auch der Kauf für den Endnutzer nicht mehr kostendeckend und er würde vom Kauf absehen.
Also stellt das Bauherrenproblem die Tatsache dar, dass ein Bauherr der nicht anschließend Nutzer ist, die Betriebskosten nicht gesamtoptimal senkt, so wie es ein Bauherr zu tun bereit wäre, der anschließend auch der Nutzer ist.
3.13. Logische Verknüpfungen
Ein gern begangener Fehler besteht darin, dass vorhandene Schlussfolgerungen durch leichtfertige Umkehrschlüsse zu falschen Argumentationen führen können.
So gilt für A bedingt B nicht zwangsläufig B bedingt A:
A ⇒ B ≠ B ⇒ A
Dazu ein Beispiel.
Wenn Schnee liegt, ist es kalt.
Aber der Umkehrschluss „wenn es kalt ist, liegt Schnee“ ist falsch.
Nicht immer lassen sich fehlerhafte Umkehrschlüsse so leicht auffinden. Deshalb sollte bei jeder Zielsetzung einer Parameteroptimierung überprüft werden, ob für den optimierten Parameter gilt
1) der Zielwert lässt sich in der gewünschten Weise durch den Parameter beeinflussen (A ⇒ B)
2) eine Beeinflussung dieses Parameters beeinflusst den Zielwert in der gewünschten Weise (B ⇒ A)
Ist die zweite Bedingung nicht erfüllt, darf der Parameter nicht ohne zielwertorientierte Nebenbedingungen optimiert werden. Im Kapitel zum Thema Energiesparen wird die Gefahr einer unbewussten Verwendung des Umkehr(trug)schlusses verdeutlicht.
3.14. Steuerelemente des Staates
Ich habe im Abschnitt über externe Kosten und Nutzen argumentiert, dass es die Aufgabe des Staates ist, das Gemeinwohl seiner Bürger zu maximieren und durch seine Tätigkeit die Interessen abzudecken, die nicht abgedeckt wären, wenn jeder auf sich orientiert egoistisch handeln würde. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass in einer gemeinschaftlich handelnden Gesellschaft mit altruistisch handelnden Individuen der Staat überflüssig wäre – und nur in einer solchen.
Wenn es um individuelle Nutzen geht, die geschützt werden sollen, ohne dass ein anderer seinen Nutzen auf deren Kosten maximieren darf, dann sind Gebote, Verbote oder Grenzwerte das geeignete Mittel um diese grundlegenden Nutzen zu schützen.
So ist Mord verboten, weil der individuelle Nutzen der verbleibenden Lebensjahre des potenziell Ermordeten unantastbar sein soll. Ebenso ist es mit Nutzen, die auf der Gesundheit oder der Menschenwürde basieren.
Steuern und Abgaben dienen der Finanzierung von gemeinnützlichen Investitionen und Deckung der Eigenkosten des Staates. Diese Steuern und Abgaben können aber ebenso gut verwendet werden, um externe Kosten in das Entscheidungskalkül von Individuen und Unternehmen zu integrieren.
Subventionen sollen im Prinzip externe Nutzen internalisieren. Unglücklicherweise werden diese vorrangig eingesetzt um Ineffizienzen zu kaschieren, und somit zu unterstützen. Und sie werden missbraucht, um Probleme nicht lösen zu müssen und dafür zu sorgen, dass die Entscheidungsträger wiedergewählt werden und ihre eigene Macht konservieren.
3.15. Funktionsfähige Märkte
Funktionsfähige Märkte zeichnen sich dadurch aus, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt und umgekehrt, aber ohne, dass eine Partei, ein Unternehmen willkürlich Preispolitik, wie zum Beispiel bei Monopolstellung oder Bildung von Kartellen, ausüben kann, oder die anderen Marktteilnehmer in besonderem Maße beeinflussen kann.
Der Preis spiegelt dabei die Schnittstelle der Angebot- und Nachfragekurve wieder, wie in Grafik 3-6 zu erkennen ist. Die Nachfragekurve gibt das Verhältnis zwischen Preis und gewünschter Menge wieder. Für einen hohen Preis sind nur wenige Kunden bereit den Artikel oder die Dienstleistung zu kaufen. Je geringer der Preis ist, umso höher steigt die nachgefragte Menge. Wobei der Preis, den ein Kunde bereit ist zu zahlen, jenen Nutzen repräsentiert, den er sich von dem Kauf verspricht.
