Vom Verschwinden der Dinge in der Zukunft

Vom Verschwinden der Dinge in der Zukunft
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Matthias Politycki ist als Romancier und Lyriker bekannt; er hat sich aber auch immer den ästhetischen oder politischen Fragen der Zeit gestellt, in Debatten eingegriffen oder sie, dem herrschenden Konsens meist einen Gedankengang voraus, überhaupt erst angestoßen. »Erzählende Essays« könnte man die Texte dieses Bandes nennen, der Matthias Polityckis viel beachteten Streitschriften wie »Relevanter Realismus«, »Der amerikanische Holzweg« oder »Weißer Mann – was nun?« versammelt, aber auch stillere Prosastücke, die ihn als notorischen Ausflügler in unsere digitale oder ganz reale Alltagswirklichkeit zeigen. Geharnischte Abrechnungen und temperamentvolle Liebeserklärungen, das Ende der Volksparteien oder die nicht enden wollende Welttournee der Rolling Stones: Matthias Politycki schreibt stilistisch stets auf höchstem Niveau, voller leidenschaftlichem Ernst und luzider Bissigkeit. Und er hat das Ganze mit einer fulminanten Grundsatzerklärung »Alt werden, ohne jung zu bleiben« versehen, die ihn als politischen Autor verortet, aber als einen, der nicht aus einer weltanschaulich fixierten Ecke heraus schreibt, sondern aus postideologischer Lust an nahezu allem, was der Fall ist.

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Matthias Politycki. Vom Verschwinden der Dinge in der Zukunft

I Alt werden, ohne jung zu bleiben

Alt werden, ohne jung zu bleiben

II Dick & durstig

Wir waren Deutschland

Weißer Mann – was nun?

Unser Recht auf Ungläubigkeit

»Jetzt zeigen sie so ’nen Quatsch schon am Nachmittag«

Breitleinwandschlacht der Weltanschauungen

»Jungs, nehmt den Finger aus’m Arsch, es gibt Arbeit«

Rückkehr der Eliten

Dick & durstig oder Wisch & weg?

Weniger Demokratie wagen

Sitzpinkler

Der grüngoldne Schiß

III Betreutes Wohnen

Sexuelle Belästigung

Betreutes Wohnen auf der Bühne

»Kann seinem Tourplan zufolge nicht vom Tod eingeholt werden«

Letzter Spieltag

Nie wieder Abseits-Lyrik: Nordkurve

München, heimliche Hauptstadt des Konjunktivs

Da nich für

Inszenierte Wirklichkeiten

Inszenierter Realismus

IV Relevanter Realismus

»Ein Buch wird durch Lesen nicht besser«

Relevanter Realismus

Mitte

Keine Fluchtmöglichkeit!

Ein weiter Blick[157]

Relevanz

»Ohne Titel«

Ein Manifest? Lächerlich! – Kein Manifest? Empörend!

Schrebergartenbesitzer

Scham bei Betrachtung schlecht strippender Dichter

Traurig

Wem die Stunde schlägt

Weltkulturerbe Ironie

Europäische Ästhetik

Der amerikanische Holzweg

V Digitaler Grabstein

Drei Monate später: Der Power-User rechnet nach

Der Autor als Zeugwart

Der Autor als Handbuchleser

Die Homepage als digitaler Grabstein

Das Internet als Kinderzimmer

Vom Verschwinden der Dinge in der Zukunft

Vom Verschwinden der Tastaturkürzel in der Zukunft

Marietta – die Idee, der Datensatz und der Strohhut

Ein traditioneller Autor wird zwangsmodernisiert

Die Sache mit der Maus

Die Bombe – und keiner ist schuld

Abschied von der Mona Lisa

Marietta, elffach zuviel

Was ein einzelner Strohhut bewirken kann

Die Parallelaktionen des Parallelforums

Virtualisierung des Werks, Virtualisierung des Autors

Schnipseldigitalisierung und was dabei rauskommt

Sichtest du noch? Oder löschst du schon?

VI Fata Americana

Kopenhagen danach

Buena Revista Social Club

Mein kurzes Leben als Konterrevolutionär

Fata Americana

Fata Africana

Shanghai von oben

Ruhrpott II

Das Buch aus Stein

Wie bitte, abhängen?

Anhang. Editorische Notiz

Quellennachweis

Fußnoten

Über Matthias Politycki

Impressum

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Matthias Politycki

Vom Verschwinden der Dinge in der Zukunft

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Ist politische Schriftstellerei in diesem umfassenden Verständnis vielleicht selbst nur eine Utopie? Mit Sicherheit eine undankbare Aufgabe! Die Gefahr der Verbitterung über ubiquitär grassierende Mediokrität steigt durch anhaltende Beschäftigung mit derselben erheblich; dazu die Entsetzensschreie flüchtig rezipierender Leser, nicht selten als Häme notdürftig getarnt, sofern einer ihrer wunden Punkte berührt wurde. Selbst wenn man nicht beständig mit erhobnem Zeigefinger auftritt, wird man als politischer Schriftsteller vorrangig allein sein, sofern man sein Amt (mit all dem gebotnen Unernst) ernst nimmt – allzu breite Zustimmung wäre für einen, der sich jedem Lagerdenken verweigert, ja auch verdächtig.

Und das alles auch noch in postmodern entfesselten Zeiten, die unterm Alarmismus der medialen Katastrophen- und Feuermelder gerade zur Aftermoderne depravieren! Staunend registrieren wir die weltweite Renaissance unaufgeklärten Denkens – und hätten statt dessen im Wettlauf der Weltanschauungen längst Gegenvisionen zu entwickeln, die sogkräftiger, zukunftsträchtiger sind als die saturiert säkularen unsrer décadence. Komplizierte Zeiten, weit komplizierter als unter den dialektischen Herausforderungen der Nachkriegsära! Angemessen ausgewogene Antworten für das Chaos unsrer Gegenwart zu finden, kann da die Aufgabe des Schriftstellers als eines Fachmanns fürs Allgemeine nicht sein; es ist schon viel, wenn ihm die eine oder andere Frage gelingt, die den festgefügten Horizont unsrer Alltäglichkeiten für all die Experten aufreißt, die’s dann ja sogleich besser wissen. Ein Schriftsteller wird keine schlüsselfertigen Lösungen anbieten, schließlich beglaubigt er seine wechselnden Ansichten mit nichts als den eignen – im Lauf des Älterwerdens wechselnden – Lebenserfahrungen. Wenn er damit aus der herrschenden Konsensessayistik ausschert, ja mit seinen spekulativen Thesen bewußt übers Ziel hinausschießt, um wenigstens mit rhetorischen Mitteln an der Verbesserung von Mitteleuropa mitzuwirken, so mag man das bitte noch lange nicht als seinen endgültigen Standpunkt mißverstehen. Je älter man wird, desto ferner gerät der Konsens, aber je älter man wird, desto größer wird auch die Sehnsucht, irgendwo zustimmen zu können![17]

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