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Mark Terkessidis. Wessen Erinnerung zählt?
Vorwort
Kapitel 1 Auf den Spuren von Kolumbus. Deutsche Kaufleute erobern Amerika
»Entdeckung«: Gewalt und Monolog
Die Bilanz der »Entdeckungen«
Humboldt »entdeckt« Amerika noch mal
Antikolonial auf der Weltkugel sitzen
Deutsche Ansprüche auf Amerika
Deutsche Kolonisten, Händler und Kriegsschiffe in den Tropen
Berlin als tropische Metropole
Große Entdecker im Humboldt-Forum
Vergangenheitsbewältigung im Museum
Die Sammlung des Kolonialmuseums
Nicht unser Kolonialismus
Die Gewalt von Forschungsreisen
Die Diskussion um Rückgabe und Erinnerung
Kapitel 2 Unser Beitrag zur Globalisierung. Die Kanzlerin entdeckt die Globalisierung
Der Kaiser liebt die Muslime
Dschihadisten und Moscheen in Brandenburg
Im humanitären Einsatz, diesmal gegen den Islam
Die Großmächte teilen solidarisch die Welt auf
Das Reich schützt Afrika
Die Kolonisierten wollen nicht beschützt werden
Vernichtung, Umsiedlung, Reform
Wissen im kolonialen System
Neue Selbstwahrnehmungen
Der Traum vom Reich und die ernüchternde Realität
Die deutsche imperiale/koloniale Perspektive
Der Untergang des Abendlandes
Kapitel 3 Die Osterweiterung der Erinnerung »Unser Indien« im Osten
Ist es Kolonialismus?
Preußen »peupliert« den Osten
Die Demokratisierung der Ostkolonien
Jenseits von Polen: Assimilation und Verdrängung
Den Raum germanisieren
Kulturmission und Pessimismus
Ludendorff in Ober Ost
Eingekreist von den »farbigen Völkern«
Völkermord und Vertreibung in Anatolien
»Rassisches« Aufräumen im Osten
Nationale Stereotype oder Kolonialrassismus
Kryptokoloniales Griechenland
Wessen Erbe ist die Antike?
Die Neugriechen: unzuverlässige, barbarische Kinder
Geschichtslosigkeit als Genuss
Schulden und Schuld in postimperialen Beziehungen
Kapitel 4 Erinnerung außer Konkurrenz. Die erweiterte Erinnerung
Erinnerung im Konflikt
Postimperiale Verflechtungen
Kompetitive Erinnerung
Autorität der Erinnerung
Postkolonial, dekolonial, postimperial
Kontrapunktische Herangehensweisen
Rückgabe und darüber hinaus
Die Vertiefung der Demokratie
Verwendete Literatur
Über Mark Terkessidis
Impressum
Отрывок из книги
Mark Terkessidis
Wessen Erinnerung zählt?
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Heute existiert zu vielen Staaten ein Verhältnis, das als postkolonial oder postimperial bezeichnet werden kann. Die Migration aus solchen Staaten hat dazu geführt, dass Erinnerungen aus anderen Kontexten mehr und mehr eine Rolle bei »uns« spielen. In Sachen Kolonialismus waren es häufig – mit Rückenwind aus den Vereinigten Staaten – schwarze Menschen in Deutschland oder »People of Color«, die die jüngsten Debatten angestoßen haben. Zugleich hat die »Flüchtlingskrise« gezeigt, wie sehr der »Export-Europameister« mittendrin in den Konflikten der Welt ist. Die meisten dieser Konflikte sind keineswegs einfach nach Deutschland »importiert« worden, wie oft behauptet wird, sondern »wir« waren an deren Entstehung häufig beteiligt.
Mit der Debatte über die koloniale Vergangenheit geht auch eine Debatte über Rassismus einher. Das haben nicht zuletzt die Reaktionen auf den Hashtag »#MeTwo« 2018 gezeigt. Der war initiiert worden, nachdem der Fußballspieler Mesut Özil dem Deutschen Fußballbund Rassismus vorgeworfen hatte. Unter diesem Hashtag berichteten dann viele Personen über ihre alltäglichen Ausgrenzungserlebnisse. Früher wurde das Wort »Rassismus« in Deutschland ungern verwendet, weil es zu sehr an die Zeit des Nationalsozialismus erinnerte. Doch Begriffe wie »Ausländerfeindlichkeit« oder »Fremdenfeindlichkeit«, die als Behelfskonstruktionen dienten, erscheinen heute kaum noch angemessen. Ich erinnere mich daran, wie ich 2013 von einer Presseagentur zum Thema Rassismus angerufen wurde. Es ging um einen Streit in der FDP, um Bemerkungen des FDP-Fraktionschefs im Bundestag und des Landesvorsitzenden der FDP Hessen über den Parteikollegen Philipp Rösler. Beide hatten die vietnamesische Herkunft Röslers in abwertender Weise ins Spiel gebracht. Nun war die Frage, ob das als Rassismus bezeichnet werden könne. Meine Antwort lautete Ja. Zu jenem Zeitpunkt war Philipp Rösler der deutsche Vizekanzler, und der deutsche Vizekanzler kann per se weder Ausländer noch Fremder sein. Wie also sollte das Phänomen anders bezeichnet werden? Rassismus hat heute nicht mehr zwangsläufig etwas mit Biologie oder »Rasse« zu tun. In diesem Buch wird dafür plädiert, über ein strukturelles Problem zu sprechen, das Rassismus heißt. Imperiale Ausdehnung und Kolonialherrschaft gehören zur Geschichte des Rassismus, und ebenso haben diese historischen Herrschaftsformen immer noch Auswirkungen darauf, wie Rassismus heute funktioniert.
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