Dem gegenüber kann der Produzent entscheiden, wie viel er von seinem Produkt verkaufen möchte. Dabei steigert er so lange seinen unternehmerischen Gewinn, wie er Einheiten veräußert, die mehr Einnahmen generieren als deren marginale Kosten sind. Das bedeutet, dass die letzte Einheit, die ein Produzent dauerhaft bereit wäre zu verkaufen, einen Gewinn von 0 erzielen würde. Weniger würde er nicht verkaufen, auch nicht in der Hoffnung, dass der Preis steigt, weil jede Einheit, die er nicht verkauft, verkauft ein Mitbewerber. Er selbst kann weder den Markt noch den Produktpreis beeinflussen.
Möchte er auf Dauer mehr verkaufen, muss er versuchen, seine Kosten zu reduzieren. Somit stellen funktionsfähige Märkte einen starken Anreiz dar, kostengünstig und dadurch effizient zu produzieren. Unternehmen, die Ressourcen verschwenden würden nicht bestehen können.
Deshalb ist es gefährlich, wenn durch Subventionen die Nachfrage und somit der Preis hochgehalten werden. In einem auf solche Weise verzerrten Markt werden Ineffizienzen viel weniger stark bestraft. Als Folge ist auch der Innovationsanreiz merklich geringer.
Grafik 3-5: Bildung des Marktpreises bei vollständiger Konkurrenz
Die hier angenommene steigende Grenzkostenfunktion stellt den Normalfall dar. Allerdings gibt es Märkte, zum Beispiel Gütertransport, die sinkende Grenzkosten aufweisen, zum Beispiel höhere Auslastung der LKW oder Skaleneffekte. In einem solchen Fall neigt der Markt zu einer Monopolbildung, da das Unternehmen die geringsten Kosten aufweist, welches die größte Menge verkauft. Kleine Mitbewerber werden aus dem Markt gedrängt, weil sie nicht zu den gleichen Kosten produzieren können.
Generell kann Folgendes gesagt werden.
In funktionsfähigen Märkten mit vollständiger Konkurrenz ist die Produktion kosteneffizient, weil jedes Unternehmen sich daran ausrichtet, dass die Grenzkosten der letzten produzierten Einheit, dem Grenznutzen der letzten konsumierten Einheit entsprechen.
Subventionen, Monopolstellungen und andere Arten der Marktverzerrung unterstützen Ineffizienzen und senken den Innovationsanreiz.
In funktionsfähigen Märkten ist die Wohlfahrt17 maximal:
Wohlfahrt = ∑ Zahlungsbereitschaft der Käufer
–∑ Produktionskosten der verkauften Einheiten
3.16. Bruttoinlandsprodukt
Das Bruttoinlandsprodukt ist eine Kenngröße unseres rein ökonomischen Wirtschaftssystems. Es misst, wie viel Geld aktiv im Umlauf ist, also welche monetären Ausgaben getätigt werden. Dabei wird kein Unterschied gemacht, wofür es verwendet wird. Wenn das BIP also als Angabe für die Konjunktur dient, mag es gerechtfertigt erscheinen. Soll jedoch das BIP als Grundlage für die Angabe des gesellschaftlichen Wohlstandes herangezogen werden, fängt es an, gefährlich zu werden, denn es misst rein monetäre Ströme und ermittelt in keiner Weise den Nutzen. Dazu ein Zitat von Oskar Wilde. „Ein Zyniker ist ein Mensch, der von jedem Ding den Preis und von keinem den Wert kennt.“
In diesem Sinne grenzt es auch an Zynismus, von dem BIP als Indikator des gesellschaftlichen Wohlstandes zu sprechen.
