Johannas Gerechtigkeit (Rache einer Vergewaltigten)

Johannas Gerechtigkeit (Rache einer Vergewaltigten)
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Johannas wächst die ersten Lebensjahre unbeschwert und unbekümmert auf dem Lande auf, Sie genießt das Leben mit ihrer Familie und den Tieren auf dem heimischen Bauernhof, bis sie eines Tages brutal vergewaltigt wird und ihr Leben seine Unschuld verliert. Niemand erfährt etwas von der schändlichen Tat, denn Johanna frisst alles still in sich hinein. Doch Johannas Wesen verändert sich langsam, -von Monat zu Monat, -von Jahr zu Jahr, während in ihrem Inneren immer wieder der als Kind erlebte Horror abläuft. Irgendwann glaubt sie zu wissen, was ihr Sinn des Lebens ist. Sie will in die Geschichte der Welt eingehen, berühmt sein für alle Zeiten. So plant sie schließlich das schier Unvorstellbare.

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Martin Wischmann. Johannas Gerechtigkeit (Rache einer Vergewaltigten)

05. April 1968

Sommer 1986

Samstag, 21. September 2007

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Johannas Gerechtigkeit

( Rache einer Vergewaltigten )

.....

Es war irgendwann im Herbst 1977, als die neuneinhalbjährige Johanna ein dickes Lexikon aus Vaters Bücherregal nahm und es, mehr oder weniger planlos, durchblätterte. Als sie bemerkte, dass jeweils oben in der Ecke Jahreszahlen verzeichnet waren und darunter im jeweiligen Artikel Geschichten und Geschehnisse des genannten Jahres beschrieben wurden, lockte sie die Neugierde zu dem Jahr 1968, -ihrem Geburtsjahr. Das Kind glaubte insgeheim, dass es etwas über sich selbst in dem Lexikon finden würde. 1966, …1967, und eine Seite weiter das Jahr 1968. Gespannt las Johanna alles was dort über ihr Geburtsjahr geschrieben wurde. Mit den Texten konnte das Kind wenig anfangen. Dort standen Begriffe wie “Prager Frühling“, “Krieg in Vietnam“, “Robert F. Kennedy“ und “Bürgerrechtler King“. Alles Worte und Namen, die Johanna nicht einordnen konnte. Doch da huschte sie auf einmal hoch, denn sie las etwas Bekanntes. Ihr Geburtstag war dort vermerkt, jedoch nicht mit ihrem Namen, aber das Datum 04.April 1968 passte genau auf sie. War an diesem Tag noch etwas geschehen, außer ihrer Geburt, fragte sich Johanna gedanklich. Gespannt las das Mädchen den Text durch: „Bürgerrechtler Martin Luther King von weißem Fanatiker ermordet. Täter James Earl Ray wird zu 99 Jahren Zuchthaus verurteilt.“ Überrascht und nachdenklich nahm Johanna das Buch unter den Arm und ging in die Küche, wo Mama und Vater zusammen Geschirr spülten und abtrockneten. „Mama, Papa“, rief das Kind, während es zur Eckbank ging und das Buch ablegte, „wisst ihr, dass Martin Luther an meinem Geburtstag ermordet wurde? Wer war eigentlich Martin Luther?“ Rudolf drehte sich schmunzelnd um und sagte: „Du meinst wohl Martin Luther King, den Bürgerrechtler aus Amerika?“ Johanna nickte zustimmend. Rudolf trocknete seine Hände ab, ging zu seiner Tochter an den Tisch herüber und nahm dort Platz. Dann fing er zu erzählen an: „Ich weiß es noch wie heute. In den Morgenstunden nach deiner Geburt saßen Opa Karl und ich hier in der Küche, im Radio kam die Todesnachricht über Martin Luther King. Er war ein friedliebender, hochintelligenter Mensch, der von irgendeinem verrückten Irren erschossen wurde. Ich denke, er war ein wirklich guter Mensch. Er wollte vor allem die weniger schlauen und Ungerechtigkeit verbreitenden aufklären und zu besseren Menschen machen, aber sein irrer Mörder hatte etwas dagegen, weil bei vielen dummen Menschen, Gewalt die Stelle im Kopf ausfüllt, die üblicherweise für Intelligenz und Nächstenliebe gedacht ist. Tja, und Martin Luther Kings Todestag ist dein Geburtstag. „Hat das eine Bedeutung mit dem gleichen Tag, …werde ich dadurch besser oder schlechter?