Die Begegnung. Vier Erzählungen
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Max Herrmann-Neisse. Die Begegnung. Vier Erzählungen
Die Begegnung. Vier Erzählungen
Die Begegnung
Lucie und Maria. 1
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Das Experiment
Die Klinkerts
Über Die Begegnung. Vier Erzählungen
Отрывок из книги
Max Herrmann-Neiße
Er lebte nun so automatisch dahin, war noch eifriger als früher im Geschäft tätig, so daß er abends immer wie tot ins Bett sank. An die Entscheidung über seinen Sohn zu rühren, vermied er geflissentlich. Lange nachher fiel ihm zufällig einmal die Visitenkarte des fremden Herrn aus der Tasche. Der Sohn hob sie auf, las sie und fragte schroff: »Wie kommst du zu dieser Karte?« Worbs behandelte den Fall ganz nebensächlich: »Eine gelegentliche Wirtshausbekahntschaft.« Da brauste der Jüngling unerwartetermaßen auf: »Und das sagst du mir erst heut? Hermann Karst war also hier in unsrer Stadt! Und du hast ihn sogar persönlich kennengelernt. Und hast mir nicht einmal was erzählt! Konntest du mich ihm denn nicht vorstellen? Sagen, was für ein begeisterter Verehrer von ihm ich bin!« Und er schrie erbost: »Mutti, Mutti, Papa hat Hermann Karst kennengelernt, Karst war hier, und Papa hat’s uns verschwiegen!« Die Mutter kam erregt dazu. Worbs hatte keine Ahnung, was er davon halten sollte. »Wer ist denn das eigentlich?« »Das weißt du nicht? Wo wir sämtliche Werke von Karst besitzen, gerade vor der Nase stehn sie dir! Gott, hätte ich das bloß geahnt! So eine Gelegenheit kommt nie wieder!« »Mit so was verheiratet zu sein, ist doch wahrhaftig ein Unglück! Hast du denn nie in der Zeitung von Karst was gelesen?« »Ich habe doch wirklich anderes zu tun.« »Wann war er denn da? Vielleicht blieb er noch –« »Er ist gleich am nächsten Tag weitergefahren. Mittwoch vor sieben Wochen war es.« »Aha, als du so bockig heimkamst und nicht ein Wort über die Lippen brachtest! Deine Hinterhältigkeit kennen wir ja.« »Wie soll man denn zu etwas kommen, wenn man so einen Vater hat!« Worbs hätte sich damit rechtfertigen können, daß er den Karst gebeten hatte, sie zu besuchen: aber nach der Aufklärung, die er nun über den Fremden empfangen hatte, war ihm der ganze Mann verdächtig, die Begegnung mit ihm entweiht und alles, was er sich damals daraus gefolgert hatte, hinfällig.
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Nach vier Jahren setzte des Klempnermeisters Sohn ohne Kampf durch, daß er weder Jura noch Theologie zu studieren brauchte, sondern in die Deutsche Bank als Volontär eintrat. Er verachtete Vater wie Mutter gründlich, wurde aber jeden Sonntagabend von den beiden als der Stolz der Familie ins Stadthauscafé mitgenommen, wo er so viel Courtoisie für die alten Herrschaften an den Tag legte, daß man sie allgemein um den wohlerzogenen Sprößling beneidete. Aus Mädchen machte er sich nichts, sondern hatte kostspielige Sportleidenschaften.
Die Mutter brachte den ganzen Tag in Kirchen und Klöstern zu, nahm an jeder Wallfahrt teil und ging jede Vesper hinaus auf den Rochuskirchhof zum Grabe der kurz nach der Geburt gestorbenen Tochter Else.
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