Protestantismus in Europa

Protestantismus in Europa
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Der Protestantismus ist nicht nur ein deutsches Phänomen. Über 500 Jahre hinweg haben die evangelischen Kirchen die Geistes- und Religionsgeschichte ganz Europas geprägt. Der bekannte Kirchenhistoriker Martin Greschat beschreibt diese europäische Geschichte, indem er Schlaglichter auf die entscheidenden Epochen der Entwicklung des Protestantismus wirft. Dabei greift er bis weit vor die Reformation aus. Neben Luthers Reformation werden die Aufklärung und die Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts beschrieben. Aber auch politisch wirksame Phänomene wie der protestantische Nationalismus im Deutschen Kaiserreich oder die Ökumene als das große Projekt des Protestantismus im späten 20. Jahrhundert, kommen in den Blick. Ein Ausblick auf die Zukunft des Protestantismus schließt diesen knappen und gut lesbaren Band ab.

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Martin Greschat. Protestantismus in Europa

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Voraussetzungen

2. Grundgegebenheiten Europas

3. Die Reformation

4. Die Aufklärung

5. Erweckungen

6. Nationalismus

7. Die Ökumene

8. „Muss der Protestantismus sterben?“

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Martin Greschat

Protestantismus in Europa

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Seit dem 11. Jahrhundert wuchs in Westeuropa das Drängen breiterer Schichten der Bevölkerung nach Freiheit – was im mittelalterlichen Kontext bedeutete: nach mehr Freiheiten im Sinn von Privilegien.13 Der Aufstieg Einzelner mit ihren Familien aus der Bauernschaft bis in den Adel lässt sich exakt belegen. Freiheiten wurden den Grundherren – wozu selbstverständlich auch die Vertreter der Kirche gehörten – abgetrotzt. So erklärte z. B. der Abt von Ferrières-en-Gâtinais 1185, er befreie „für immer und von jeder Dienstbarkeit alle Leibeigenen, Männer wie Frauen, die jetzt in der Pfarrei St. Eligius und in der Bannmeile von Ferrières leben. […] Sie haben Freiheit, überall hinzugehen, wohin und wann es ihnen gefällt, und über ihren Besitz zu verfügen wie Freie.“14 Freiheit gewann der Bauer, wenn er in Rodungs-und Kolonisationsgebieten siedelte. Die Freiheit des Bürgers gehörte zu den Wesensmerkmalen der aufstrebenden Städte. Und an den aufblühenden Universitäten begegnen wir dem „freien“ Studenten, der also nicht mehr dem Klerikerstand angehören musste. Das alles war, wie gesagt, kein Individualismus im modernen Sinn. Doch es handelte sich dabei um Elemente, welche die Entwicklung in jene Richtung vorantrieben. Eine wesentliche Rolle spielte bei alledem nicht zuletzt der Schöpfungsgedanke und insbesondere die Vorstellung von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen.

Aus dem Beharren auf der Gleichheit aller Menschen vor Gott resultierte freilich keineswegs auch die Gleichheit im irdischen Leben. Doch das Wissen um die Gleichwertigkeit jedes Einzelnen vor Gott verhinderte die Verabsolutierung der stabilen gesellschaftlichen Ordnung in oben und unten, arm und reich, machte sie vielmehr durchsichtig, transparent für die andere, die letztlich gültige Wirklichkeit. Einen Abglanz davon bot die Kirche, genauer gesagt: das Kloster. Denn hier blieben die sozialen Schranken nicht nur prinzipiell durchlässig. Zugespitzt lässt sich ein lang andauernder und komplizierter Prozess so zusammenfassen: Allen Einschränkungen zum Trotz gab es die rechtliche Sicherung des individuellen Eigentums. Und ebenso existierte, ungeachtet erheblicher Begrenzungen, die Möglichkeit der persönlichen Beziehung des Einzelnen zu Gott.

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