“, fragte Johanna, -und bekam von Mutter Marianne, die noch immer am Waschbecken stand, die ernst betonte Antwort: „ Natürlich nicht! Natürlich hat es keine Bedeutung für dich!“ „Egal“, fuhr Johanna fort, „ich merke mir den Namen Martin Luther, …Martin Luther King trotzdem. Vielleicht haben wir das ja mal in der Schule.“ „Gut möglich“, sagte Rudolf, „in dem Lexikon findest du alles Mögliche. Nicht nur über Attentate.“ „Attentate, …was sind Attentate? Hab ich noch nie gehört“, stellte Johanna überrascht in den Raum und ihr Vater antwortete: „Ein Attentat ist ein Anschlag auf eine oder mehrere Personen. Der Täter versucht dabei andere Menschen umzubringen, also zu töten. So wie damals Martin Luther King. Und seinen Mörder, der ihn umbrachte, nennt man Attentäter.“ Johanna nickte verständnisvoll mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. Als sie in der folgenden Nacht wach im Bett lag, zogen vielerlei Szenen an ihrem inneren Auge vorbei. Sie sah in Gedanken ihren dicken, dunkel gekleideten Peiniger und stellte sich vor, dass er der Attentäter von Martin Luther King wäre. In einem anderen Szenario sah sie den dicken Fremden im Wald, und sich selbst mit einer Schusswaffe auf ihn zielend. Dieser Gedanke tat Johanna gut, denn in dieser Vorstellung hatte sie die Macht über den Vergewaltiger. Der weißhäutige, ekelhaft aussehende, nach süßsaurem Schweiß stinkende, fette Mann wurde somit zum Opfer, -sie selbst zum überlegenen, -die Szene kontrollierenden Täter. In der Folgezeit malte sie des Öfteren Bilder mit Opfer -und Tätermotiven. Stets sollte der unbekannte Dicke das Opfer darstellen und die langhaarige Person sie selbst, -als überlegene Täterin. Niemals mehr sah sich Johanna in ihrer Vorstellung als Opfer, doch in ihren Träumen wurde sie oftmals von den Geschehnissen des Sommers 1976 eingeholt, mit all ihren detaillierten Einzelheiten. Das gedankliche Täter- Opfer Spiel wurde für Johanna mit der Zeit dermaßen wichtig, dass sie im Alter von elf Jahren beschloss, ihrem Vater eine Frage zu stellen. Rudolf fuhr, solange sich das Kind erinnern konnte, jeden Donnerstag zum Schießtraining in den Schützenverein. Ob er sie mal mitnehmen würde, fragte sich das Mädchen. Was würde schon passieren können, dachte sich die Tochter und ging somit am nächsten Donnerstag, -als Rudolf sich gerade die Schuhe anzog, zu ihrem Papa und fragte selbstbewusst: „Papa, dürfen auch Kinder im Schützenverein zusehen?“ Die Antwort überraschte sie, denn Papa sagte: „Ja, …das dürfen sie. Sie dürfen zusehen, freilich nur hinter der Absperrung, wegen der Sicherheit. Und bei uns im Verein dürfen Kinder ab vierzehn Jahren selbst schießen. Wir haben drei Jungs im Verein, die üben mit dem Luftgewehr.“ „Luftgewehr, was ist ein Luftgewehr? Hab ich ja noch nie gehört“, stellte Johanna fragend in den Raum. „Ein Luftgewehr ist ein relativ leichtes Gewehr, so zusagen, um in den Schießsport hinein zu kommen, also zum Einsteigen. Ich persönlich schieße mit sogenannten Kleinkaliberwaffen. Mit solchen hat schon Opa geschossen. Er war richtig gut, war sogar mehrmals Schützenkönig“, antwortete Rudolf ausschweifend. Interessiert fragte das Mädchen nach: Wer wird Schützenkönig?