Verräter
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Mathias Schreiber. Verräter
Inhalt
Verrat und Tod
Der Begriff des Verrats
Der Krake Internet
Treue als Bastion
Hochverräter, Landesverräter
Judas, Alkibiades, Arminius und andere Altvordere des Verrats
Der Spieler der Indifferenz und der Wert des Vertrauens
Ein normales Laster?
Fußnoten
Отрывок из книги
Reihe zu Klampen Essay
Herausgegeben von
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Zu der Vorgeschichte dieses düsteren Jahres 1977 gehört der bis heute nicht völlig aufgeklärte Tod des Berliner Ethnologie-Studenten Ulrich Schmücker. Der 22-jährige junge Mann wurde sterbend, in der Nacht vom 4. auf den 5. Juni 1974, im Berliner Grunewald von amerikanischen Soldaten gefunden. Schmücker hatte an mehreren Bomben-Anschlägen der »Bewegung 2. Juni« teilgenommen. Er wurde bald erwischt und inhaftiert. Im Gefängnis wurde er mehrfach von einem Mitarbeiter des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz besucht, der ihn als V-Mann gewann. »Sie brauchen ja Ihre Genossen nicht zu verraten«, sagte der Verfassungsschützer zum Auftakt der folgenreichen Beziehung, »ich will nur allgemeine Informationen über die linke Szene haben.«3 Schmücker hat das verräterische Doppelspiel nicht überlebt: Die Kollegen der Terror-Organisation, kaum hatten sie dieses Doppelspiel bemerkt, beschlossen seine Hinrichtung. Dies war das Ergebnis eines »Volkstribunals«: »eine Aktion gegen einen Verräter«, wie das Gruppenmitglied Jürgen Bodeux später bei einer Vernehmung zu Protokoll gegeben hat. Schmücker war zwischen die Fronten von Geheimdienst und Terror-Organisation geraten und hatte sich dabei fatal verirrt. Eine linke Berliner Zeitschrift resümierte später: Die Erschießungs-»Aktion« Schmücker stoße »bei vielen Genossen« auf »Ekel«, dabei sei doch der »Abscheu gegen Verräter allgemein, und niemand wird wohl einer revolutionären Gruppe bestreiten, sich gegen Verräter schützen zu müssen«. In einem »Offenen Brief an die Bewegung 2. Juni« diskutierten damals einige »Genossen« der Terroristen, »wie man Verräter auslöscht« und »wie aus Genossen Verräter werden«. Diese und andere Versuche der Szene, sich von der Hinrichtung Schmückers – laut Mitkämpfer Till Meyer ein »Würstchen« – ein wenig zu distanzieren, wurden durch ein anderes Mitglied der Bewegung, Inge Viett, als Verstöße gegen die »Gruppensolidarität« verurteilt; und Frau Viett fügte hinzu: »Wir waren es nicht, aber wir distanzieren uns auch nicht davon.« Der Verdacht, in Wahrheit habe die andere durch Schmücker verratene Partei, Leute vom Verfassungsschutz, diesen liquidiert, aber so, dass es nach einem Fememord der »Bewegung 2. Juni« aussah, wurde nie befriedigend widerlegt, allerdings auch nicht bewiesen.
Schmückers Verrats-Geschichte ist der typische Fall des Doppelagenten, der ertappt wird. Seinem Tod kann selten ein Täter eindeutig zugeordnet werden, denn der Doppelagent hat ja nicht einen, sondern zwei Todfeinde, die als Täter in Frage kommen.
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