Seit 50 Jahren dreht sich nun schon Highway 61 Revisited auf den Plattentellern der Welt, aber Mark Polizzottis Buch zeigt all das auf, was man bisher überhört hat. Mit seinen durchdachten und kompetenten Analysen fasst er das Wissen über das Album zusammen und fügt neue Ideen und Details hinzu. Damit trägt er zu einem tiefen Verständnis darüber bei, wie dieser Meilenstein in der Musikgeschichte entstand. Das Buch bietet eine eigenwillige, fesselnde Einführung und beschert allen Dylan-Fans einige neue Einsichten. Bemerkenswert ist seine Sezierung der musikalischen Schichten eines jeden Songs des Albums und des Beitrags eines jeden Musikers zu den einzelnen Stücken. Aus vielen seiner Beschreibungen von den Entwicklungen der Stücke im Studio gewinnt man ein neues Verständnis von dem, was dort wirklich passierte. Mark Polizottis Stil ist ruhig und einfühlsam, elegant und nie aufgeregt oder marktschreierisch. Man merkt ihm dennoch seine Begeisterung für das Werk an. Ein intelligentes Buch, das einen über die gesamte Lektüre hinweg fesselt.
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Mark Polizzotti. Highway 61 Revisited
1. Die Sprache, die er sprach
2. Dies Lied ist nur ein Riff
3. Du hast vielleicht Nerven
4. Zigeuner-Davy mit dem Schweißbrenner
5. Wenn dein Zug verlorengeht
6. Diese Friedhofs-Frau
7. Konzentriert auf seine Rache
8. Du weißt nicht, was es ist
9. Jemand mit dem du nicht reden brauchst
10. Töte mir einen Sohn
11. Ich glaub, ich hab genug
12. Ansichtskarten vom Lynchmord
Aufnahme-Daten
Ausgewählte Bibliografie und Diskografie
Danksagung
Отрывок из книги
Mark Polizzotti
Highway 61 Revisited
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Es ist ja nicht so, als wären wir nicht gewarnt worden. Bringing It All Back Home, das gerade mal fünf Monate vor Highway 61 veröffentlicht wurde, beginnt mit dem rauhen elektrischen Angriff von »Subterranean Homesick Blues«, dessen Klang und maschinengewehrartiger Vortrag Woody Guthrie mit Chuck Berry verschmilzt. Die A-Seite endet mit »Bob Dylan’s 115th Dream«, einer quäkenden Neufassung früherer Lieder wie dem »Talkin’ World War III Blues«, wo Dylan den Einsatz elektrischer Unterstützung noch dadurch unterstreicht, dass er den Fehlstart wiederholen lässt, den ihn und seinen Produzenten in hysterisches Gelächter ausbrechen lässt, weil die Band nicht rechtzeitig einsetzt. Die B-Seite scheint bei oberflächlicher Betrachtung ein Zugeständnis an die Folkpuristen zu sein, tatsächlich aber zieht »Mr. Tambourine Man« den Sänger textlich auf völlig anderes Terrain, hinein in einen vagen Tanz, der seine Stiefelabsätze weit weg wandern lässt von jenen Sorgen, die Pete Seeger und Co so lieb und teuer sind. »Gates of Eden« und »It’s Alright, Ma«, die in einem einzigen langen Take zusammen aufgenommen wurden, erlauben einen frühen Blick in jene Richtung, in die Dylans verbale Fluchten ihn noch führen werden. Und der letzte Track »It’s All Over Now, Baby Blue« mit seinen triumphierenden Beleidigungen und dem traurig-spöttischen Ton ist mit Ausnahme des Arrangements schon ein klarer Fingerzeig in Richtung »Like a Rolling Stone«, Dylans nächster Veröffentlichung.
Trotz all des fiebrigen Gerassels gelingt es Bringing It All Back Home immer noch, im Wesentlichen wie elektrisierter Folk zu klingen. Dylan ist dafür bekannt, dass er Aufzeichnungen lieber »live« einspielt, was heißt, dass alle Musikern gleichzeitig aufgenommen werden statt im Nachhinein getrennt aufgenommene Tonspuren übereinanderzulegen. Die Songs hören sich trotzdem so an, als wären sie im Wesentlichen Solostücke, auf die dann Instrumentalspuren geschichtet wurden. Die frühe reine Akustik-Aufnahme von »Subterranean Homesick Blues« zum Beispiel klingt überraschenderweise schon fast wie die fertige Aufnahme, wobei der Unterschied weniger in der Abwesenheit von Al Gorgonis Elektrik liegt als daran, dass Dylans Schnellfeuergesang noch nicht perfekt ist.