Rave On

Rave On
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1997 verfasste Matthew Collin zusammen mit seinem Kollegen John Godfrey mit Altered State – Im Rausch der Sinne das Standardwerk über die damalige Dance-Kultur, ihre Ursprünge, ihre Einflüsse und ihre verschiedenen Gesichter. Heute liegt der zweite «Summer Of Love», als Ende der Achtziger Acid House die Welt eroberte, dreißig Jahre zurück, und pulsierende Beats und hedonistische Partys sind in der westlichen Welt längst Teil des Mainstream-Entertainments geworden. Grund genug für Collin, sich einmal genauer anzusehen, wie sich die Szene von einst gewandelt hat – und auf dem Globus nachzuspüren, ob sich die innovative Kraft der Beats andernorts vielleicht noch ihre einst so subversive Energie erhalten hat.
Und so nimmt Collin die Leser mit in Dance-Metropolen wie Detroit oder Berlin, wo etwa die Techno-Idealisten im Berghain immer noch den alten Geist des Genres beschwören, während «Raving» anderswo längst zum Big Business geworden ist: In Las Vegas bestimmt die Höhe des Eintritts den Platz im Club, und in Shanghai werden die Tanzflächen immer kleiner, um den reichen Selbstdarstellern an den kleinen Tischchen mehr Platz fürs Posing zu bieten. Doch als Mittel zum Ausdruck eines individuellen Lebensgefühls ist Dance dennoch nicht passé: Das beweisen die jungen, innovativen Szenen in Südafrika oder die Techno-Outlaws in Frankreich. Collin ist durch die ganze Welt gereist und stellt die neuen Keimzellen frischer Ideen in China oder den Vereinigten Arabischen Emiraten den altvertrauten Dance-Hochburgen gegenüber.
Seine Porträts der jeweiligen Szenen sind das Resultat akribischer Recherche vor Ort, und sie basieren auf Interviews mit aufstrebenden DJs und Promotern, detaillierten Beobachtungen und fundierten Schlussfolgerungen. «Das Buch sollte eine Reportage aus erster Hand bieten und beschreiben, wie es aussah, wie es sich anhörte und wie es sich anfühlte, dort zu sein», sagte er dem International DJ Magazine. Das ist Matthew Collin meisterlich gelungen. Er verschließt nicht die Augen vor Diskriminierung und Gentrifizierung, ohne sich aber auf die kulturpessimistische Einstellung zurückzuziehen, dass früher alles besser war. Rave On ist nicht nur eine Bestandsaufnahme aktueller Dance-Trends geworden, sondern eine kritische Liebeserklärung an die Beats, temporeich, bunt und ungeheuer informativ.

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Matthew Collin. Rave On

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www.hannibal-verlag.de

Eine lebenslange Inspiration

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Auch verunsicherten sie ein paar der kulturellen Interpretationen, die Techno in Europa durchlief. So vereinnahmten etwa ein paar weiße Neo-Hippies die Rave-Szene als Anbruch einer neuen psychedelischen Revolution. 1993 bildete eine Podiumsdiskussion zum Thema Techno im Londoner Institute of Contemporary Arts die Plattform für einen ideologischen Showdown zwischen Derrick May und Fraser Clark, dem Herausgeber des Magazins Evolution und Promoter des in London ansässigen Hippie-Rave-Clubs Megatripolis. May sträubte sich gegen jegliche Verbindung zwischen Techno und Rauschmitteln: „Ich habe noch nie Ecstasy geschluckt, noch nie einen Joint geraucht. Nie. Ich brauche keine Drogen, die mich abheben lassen.“ Clark hingegen war ein psychedelischer Evangelist, der glaubte, dass Techno den Soundtrack zu neuheidnischen Ritualen lieferte, die die Menschen wieder mit den Ur-Energien der Erde in Kontakt brachten. Auf Ecstasy zu elektronischer Musik zu tanzen, stellte in seinen Augen einen schamanischen Ritus dar, der seinen Ursprung in uralten afrikanischen Ritualen hatte. Als Clark seine Sicht der Dinge teilte, fuhr May ihn angewidert an: „Wenn das ein afrikanischer Tanz sein soll, dann hätte mal jemand meinen Vorfahren in den Arsch treten sollen.“ May hatte an diesem Tag zwar die Lacher auf seiner Seite, doch es ließ sich nicht leugnen, dass die Gründerväter des Techno nicht länger diktieren konnten, wie ihre Musik zu verstehen wäre.

May gab es schließlich für ganze zwei Jahrzehnte auf, seine eigenen Aufnahmen zu veröffentlichen, was er mit seiner Desillusionierung bezüglich des Musikbusiness begründete. Er stritt hingegen ab, sich mit frühen Tracks wie „Strings of Life“ und „Nude Photo“ die Latte so hoch gelegt zu haben, dass er fürchtete, sie nie übertreffen zu können. Laut ihm traf er die Entscheidung 1991, als Atkins, Sanderson und er den Beschluss fassten, als Trio unter dem Namen Intelex aufzunehmen. Sie sahen Intelex als ihre eigene Interpretation von Kraftwerk, doch Trevor Horn, jener Mann, dessen breitflächige elektronische Produktionen Frankie Goes to Hollywood zu Stars machten, und Boss von ZTT, jenem Label, bei dem sie unterschreiben sollten, wollte sie, so May, kommerzieller ausrichten, als ihnen lieb war.

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