“ „Er wird bei Wettkämpfen ermittelt. Der, der am besten schießt wird Schützenkönig. Und das war mehrmals Opa Karl. Er war richtig gut. So gut wie Karl, kann ich nicht schießen, aber ich bin trotzdem zufrieden“, sagte Rudolf mit zufriedenem Gesichtsausdruck. „Nimmst du mich mit in den Schützenverein? Du fährst doch gleich hin“, überrumpelte Johanna förmlich ihren Vater. „Nein, heute nicht, Johanna. Schließlich hast du morgen Schule. Das wird sonst zu spät heute Abend“, entgegnete dieser, fügte jedoch ergänzend hinzu, als er Johannas trauriges Gesicht sah: „Am Wochenende habe ich eine Überraschung für dich, lass dich überraschen.“ Johanna wurde am besagten Samstagmorgen bereits weit vor Sonnenaufgang wach, denn vor lauter Nervosität hatte sie auch in der Nacht kaum geschlafen. Die ganze Zeit, seit Donnerstagabend hatte sich das Kind gefragt, welche Überraschung der Vater wohl hatte. In der Küche am reich gedeckten Frühstückstisch, hielt ihre spannungsgeladene Aufregung unvermindert an, während Marianne und ihr Mann Rudolf in einer Seelenruhe frühstückten und Bruder Dietrich erwartungsvoll nach jedem Bissen in das marmeladebestrichene Brötchen, durch das Küchenfenster hinaus in den Hof blickte. Der Junge wartete gespannt auf seinen Schulkollegen Hans und dessen Vater. Die Zwei Freunde waren begeisterte Fußballer und wollten mit Hans` Vater zu einem etwa fünf Kilometer entfernten Bolzplatz fahren, um mit einigen, weiteren Schulfreunden zu spielen, so wie sie es fast jeden Samstagmorgen gegen neun Uhr taten. Dietrich sprang rasch von der Eckbank auf, als um zehn Minuten vor neun eine unüberhörbare Autohupe erklang. „Tschüss, sie sind da“, sagte der Junge, während er zur Haustüre eilte und kurz darauf auf der Rückbank eines schwarzen italienischen Kleinwagens das Birkenhof Anwesen verließ. Beim Blick auf die Wanduhr sprach Marianne: „Also, auf den Vater von Hans ist immer Verlass, stets pünktlich, so wie es sich gehört“. „Freilich“, bestätigte Rudolf kopfnickend, „scheinbar denkt er wie wir. Wir kennen das Wort Unpünktlichkeit ja auch nicht. Immer fünf Minuten vor dem Termin da sein, …besser zehn Minuten, -das zeichnet einen intelligenten Menschen aus.“ Rudolf wischte sich mit einer Serviette den Mund ab und begann den Frühstückstisch abzuräumen, denn auch Marianne und Johanna waren rundum gesättigt und zufrieden. Dann sagte er zu seiner Tochter: „Johanna, wenn du Mama beim Abtrocknen hilfst, kannst du anschließend hinter die Scheune, zum Holzstapel kommen. Du weißt doch noch, …Überraschung!“ Das Mädchen konnte es kaum erwarten, als es kurz darauf um das Haus herum, Richtung Scheune rannte. „Papa, da bin ich.“, rief es Rudolf zu, der schon neben dem flachen Holzstapel stand. Seine Hände ruhten auf einem kleinen Koffer, der auf dem Stapel lag. „Hier drinnen ist die kleine Überraschung für Dich, die ich versprochen habe“, sagte der Mann mit ruhiger Stimme, „aber es ist kein Geschenk, weil es eigentlich nichts für Kinder ist. Du darfst es nur benutzen, wenn ich dabei bin, okay?“ Johanna nickte verständnisvoll, während ihr Vater mit einer langsamen Bewegung den Deckel des Köfferchens aufklappte. Beim Blick auf den Kofferinhalt rief Johanna mit weit aufgerissenen Augen aus: „Das ist ja eine Pistole, …eine echte Pistole, Papa!“ Rudolf nickte mit ernstem Gesicht, fragte sich aber gleichzeitig gedanklich, ob er mit dieser Überraschung für seine Tochter nicht doch unüberlegt die Büchse der Pandora geöffnet hatte. Doch dann sagte er: „Ja, es ist eine echte Pistole, eine Luftpistole, mit allem was dazu gehört. Reinigungsbürste, spezielles Schmierfett, …Patronen natürlich. Wenn du willst zeige ich dir, wie die Waffe gehandhabt wird.