Generalkonsul Stenzel und sein gefährliches Ich
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Max Halbe. Generalkonsul Stenzel und sein gefährliches Ich
Max Halbe. Generalkonsul Stenzel und sein gefährliches Ich
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20. Epilog
Über Generalkonsul Stenzel und sein gefährliches Ich
Autorenporträt
Ebook-Kolophon
Отрывок из книги
Johann Sebastian Stenzel hatte seinen schlechten Tag. Es war eigentlich der besonders schlechte Tag, der jedes Jahr wiederkam. Es war sein Geburtstag. Er wurde heute achtundfünfzig Jahre alt. Seine Laune konnte dadurch nicht besser werden. Stenzel, der Sohn eines Dorfschullehrers, nunmehr schon seit langem Generalkonsul von Honduras, hatte einen hohen Begriff vom Kurswert des Lebens. Dieses Inhaberpapier der Kommanditgesellschaft Menschheit, das jedem Aktionär in die Wiege gelegt wurde, schlug ohne Zweifel alle übrigen Börsenwerte. Er hätte es sich viel kosten lassen, wenn ihm jemand verraten hätte, wo es neuerdings zu haben sei. Denn das war das Betrübliche, daß es an jeden nur einmal abgegeben wurde. Und noch schlimmer, daß es nicht wie andere gute Papiere von Jahr zu Jahr eine höhere Dividende abwarf, sondern im Gegenteil sich langsam auffraß, einer Art von Selbsttilgungsverfahren unterlag, wodurch jedoch merkwürdigerweise sein Liebhaberwert für den jeweiligen Inhaber nicht vermindert wurde, vielmehr noch täglich zuzunehmen schien. Eigentlich ein ganz widersinniger Vorgang, dem mit aller kaufmännischen Logik nicht beizukommen war. Stenzel, als ein geborener Grübler, hatte sich oft genug darüber geärgert. Was nützt der gesunde Menschenverstand, dieser sonst so gepriesene und bewährte Universalschlüssel, wenn er in solchen Fragen versagt?
Darf man sich wundern, daß Generalkonsul Stenzel an diesem Tage, der wieder ein Jahr an seinem Lebenskalender abstrich, sich in der übelsten Laune befand? Der kleine quecksilberne Mann, der mit seinem birnenförmigen Schädel und dem schwarzen Henryquatre an Napoleon III., den Kaiser der Franzosen, erinnerte, hatte sich in das weichgepolsterte Seidensofa gegenüber seinem geräumigen Arbeitstisch geworfen. Eigentlich war das der Platz für bevorzugte Besucherinnen. Es gab ihrer nicht wenige in diesem Raum. Stenzel genoß den Ruf, in der mit verständnisvollen Gönnern nicht gerade gesegneten See- und Handelsstadt einer der zugänglichsten zu sein. Schauspielerinnen, Künstlerinnen, auch Bittstellerinnen anderer Stände fanden sich häufig ein, um dem Generalkonsul ihre Wünsche vorzutragen und ihr Leid zu beichten. Es war ja ein würdiger Herr in reiferen Jahren, mit dem man zu tun hatte. Junggeselle dazu, was allerdings die Situation wieder verwickelte, aber andrerseits auch erleichterte. Stenzel fischte aus dem Redestrom seiner Besucherinnen alles Sachdienliche auf und verwahrte die mit Notizen bedeckten Aktenblätter in dicken, längst zu Stapeln sich häufenden Mappen. Es war sein Sonntagspensum, die jedesmalige Wochenernte durchzusieben, Spreu von Korn zu sondern und danach zu entscheiden.
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„Ist das vielleicht die Pointe?“ fragte Adele nach einer Pause.
Ginevra antwortete nicht. Beide Mädchen schwiegen.
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