Vom Essen und Lieben
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Marita Brenken. Vom Essen und Lieben
Viehfuß-Uphoff
Ruth
Blaszczykowski
Tante Isi und Röschen
Liselotte
Wenzel
Belinda el Anmar
Pulina
Impressum
Отрывок из книги
Titel
Viehfuß-Uphoff
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Ich bin der Meinung, die Mädels werden viel zu sehr verwöhnt. Die können sich ihre Nudeln doch mal selber kochen. Oder die Tiefkühlpommes in den Backofen schmeißen. Aber nein, Nele will wenigstens eine gute Mutter sein, wenn sie schon keine gute Ehefrau mehr ist.
Also gut, das ist das Schlafzimmer. Das Wohnzimmer habe ich fast so gelassen, wie es war, mit der karierten Eckcouch, dem flachen dreieckigen Tisch davor, mit den vielen kleinen Klemmlampen an den Bücherregalen, die sich durch den Raum ziehen, und mit den Eiern auf den Fensterbänken. Ja, Eier, das klingt komisch. Ich bin immer sehr vorsichtig, wenn ich die zarten Eier abstaube. Sie sind das Vermächtnis meiner Mutter. Es war zuerst eine Spinnerei, dann war es eine Sucht. Meine Mutter bemalte ausgeblasene Hühnereier mit Miniaturen großer Meisterwerke. Sie malte van Gogh in klein, genauso wie Klimt, Chagall, Matisse und Tintoretto. Es dauerte ewig, bis so ein Ei fertig war. Sie malte mit Lupe und rauchte dabei etliche Zigaretten. Am Ende wurden die Eier versiegelt und bekamen einen kleinen hölzernen Eierbecher, der aussah wie ein Dreifuß, der auf dem Kopf steht. So landeten diese Kunstwerke auf unseren Fensterbänken. Aber nicht nur. Der ganze Viehfuß-Uphoff- Clan litt unter einer Eierplage. Meine Mutter versorgte alle mit ihren bemalten Eiern. Nicht mit den großen Kunstwerken, aber mit kleinen, einfachen Bildchen, oder mit vielfältigen Mustern und Ornamenten. Sie malte Weihnachtsmänner, Osterhasen, Schmetterlinge, Blumen und Gartenzwerge. Mutter verschenkte ihre Eier zu jeder Gelegenheit und zu jedem Fest, sie verkaufte sie auf dem Weihnachtsmarkt und auf dem Trödel. Aber noch mehr als der Viehfuß-Uphoff -Clan litten ich und mein Vater. Jeden Sonntagmorgen mussten wir zehn glatte, schneeweiße, wohlgeformte Eier für meine Mutter ausblasen, und wehe es ging eines davon kaputt. Zum Frühstück gab es dann Kaffee, Toastbrot und Ei. Es gab Rührei mit Schnittlauch oder mit Pilzen, es gab italienische Frittata mit Kräutern oder Zucchini, oder es gab Eierkuchen mit Nutella und Marmelade. Als ich fünfzehn war, gewöhnte ich mir an, sonntags erst im Morgengrauen von meinen Kneipentouren oder von meinen Freundinnen nach Hause zu kommen. Ich polterte laut die Treppen hinauf, und schlug meine Zimmertür zu, so dass ich sicher sein konnte, dass meine Mutter erwachte und mich hörte. So konnte ich bis zum Mittagessen schlafen und entging dem Eierausblasen und den Frühstückseiern. Meine Mutter hat mir durch ihre Verrücktheit den Genuss eines Frühstückseies gründlich vermasselt. Ich esse keine Eier. Schon lange nicht mehr. Nele versteht das nicht. Sie versucht, mir das Eieressen wieder beizubringen. Sie ist hartnäckig und schafft es bestimmt. Sie meint, Eier sind gesund und steigern die Potenz. Aber ich denke, sie kann sich nicht beschweren, auch wenn ich keine Eier esse. Wenn ich Fred und Nele besuche, begegne ich natürlich auch den Eiern meiner Mutter. Sie stehen im Vitrinenschrank und hängen in den Zimmern der Kinder von der Decke herab. Ich bin Patenonkel von den beiden. Ich habe ja keine eigenen Kinder. Und Fred ist mein bester Freund. Noch.
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