Ludwig van Beethoven wies einmal einen Musikerkollegen zurecht: «Glaubt er, dass ich an eine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht und ich es aufschreibe?» Doch wie lassen sich Beethovens «Geistesblitze» fassen? Was teilt sich uns heutigen Hörern durch seine Musik eigentlich mit? In seinem letzten Buch spürt Martin Geck (1936–2019) Beethovens Persönlichkeit in dessen Werken (von den Streichquartetten und Klaviersonaten bis zu den großen Sinfonien) nach und findet ein verletzliches wie kämpferisches Ich. Sein Buch ist zugleich ein Appell, persönliche Eindrücke und das Staunen beim Hören von Musik ernstzunehmen. Geck zeigt dabei, wie Assoziationen und biographische Erfahrungen Brücken ins Ungewisse bauen können – und warum wir beim Beethoven-Hören fantasieren dürfen.
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Martin Geck. Beethoven hören
Inhalt
Vorwort
Zeichen und Wunder
»Seine Ichheit auch in der Musik heraustreiben« – Mit der Sturm-Sonate auf »Neuem Weg«
Epiphanie: Das e-Moll-Thema im 1. Satz der Eroica
Plötzlichkeit: Vom Furor des Anfangens in der Fünften
Entzauberung und Illusionsbrechung: die Achte
»Ist da jemand?« Rufe der Sehnsucht in der Klaviersonate op. 110
Tönende Welterkenntnis: die Neunte
Das Ganze ist das Wahre, jedoch in seiner ganzen Zerbrechlichkeit: das Streichquartett a-Moll op. 132
Merkwürdigkeiten einer Durchführung
»Ausbrüche«
»Musica impura« – suchendes Ohr versus forschenden Blick
Wittgensteins »Gebärde«
Beethovens Musik vor dem Horizont elementarer Lebensprozesse
Die Pauke
Wut
Schwellenerfahrung
Beethovens »Neuer Weg«
Epilog
Endnoten
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Martin Geck
Beethoven hören
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Nun kann »Reflexion« vieles bedeuten – etwa auch das Nachdenken über Beethovens Äußerung zur Sturm-Sonate op. 31,2: »Lesen Sie nur Shakespeare’s Sturm!« Man muss diese Worte ja nicht als spöttisches, womöglich genervtes Bonmot abtun; sie verweisen vielmehr – wie vage auch immer – auf einen kunstkritischen Diskurs, der das Werk aufschließt.
Dass sich Komponisten, Philosophen und Dichter – teils selbstbezogen, teils kundig, teils naiv – zur Musik geäußert haben und weiterhin äußern, ist alles in allem ein Geschenk an den Musikdiskurs, macht jedoch Musikanalyse nicht überflüssig: Will man über Musik reden, anstatt sie nur zu hören, so bedarf es eines Korrektivs zum Ausdruck bloßen Fühlens, Erlebens, Assoziierens, Fantasierens. Dieses Korrektiv zeichnet sich immer noch am deutlichsten vor dem Vorstellungshorizont ab, man habe es in der ›klassischen‹ Musik mit Werken zu tun.