Wer am BIP festhält, um gesellschaftlichen Nutzen zu schützen, der fordert unterschwellig „der Mensch darf arm sein, aber er sollte wenigstens Geld haben.“
Betrachten wir deshalb unterschiedliche Fälle und ihre Auswirkungen auf das BIP:
1) Eine Frau geht zum Friseur und zahlt 50 € für die Dienstleistung. Der Frau ist der erhaltene Nutzen 50 € wert, ansonsten würde sie nicht zum Friseur gehen. Gleichzeitig wurde das BIP um 50 € erhöht.
2) Die Frau vom Friseur bekommt abends zu Hause ihre Haare geschnitten. Es entsteht bei der Frau ein gewisser Nutzen, der das BIP nicht verändert.
3) Eine Familie geht in einen Unterhaltungspark und zieht daraus einen Nutzen aus den Erlebnissen und steigert gleichzeitig das BIP.
4) Eine Familie bereitet sich einen Picknickkorb zu und verbringt ein Wochenende in einer verlassenen Jagdhütte im Wald und vergnügt sich mit spielen und Abenteuergeschichten. Es entsteht wiederum ein Nutzen, der aber nicht im BIP wiederzufinden ist.
5) Der Hausmann oder die Hausfrau arbeitet im Haushalt und erzieht die Kinder. Daraus resultiert für die Familie und auch für die Gesellschaft ein Nutzen. Das BIP wird dadurch aber nicht gesteigert.
6) Nach einem Autounfall sind drei beteiligte Autos Schrott. Ein Fahrer hat sich einen Arm gebrochen. Ein Zweiter hat eine Rippe gebrochen und muss 3 Wochen im Krankenhaus liegen. Im Nachhinein ist kein Nutzen entstanden, um genau zu sein, ist ein Schaden entstanden. Die Ärzte und Krankenhäuser werden Rechnungen schreiben, die Autohändler werden drei neue Autos verkaufen und das BIP massiv steigern.
Grundsätzlich ist eine Maximalsteigerung des BIP dadurch möglich, dass ein Krieg sämtliche Gegenstände zerstört, und die Menschen zu mehr oder minder verletzten Kriegsgeschädigten macht.
3.17. Unternehmensethik
Unternehmen sind im Prinzip Untergruppen der Gesellschaft, bei denen im Kollektiv arbeitende Menschen ein gemeinsames Ziel verfolgen und durch die Zusammenarbeit effektiver arbeiten, als wenn sie alleine wären. Dies ist möglich, weil sich Fähigkeiten ergänzen und in vielen Fällen Produkte und Dienstleistungen erst durch diese Zusammenarbeit realisierbar werden. Zum Beispiel wäre es nicht möglich, dass ein Mensch eine Turbine entwickelt, die Aerodynamik optimiert und dann ein ganzes Flugzeug selbst zusammenbaut, lackiert und ausliefert und es gewinnbringend am Markt verkauft.
Dabei gibt es zwei grundlegende Unternehmensstrukturen und Philosophien, die in ihrer reinsten Form aber beide sehr selten vorkommen dürften.
1) rein gewinnorientierter Kapitalgeber:
Es wird nur der Nutzen der Kapitalgeber maximiert. Der Nutzen der Belegschaft ist unwichtig. Es wird monetär so wenig entlohnt wie möglich. Umweltauflagen werden in den kontrollierten Bereichen minimal erfüllt und in nicht kontrollierten Bereichen wenig bis gar nicht beachtet.
So verlagern große Firmen ihre Produktion immer mehr in Schwellenländer, wo sie wenige bis gar keine Auflagen erfüllen müssen. Dies führt nicht nur zur Ausbeutung der Natur, sondern ebenfalls zur Ausbeutung der dort lebenden Menschen.
2) gesellschaftlich denkendes Unternehmen
Moralische Größen werden als wichtig erachtet, gesellschaftliche und gesetzliche Normen und Mindestanforderungen werden erfüllt oder übertroffen. Es ist der Geschäftsleitung wichtig, dass sich die Mitarbeiter mit dem Unternehmen identifizieren können und einen nicht monetären Nutzen daraus ziehen, dass sie in dem Unternehmen arbeiten. Zum Beispiel dadurch, dass sie stolz sind, dort zu arbeiten und sie ihre Arbeit als einen gesellschaftlichen Mehrwert betrachten können und ein gewisses positives Ansehen in der Öffentlichkeit genießen können. In einem solchen Unternehmen herrscht im Allgemeinen ein verantwortungsbewusstes Wir-Gefühl.
