Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis

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Max Bernhard Weinstein. Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis

Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

VORBEMERKUNGEN. Charakteristik, Prinzipe und Einteilung der Welt- und Lebenanschauungen

1. Bedeutung der Welt- und Lebenanschauungen

2. Naturvölker und Kulturvölker

3. Hauptfragen und Stammannahmen (principia, ἀρχαὶ) der Welt- und Lebenanschauungen

4. Vergleichung der Anschauungen, Parallelen

5. Einteilung der Welt- und Lebenanschauungen

ERSTES BUCH. Psychisch-religiöse Welt- und Lebenanschauungen

ERSTES KAPITEL. Anschauungen der Naturvölker

6. Irdisch-menschliche Anschauungen

7. Über den Ursprung der Religionen, Vorläufiges

8. Allgemeine Belebung

9. Seele und Beseelung, Animismus, Fetischismus

10. Schamanismus, Totemismus, Seelen-, Ahnenkult

11. Geister- und Dämonenglaube, Götzendienst

12. Zauberwesen

13. Höhere Anschauungen bei Naturvölkern; Naturreligionen, Naturmythen

14. Seele und Jenseits bei den Naturvölkern

ZWEITES KAPITEL. Religiöse Welt- und Lebenanschauungen der Kulturvölker

15. Die Kulturvölker als Naturvölker

16. Allgemeine Religionsanschauungen bei den Kulturvölkern im Kreise der Menschheit

17. Polytheistische, henotheistische und antagonistische Anschauungen

18. Monotheistische Anschauungen

19. Anschauungen von Welt, Menschheit und Weltkatastrophen

20. Weltbau

21. Leben und Gottheit

22. Nachleben und Jenseits (Eschatologie) der Kulturvölker

23. Seelenwanderung und Wiederbekörperung; Sansara, Nirvana

24. Seele und Unsterblichkeit, Leben-Reihe

ZWEITES BUCH. Philosophisch-deistische und theosophische Anschauungen

DRITTES KAPITEL. Pandeistische und panpsychistische Anschauungen

25. Pandeistische Anschauungen

26. Panpsychistische Anschauungen; Hylopsychismus, Hylozoismus

VIERTES KAPITEL. Pythagoras, Anaxagoras, Sokrates, Platon, Aristoteles

27. Anschauungen aus Gesetz, Harmonie, Weltvernunft, Ideen und Formen

FÜNFTES KAPITEL. Anschauungen aus Theosophie, Deismus und Emanismus

28. Orphiker und Neu-Pythagoreer

29. Indische Theosophie und Sufismus

30. Philon von Alexandrien

31. Der Logos und die Sophia

32. Die Gnostiker und Manichäer

33. Der Neuplatonismus

34. Übergang zum Mittelalter; Augustinus, Scotus Erigena

35. Islamisch-arabische Theosophien

36. Jüdische Theosophie und Kabbala

37. Die mittelalterliche Theosophie der christlichen Scholastiker und Mystiker

38. Theosophie und Emanismus in neuerer Zeit

39. Deistischer Rationalismus

40. Prästabilierte Harmonie, Determinismus, Monaden, Korpuskeln, Realen, Samen

DRITTES BUCH. Metaphysische und physische Welt- und Lebenanschauungen

SECHSTES KAPITEL. Welt- und Lebenanschauungen des Idealismus

41. Phantomismus (Illusionismus), Eleaten, Skeptiker

42. Phänomenaler Idealismus

43. Kants transzendentaler Idealismus. Organisierte Wesen und Naturzweck

44. Ich, Nicht-Ich; Thesis, Antithesis, Synthesis; Naturphilosophie

45. Die Welt als Wille und Vorstellung; Pessimismus, Philosophie des Unbewußten, moderner Idealismus

SIEBENTES KAPITEL. Spinozismus und Neuspinozismus sowie Neuidealismus

46. Spinoza und der Pantheismus

47. Neuspinozismus und Neuidealismus

ACHTES KAPITEL. Empirismus, Sensualismus, Realismus, Naturalismus, Positivismus

48. Die englische Trias: Bacon, Locke, Hume

49. Die weitere Entwicklung

NEUNTES KAPITEL. Physische Welt- und Lebenanschauungen

50. Materialismus und Mechanismus, Atomistik

51. Allgemeine und besondere Naturgesetze, Entwicklungslehre

52. Energetische Anschauungen; Ostwald und Häckel

53. Über die physischen Welt- und Lebenanschauungen überhaupt; Weltende, Unsterblichkeit