“ „Na klar, will ich“, antwortete Johanna freudig, während Vater die Pistole aus dem Koffer nahm. Er hielt den Griff der Luftpistole mit der einen, -und den fingerdicken Lauf der Waffe mit der anderen Hand fest umschlossen, übte dann einen etwas größeren Druck auf das Gerät aus und klappte sie auf diese Weise, -sehr zum Staunen Johannas, in der Mitte auseinander. „Ich klappe die Pistole auf, um sie mit einer Patrone zu laden“, erklärte Rudolf, „man muss das sehr vorsichtig machen, weil im Inneren der Waffe ein Federmechanismus einen Gegendruck ausübt. Laden muss ich sie deshalb. Für dich ist das am Anfang noch zu gefährlich, Johanna.“ Ferner fuhr Rudolf fort: „Gib mir bitte dort aus der kleinen Dose eine Patrone, aber nur eine.“ Das Mädchen tat, was der Vater ihr sagte und nahm einen der silbrig grau glänzenden Gegenstände aus Metall aus der Dose. „Die ist aber klein, …die Patrone, richtig klein“, stellte das Kind erstaunt fest. „Sieh sie dir genau an“, erklärte Papa, „an einer Seite ist sie offen und an der anderen verschlossen. Die Patrone muss immer mit der geschlossenen Seite nach vorne in der Pistole sein. Versuche mal, hier oben im Hohlraum, die Patrone einzulegen. Aber vorsichtig, damit sie sich nicht verkantet. Sie muss ganz leicht reingehen.“ Gespannt versuchte sie ganz aufgeregt, -mit Daumen und Zeigefinger die Patrone haltend, die Pistole zu laden. Zu ihrer eigenen Verwunderung gelang es sofort und Rudolf klappte mit einer langsamen, ruhigen Aufwärtsbewegung des Pistolenlaufes, die Waffe wieder zu, während er zeitgleich mahnend zu erklären anfing: „Jetzt wird es gefährlich, denn die Pistole ist geladen. Das Wichtigste, dass du niemals vergessen darfst ist, nie, wirklich niemals auf Menschen oder Tiere zu zielen. Verstehst du, Johanna?“ „Ja, Papa. Ich werde niemals auf Tiere zielen“, antwortete das Kind, mit einer unüberhörbaren stimmlichen Erregung, so dass Rudolf eindringlich mit erhobenem Zeigefinger anmerkte: „Und auch nicht auf Menschen zielen. Ich meine es sehr ernst, Johanna, sonst bekommst du die Waffe nicht!“ Das Mädchen nickte respektvoll, ohne den gebannten Blick von der Pistole zu nehmen, deren Lauf senkrecht nach zum Boden wies. Mit der freien Hand deutete Rudolf nach vorne, zur rückwärtigen Wand des ehemaligen Schweinestalles, der ebenso wie die Kuh -und Rinderställe seit dem Verkauf der Tiere leer stand und lediglich als Abstellraum diente. „Schau Johanna, da vorne an der Wand, …der Querbalken. Da hängt ein altes Hufeisen. Ich will mal versuchen, den Innenbereich des Eisens zu treffen. Jetzt ist Konzentration wichtig“, erklärte der Vater. Johanna beobachtete aufmerksam ihren Vater, dessen rechte Hand mit der Pistole sich langsam mit dem durchgestreckten Arm bis zur Horizontalen hob und sein Zeigefinger mehr und mehr den Abzug der Waffe zurück bewegte. „Papa, deine Hand mit der Pistole zittert! Musst du sie nicht ruhig halten, um das Ziel zu treffen“, fiel Johanna störend ihrem Vater in die Konzentration, der aber nicht auf die Worte der Tochter reagierte. Der zielende Arm wurde etwas ruhiger, während er mit dem rechten Auge das Ziel anvisierte und zeitgleich das Linke schloss. Und dann, …“Pch“, der Schuss. Er war gar nicht so laut, wie Johanna erwartet hatte. Lauter war das metallische Geräusch, welches vom Schweinestall herdrang.