Für beide Formen gibt es Einschränkungen bzw. Voraussetzung, die diese begünstigen oder verhindern können. Die erste Form, die sich auf eine Kapitalmaximierung beschränkt, betrachtet die Mitarbeiter als einen Kostenfaktor und versucht diese monetär und nicht monetär auszubeuten. In einem solchen Unternehmen würde niemand arbeiten, wenn ihm oder ihr ein Arbeitsplatz in einem anders handelnden Unternehmen mit gleichem oder geringfügig geringerem Gehalt zur Verfügung stünde. Also ist diese erste Form der Unternehmensphilosophie von einer Knappheit an Arbeitsplätzen abhängig.
Die zweite Form, die gesellschaftlich denkende und handelnde Unternehmenskultur, muss sich selbst finanzieren können und kann somit nicht die ökonomischen Gesetze außer Acht lassen. Ihre Handlungen sollen zwar nicht den Gewinn rücksichtslos maximieren, aber dennoch muss langfristig ein Gewinn erzielt werden, um das Überleben des Unternehmens sicherzustellen. Der Gewinn ist hier nicht Ziel, sondern als Unternehmensvoraussetzung definiert. Weil von einem solchen Unternehmen auch die externen Kosten und Nutzen mit berücksichtigt werden, ist es unmöglich kurz- und mittelfristig kostengünstiger zu produzieren als Unternehmen, die rein oder vorwiegend gewinnmaximierend denken.
Somit wird durch gewinnmaximierende und kostengünstiger anbietende Unternehmen die Existenz der gesellschaftlich orientierten Unternehmen bedroht. Deshalb sind zwei Voraussetzungen für ein gesellschaftlich orientiertes Unternehmen wichtig.
Die Rahmenverordnung muss alle jene Elemente verbieten, die hohe externe Kosten verursachen, zum Beispiel Vergiftung von Luft, Wasser und Erde, Verstoß gegen Menschenrechte, Menschenwürde und Ähnliches. Aber gleichzeitig muss es auch eine Möglichkeit geben, etwaige Verstöße wahrzunehmen und zu bestrafen. Ansonsten ist die Rahmenverordnung wirkungslos. Dadurch wird erreicht, dass rein gewinnmaximierende Unternehmen durch ihre rücksichtlose Handlungsweise weniger stark die Existenzgrundlage von gesellschaftlich orientierten Unternehmen gefährden können.
Die Unternehmensethik sieht darüber hinaus vor, dass in den Bereichen, in denen die Rahmenverordnung nicht ausgeprägt genug ist, um die externen Kosten oder moralischen Werte der Gesellschaft zu berücksichtigen, die Verantwortung moralisch zu handeln an die Unternehmen zurückfällt und es nicht ausreicht, sich auf die Rahmenverordnung zu berufen.
Wenn dieser moralischen Verantwortung nachgegangen wird, fallen Mehrkosten an, die teilweise durch einen höheren, am Markt erzielbaren, Preis erwirtschaftet werden können sollte. Aus diesem Grund ist es wichtig, gesellschaftlich orientierte Unternehmen am Markt durch den Kauf deren Produkte zu belohnen, anstelle kostengünstiger Konkurrenzprodukte von unmoralischen Unternehmen zu erwerben. Ohne eine solche moralische Verantwortung der Kunden ist Unternehmensethik nur schwierig umzusetzen. Wohin gegen die moralische Kaufentscheidung einen hohen Informations- und Vertrauensbedarf aufweist. Fehlen auf Seiten der Unternehmen und der Kunden solche Ansätze endet dies in einem Teufelskreis, der nur schwer durchbrochen werden kann.