Namen- und Sachregister

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Max Bernhard Weinstein

Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020

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Mit derartigen Anschauungen verbindet sich ein naiver Wunderglaube, der das Wunder des Wunderbaren entkleidet. Wie selbstverständlich öffnen sich Felsen auf ein Gebot sogar eines Tieres, wachsen Bäume bis in den Himmel hinein, bleibt die Sonne auf Wunsch stehen, beleben sich Klötze und Häuser. Man wird sagen, das sind Märchen — und solche kann man von den Negern in schöner Auswahl in dem hübschen Buche des Fräulein von Held und in sehr vielen Reisebeschreibungen und anthropologischen Werken lesen —, aber das Märchen hat für den Naturmenschen, wenn es nicht direkt behufs Erzählens erfunden ist, die Bedeutung, die es für das Kind besitzt, oder richtiger besaß, ehe noch der hypermoderne Realismus das Kind in den Märchen Unsinn zu sehen lehrte. Dazu kommt noch ein Umstand, auf den in einem folgenden Abschnitt einzugehen ist, und der derartigen „Märchen“ ein ganz anderes Aussehen verleiht und sie mit Mythe und Religion in Verbindung bringt. Aber diese Selbstverständlichkeit des Wunders bei den Wilden ist eines der größten Hindernisse für die Verbreitung des Christentums unter den Naturvölkern ohne Gewalt, denn für die höheren Lehren hat der Wilde nur selten Verständnis. Der Kampf ums Dasein und der naive absolute Egoismus beschäftigt sein ganzes Leben, Tun und Trachten. In den Erzählungen, die die Reisenden uns mitteilen, kommen zwar auch Züge von Großmut vor, jedoch nur selten, und solche von Menschenliebe, wie die Kulturreligionen sie verstehen, existieren kaum, selbst bei Naturvölkern, die schon in Berührung mit der Zivilisation sich befinden. Diese Tugend scheint der Mensch zu allerletzt zu lernen. Sie ist freilich die schwerste von allen, nicht allein, weil sie absolute Überwindung des Egoismus erfordert, sondern auch weil der Gegenstand der Liebe sich nur sehr selten in liebenswürdiger Gestalt gibt, wo nicht zugleich das Mitleid mitspricht. Und die Naturvölker haben keine rechte Gelegenheit, von uns auch nur aus Mitleid, geschweige aus Fühlen Liebe zu lernen. Gestalten wie Livingstone sind einzig. Indessen ist die Gewalttätigkeit, vielfach Roheit und Brutalität, mit der die Naturvölker so oft behandelt wurden, allerdings nicht der eigentliche Grund für ihren Mangel an unseren Haupttugenden. Die rein egoistische Grundlage ihres Wesens ist noch jedem, der mit ihnen in Berührung kam, aufgefallen, nicht bloß Fremden gegenüber, sondern auch gegen ihre nächsten Angehörigen. Es fehlt ihnen die Schule, die bei den Kulturvölkern nun schon Tausende von Jahren dauert, und namentlich drückt auf sie unwiderstehlich ihre Umgebung. Ein Wilder, der in eine Umgebung versetzt wird, die nach jenen hohen Lehren lebt, kann diese sehr wohl annehmen und auch in sich aufnehmen, wie die Erfahrung ja hinreichend erwiesen hat. So aber verbietet zum Beispiel ein Negerhäuptling, weil es ihm so gefällt (car tel est notre plaisir), seinem ganzen Volke den Anbau des notwendigsten Getreides auf mehrere Jahre, herrscht bei ganzen Stämmen die Sitte, die Alten und Kranken auszusetzen oder zu töten, bildet bei noch anderen die Zahl der gemordeten Menschen, in Schädeln, die auf einer Schnur gereiht getragen werden, den höchsten Ruhm des Helden, und was der Greuel noch mehr sind, an die man nicht denken mag und die man schon als Knabe in Coopers Romanen mit einem gewissen Grausen gelesen hat, während sie in der Wirklichkeit, wegen des Mangels eines jeden edleren Beweggrundes, noch viel entsetzlicher wirken würden. Wenn nicht auch hier ein Motiv vorhanden wäre, das in der ganzen Welt bekannt ist, in der ganzen Welt zu den abscheulichsten Taten geführt hat, noch jetzt bei den Kulturnationen in schönstem Flor steht, hier vielfach mit dem Fluch der Lächerlichkeit begabt, aber beim Naturmenschen dessen ganzes Leben und Tun erfüllend und lenkend — der Aberglaube. Hier verflicht sich unsere Betrachtung mit der für die nächste Klasse der Anschauungen. Diese müssen wir durch eine Sonderbetrachtung einleiten.

Aus Makaliis mächtigem Wolkenschleier

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