„Schlechter Schuss“, stellte Rudolf mit neutraler Stimmlage fest, „ich habe nur das Hufeisen getroffen, nicht den Innenbereich, zwei Zentimeter am Ziel vorbei. So, Johanna von Orleans, jetzt bist du dran.“ „Johanna von was“, fragte das Kind unwissend. Schmunzelnd antwortete der Vater, während er behutsam die Luftpistole nachlud: „Johanna von Orleans. Sie war eine Nationalheldin in Frankreich und lebte so um das Jahr 1400. Luftpistolen gab es damals zwar noch nicht, aber mit Pfeil und Bogen konnte sie sicher gut umgehen.“ „Ich heiße ja auch Johanna“, erkannte das Mädchen, „ich will auch so werden wie Johanna von Or…“ „Johanna von Orleans“, wiederholte Rudolf den Namen, „aber wir leben heute in anderen Zeiten. Ohne Krieg und Gewalt, zumindest hier bei uns in Deutschland.“ „Meinst du wirklich, Papa“ , sagte Johanna nachdenklich ernst schauend, denn beim Wort Gewalt erschien ihr vor dem inneren Auge der Fettwanst, der die vergewaltigte. Rudolf nickte der Kleinen zu und reichte ihr die nach unten gerichtete Pistole. „Nimm sie in die rechte Hand und umschließe anschließend den Pistolengriff noch mit der Linken“, wies der Vater seine Tochter an. Dabei trat er hinter das Kind, bückte sich ein wenig und zielte mit geübtem Blick an Johannas Kopf vorbei, über die Pistole, bis hin zum Hufeisen an der Wand, „versuche das die obere Kerbe und der kleine Metallzipfel ganz vorne am Lauf, zusammen mit der Mitte des Hufeisens einen Punkt bilden. So zielt man nämlich. Die beiden Punkte da oben an der Pistole nennt man Kimme und Korn.“ Der Vater war beim Blick auf die Hände seiner Tochter erstaunt, wie bewegungslos und ruhig sie waren, denn die Pistole bewegte sich keinen Millimeter. Weiter fuhr er fort: „Ziele ganz genau und bewege den Zeigefinger am Abzug erst wenn du ganz sicher“, “Pch“, wurde der Satz von Rudolf durch den für ihn unerwartet frühen Schuss unterbrochen. „Guter Schuss“, staunte der Mann, „komm, wir sehen mal nach, wo die Kugel gelandet ist, ob sie innerhalb oder außerhalb des Hufeisens eingeschlagen ist.“ Als Rudolf, der seiner Tochter voraus lief, an der Wand ankam, sah er mit offenem Mund, staunend auf das Hufeisen und sagte: „Du hast Glück gehabt, der Schuss ging genau in die Mitte. Gut gemacht, …Glückwunsch Johanna.“ „Johanna von Orleans“, ergänzte das Mädchen, „aber ich hatte doch kein Glück, …ich habe doch gezielt.“ Rudolfs Gesichtsausdruck wirkte kurzzeitig etwas ratlos, denn er glaubte weiterhin an einen Glückstreffer, ließ aber dennoch seine Tochter noch weitere neun Male schießen, denn sie wollte unbedingt zehn Schüsse abgeben. Das Ergebnis verblüffte den langjährigen Freizeitschützen doch sichtlich, denn Johanna traf zweimal das Hufeisen und siebenmal das Zentrum in der Mitte. Lediglich ein Schuss, -und zwar der letzte traf außerhalb des Hufeisens auf die Wand, wohl weil infolge der ungewohnten Belastung der zierliche Kinderarm vom Gewicht der Waffe ermüdet war. Rudolf staunte nicht schlecht und Mutter Marianne hatte ein breites, stolzes Lächeln auf ihrem ohnehin runden Gesicht. Unbemerkt von Tochter und Mann hatte sie aus dem offenen Fenster des Schlafzimmers den ersten Schießversuchen Johannas zugeschaut.

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