Damit dies aber möglich ist, muss der oftmals nicht messbare (weil subjektive) Mehrwert des Produktes anderweitig kommuniziert werden können als ausschließlich durch das Produkt selbst. So sieht man beispielsweise einem Kosmetikartikel nicht an, ob für dessen Entwicklung Tiere gequält worden sind. Es ist aber wichtig, dass die übernommene gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens wahrgenommen wird, was letztlich meist nur durch vertrauensbildende Maßnahmen ermöglicht werden kann. Zum Beispiel durch Offenlegung der Produktherkunft, Produktinhaltstoffe oder aber zufriedene Mitarbeiter, die die übernommene gesellschaftliche Verantwortung selbst mittragen und spüren, dass diese von der Geschäftsleitung vorgelebt wird.
Damit Unternehmensethik innerhalb von Unternehmen berücksichtigt werden kann, braucht es eine starke Rahmenverordnung mit ausgeprägter Strafverfolgung und öffentliche Wahrnehmbarkeit der durch die Unternehmen übernommenen Verantwortung, sowie letztendlich eine Honorierung der unternehmerischen Bemühungen durch den Kunden, beziehungsweise Boykott von Produkten von Unternehmen, die gegen die Unternehmensethik verstoßen.
3.18. Merit-Order und Merit-Order-Effekt
Merit-Order bezeichnet bei der Stromproduktion, dass die Kraftwerke in der steigenden Reihenfolge ihrer Grenzkosten (marginale Kosten) produzieren, sodass das letzte zugeschaltete Kraftwerk jenes mit den höchsten variablen Kosten ist und bei einer Preissenkung des Strompreises, als Erstes abgeschaltet wird oder werden sollte.
Dies trifft bei hohen Preisen zu, da hier Gaskraftwerke mit ihren hohen variablen Kosten schnell an- beziehungsweise abgeschaltet werden können. Bei stark schwankenden, und insbesondere bei niedrigen Preisen ist dies oft nicht möglich, weil Kohle- und Kernkraftwerke nicht schnell genug angefahren beziehungsweise abgeschaltet werden können.
Die Angebotskurve der Produzenten resultiert also aus den jeweiligen Anlagekapazitäten und den Grenzkosten der Kraftwerke. Die Nachfragemenge ist ihrerseits auch in gewissem Maße vom Preis abhängig, wird aber zu einem großen Teil von dem derzeitigen Verbrauch der Konsumenten bestimmt. Der an der Börse erzielte Preis der elektrischen Energie resultiert aus dem Schnittpunkt aus Angebot- und Nachfragekurve. Und so gilt auch, dass die Grenzkosten dem Grenznutzen des Strompreises entsprechen und somit gleich hoch sind und die Bedingung der Kosteneffizienz innerhalb der Bilanzgrenze von Stromproduzenten und Stromlieferanten im Idealfall erfüllen. Den Nutzen, den die Stromlieferanten aus dem Kauf des elektrischen Stroms erzielen, ist der, dass sie die Versorgungsgarantie ihren Kunden gegenüber erfüllen. Die Stromlieferanten müssen aus diesem vertraglichen Grund auch dann Strom einkaufen, wenn er zeitweise sehr teuer ist. Innerhalb der Bilanzgrenze von Stromproduktion und Stromkonsum ist die Bedingung der Kosteneffizienz jedoch nicht erfüllt, weil der Nutzen des Kunden nicht dem Preis der sehr teuer eingekauften kWh entsprechen muss. Damit der Nutzer sich entscheidet, elektrische Energie zu konsumieren, muss sein erwarteter Nutzen höher sein, als der durchschnittliche Strompreis, den er von dem Stromlieferanten erhält. Somit ist der Nutzen des Konsumenten nicht mehr von den zeitweisen Produktionskosten der Kraftwerke abhängig und Grenznutzen und Grenzkosten sind nicht und wenn dann rein zufällig identisch.
Der Merit-Order-Effekt bezeichnet das Verdrängen von Kraftwerken mit teureren Grenzkosten durch jene Kraftwerke, die geringere Grenzkosten aufweisen. Diese sind zum einen jene Kraftwerke, die sehr geringe variable Kosten aufweisen (Wind- und Solarenergie) oder jene Kraftwerke (Biogasanlagen, BHKW), die durch Subventionen von den Marktreizen entkoppelt sind und somit unabhängig von den Grenzerlösen auf der Börse elektrischen Strom produzieren und den Strompreis dadurch senken.