Warum ist da etwas, wo doch nichts sein sollte? Warum ist da nichts, wo doch etwas sein sollte? In den letzten, vor seinem Selbstmord geschriebenen Essays begibt sich Mark Fisher auf die Spur zweier eigentümlicher Affekte, dem Seltsamen und dem Gespenstischen. Eng verbunden und doch getrennt, stellen beide das Verhältnis von Innen- und Außenwelt infrage, heften sich an das Eigenartige und Unbekannte, bedrücken, ohne Angst zu erregen, faszinieren und verstören zugleich. Mark Fisher findet das Seltsame und Gespenstische in der unheimlichen Unterströmung des 20. Jahrhunderts: den Filmen David Lynchs, Stanley Kubricks und Andrei Tarkovskys, der phantastischen Literatur H.P. Lovecrafts und H.G. Wells oder den Erzählungen Margaret Atwoods. In den Genres wie Horror und Science Fiction geht Fisher der Frage nach: Was genau ist das Seltsame und das Gespenstische? "Das Buch ist eine Forschungsreise in den Pulp Modernism, jene Formen der Popkultur, in denen sich für Fisher der Erkenntnisreichtum des Hochmodernismus des frühen 20. Jahrhunderts fortsetzt." Christian Werthschulte
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Марк Фишер. Das Seltsame und das Gespenstische
Einleitung. Das Seltsame und das Gespenstische (Jenseits des Unheimlichen)
Aus dem Raum und aus der Zeit: Lovecraft und das Seltsame
Das Seltsame gegen das Weltliche: H.G. Wells
»Der Körper, ein Wust aus Tentakeln«: Das Groteske und Seltsame bei The Fall
Gefangen in den Windungen von Ouroboros: Tim Powers
Simulation und Entweltlichung: Rainer Werner Fassbinder und Philip K. Dick
Vorhänge und Löcher: David Lynch
Annäherungen an das Gespenstische
Etwas, wo nichts sein sollte / Nichts, wo etwas sein sollte: Daphne du Maurier und Christopher Priest
On Vanishing Land: M.R. James und Eno
Gespenstischer Thanatos: Nigel Kneale und Alan Garner
Das Innen nach Außen, das Außen nach Innen: Margaret Atwood und Jonathan Glazer
Spuren der Aliens: Stanley Kubrick, Andrei Tarkovski, Christopher Nolan
»... Es bleibt gespenstisch«: Joan Lindsay
Bibliografie
Gespenster seines Lebens. Mark Fisher. Ein Nachruf von Christian Werthschulte
Отрывок из книги
Mark Fisher
Das Seltsame und das Gespenstische
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Das Gespenstische betrifft die grundlegendsten metaphysischen Fragen, die gestellt werden können, Fragen, die mit Existenz und Nicht-Existenz zu tun haben: Warum ist hier etwas, obwohl da nichts sein sollte? Warum ist da nichts, obwohl da etwas sein sollte? Die blinden Augen der Toten; der verwirrte Blick dessen, der sein Gedächtnis verloren hat – all dies ruft das Gefühl des Gespenstischen hervor, so sehr wie ein verlassenes Dorf oder ein Steinkreis.
Soweit haben wir immer noch den Eindruck, dass das Seltsame und das Gespenstische primär mit dem Beunruhigenden und Furchterregenden zu tun haben. Schließen wir diese einleitenden Bemerkungen mit ein paar Beispielen, wo das Seltsame und das Gespenstische andere Affekte hervorrufen. Moderne und experimentelle Kunst erscheint uns oft als seltsam, wenn wir ihr das erste Mal begegnen. Der Eindruck, dass etwas nicht stimmt, der mit dem Seltsamen einhergeht – die Überzeugung, dass dies nicht dazugehört –, ist oft ein Zeichen, dass wir mit etwas Neuem konfrontiert sind. Hier ist das Seltsame ein Signal, dass die Begriffe und Systeme, die wir früher angewandt haben, nun obsolet sind. Wenn die Begegnung mit dem Eigenartigen hier nicht sofort angenehm ist (da das Angenehme immer auf frühere Formen der Befriedigung verweist), so ist sie doch auch nicht einfach unangenehm: Es liegt einen Genuss darin, Bekanntes und Konventionelles veralten zu sehen – ein Genuss, der, in seiner Mischung aus Lust und Schmerz, etwas mit dem zu tun hat, was Lacan jouissance nannte.