Das Gemeindekind
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Marie von Ebner-Eschenbach. Das Gemeindekind
Das Gemeindekind
Inhalt
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[257]Zu dieser Ausgabe
[259]Nachwort. 1
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Fußnoten
Hinweise zur E-Book-Ausgabe
Отрывок из книги
Marie von Ebner-Eschenbach
Nachwort von Karlheinz Rossbacher
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Die Hutweide lag in einer Niederung vor dem Dorfe, nicht weit vom Kirchhof, der ein längliches Viereck bildete und sich, von einer hohen weißgetünchten Mauer umgeben, ins Feld hineinstreckte. Es war eine Nacht, so lau wie im Sommer; in unbestrittenem Glanz leuchtete der Mond, [54]und die von seinem Licht übergossene Wiese glich einem ruhigen Wasserspiegel. Still weideten die Pferde. Pavel hatte sich in seiner Wächterhütte ausgestreckt, die Arme auf den Boden, das Gesicht auf die Hände gestemmt, und beobachtete seine Schutzbefohlenen. Die Fuchsstute des Bürgermeisters, die weißmähnige, war früher sein Liebling gewesen; seitdem er aber den Sohn des Bürgermeisters hasste, hasste er auch dessen Fuchsstute. Sie kam, auf alte Freundschaft bauend, zutraulich daher, beschnupperte ihn und blies ihn an mit ihrem warmen Atem. Ein Fluch, ein derber Faustschlag auf die Nase war der Dank, den ihre Liebkosung ihr eintrug. Sie wich zurück, mehr verwundert als erschrocken, und Pavel drohte ihr nach. Er hätte alles von der Welt vertilgen mögen, was mit seinem Nebenbuhler in Zusammenhang stand. Das Versprechen der Vinska flößte ihm kein Vertrauen ein; es war viel zu rasch gegeben worden, viel zu sehr in der Weise, in welcher man ein ungestümes Kind beschwichtigt.
Sie will kein Geschrei, kein Aufsehen; sie tut ja seit einiger Zeit so ehrbar, hat ihr früheres übermütiges Wesen, ihre Gleichgültigkeit gegen die Meinung der Leute abgelegt. Die Angst und Hast, mit der sie ausgerufen hatte: »Es soll nicht heißen, dass zu uns Briefe kommen aus dem Zuchthaus«, klang dem Pavel noch im Ohr. Er meinte, das Blatt an seiner Brust brenne; er griff danach und zerknüllte es in der geballten Faust. Was brauchte sie ihm aber auch zu schreiben, die Mutter? Hatte sie noch nicht Schande genug über ihn gebracht? Sie stand zwischen ihm und allen andern Menschen. Zwischen ihn und die Vinska, die so viel bei ihm galt, sollte sie ihm nicht treten … In seinem tiefsten Innern glaubte, ja wusste er: Seine Mutter hat das nicht getan, [55]dessen man sie beschuldigt, und dennoch trieb ihn ein dunkler Instinkt, sich selbst zu überreden: Es kann wohl sein … Und aus dem schwankenden Zweifel wuchs ein fester Entschluss hervor: Ich will nichts mehr mit ihr zu tun haben. Ihren Brief zerriss er in Fetzen. Auf dem letzten, den er in der Hand behielt, waren noch die Worte zu lesen: »Deine Mutter die ärmste auf der Welt …« Das bist du, musste er doch etwas wehmütig berührt zugestehen, das bist du von jeher gewesen … Ihre große Gestalt tauchte vor ihm auf in ihrem Ernst, in ihrer Schweigsamkeit. Abends erliegend unter der Last der Arbeit, der Not, der Misshandlung, am Morgen wieder rastlos am Werke. Er sah sich als Kind an ihrer Seite, von ihrem Beispiel angeeifert, schon fast so still und so vertraut mit der Mühsal wie sie. Er erinnerte sich mancher derben Zurechtweisung, die er durch seine Mutter erfahren, und keiner einzigen Äußerung ihrer Zärtlichkeit … vieler jedoch ihrer stummen Fürsorge, ganz besonders der alltäglich vorgenommenen ungleichen Teilung des Brotes. Ein großes Stück für jedes Kind, ein kleines für sie selbst …
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