Kinderkreuzzug
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Max Herrmann-Neisse. Kinderkreuzzug
Kinderkreuzzug
Erzählung des Goliard
Erzählung des Aussätzigen
Erzählung des Papstes Innocenz III
Erzählung dreier kleiner Kinder
Erzählung des Schreibers François Longuejoue
Erzählung des Kalandars
Erzählung der kleinen Allys
Erzählung Papst Gregors IX
Über Kinderkreuzzug
Отрывок из книги
Max Herrmann-Neisse
Ich bewundere St. Johannes, denn er irrte umher und redete ohne Unterlass. Mir scheint, seine Worte hätten milder sein sollen. Auch der Frühling ist mild in diesem Jahr. Niemals hat es so viele weisse und rote Blumen gegeben. Die Wiesen sind frisch gewaschen. Überall auf den Hecken glänzt das Blut unseres Heilandes. Unser Herr Jesus ist weiss wie eine Lilie, aber sein Blut ist rot. Warum¿ Ich weiss nicht. Auf irgendeinem Pergament muss es geschrieben stehen. Wenn ich Schreiben gelernt hätte, würde ich Pergament haben und würde darauf schreiben. Dann könnte ich jeden Abend sehr gut essen. Ich ginge in die Klöster und betete für die toten Brüder und schriebe ihre Namen auf meine Rolle. Ich würde meine Totenrolle von einer Abtei zur anderen tragen. Das ist etwas, was unseren Brüdern gefällt. Aber ich kenne die Namen meiner toten Brüder nicht; vielleicht sorgt sich unser Heiland auch nicht darum, sie zu erfahren. Mir schien, als ob alle diese Kinder keine Namen hätten. Und es ist sicher, dass unser Herr Jesus sie liebt. Sie erfüllten die Landstrasse wie ein Schwarm weisser Bienen. Ich weiss nicht, woher sie kamen. Es waren ganz kleine Pilger. Als Pilgerstäbe hatten sie Hasel- und Birkenstöcke. Auf den Schultern trugen sie das Kreuz; und alle diese Kreuze hatten andere Farben. Ich sah grüne, die wohl aus aufgenähten Blättern gemacht waren. Es sind wilde, unwissende Kinder. Ich weiss nicht, wohin sie irren. Sie glauben an Jerusalem. Ich denke, Jerusalem muss weit sein und unser Heiland muss näher bei uns sein. Sie werden nicht nach Jerusalem kommen. Aber Jerusalem wird zu ihnen kommen. Wie zu mir auch. Das Ziel aller heiligen Dinge liegt in der Freude. Unser Heiland ist hier, auf diesem Rotdorn, auf meinem Munde und in meiner armen Rede. Denn ich denke an ihn, und seine Grabstätte ist in meinen Gedanken. Amen. Ich will hier in der Sonne schlafen gehen. Dies ist eine heilige Stätte. Die Füsse unseres Heilandes haben alle Orte geheiligt. Ich will schlafen. Jesus, lass am Abend alle diese kleinen weissen Kinder schlafen, die das Kreuz tragen. Wahrhaftig, ich sage es ihm. Ich bin sehr schläfrig. Ich sage es ihm wirklich, denn vielleicht hat er sie gar nicht gesehen und er muss doch über die kleinen Kinder wachen. Die Mittagsstunde drückt auf mich. Alle Dinge sind weiss. Amen.
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Ich bewundere St. Johannes, denn er irrte umher und redete ohne Unterlass. Mir scheint, seine Worte hätten milder sein sollen. Auch der Frühling ist mild in diesem Jahr. Niemals hat es so viele weisse und rote Blumen gegeben. Die Wiesen sind frisch gewaschen. Überall auf den Hecken glänzt das Blut unseres Heilandes. Unser Herr Jesus ist weiss wie eine Lilie, aber sein Blut ist rot. Warum¿ Ich weiss nicht. Auf irgendeinem Pergament muss es geschrieben stehen. Wenn ich Schreiben gelernt hätte, würde ich Pergament haben und würde darauf schreiben. Dann könnte ich jeden Abend sehr gut essen. Ich ginge in die Klöster und betete für die toten Brüder und schriebe ihre Namen auf meine Rolle. Ich würde meine Totenrolle von einer Abtei zur anderen tragen. Das ist etwas, was unseren Brüdern gefällt. Aber ich kenne die Namen meiner toten Brüder nicht; vielleicht sorgt sich unser Heiland auch nicht darum, sie zu erfahren. Mir schien, als ob alle diese Kinder keine Namen hätten. Und es ist sicher, dass unser Herr Jesus sie liebt. Sie erfüllten die Landstrasse wie ein Schwarm weisser Bienen. Ich weiss nicht, woher sie kamen. Es waren ganz kleine Pilger. Als Pilgerstäbe hatten sie Hasel- und Birkenstöcke. Auf den Schultern trugen sie das Kreuz; und alle diese Kreuze hatten andere Farben. Ich sah grüne, die wohl aus aufgenähten Blättern gemacht waren. Es sind wilde, unwissende Kinder. Ich weiss nicht, wohin sie irren. Sie glauben an Jerusalem. Ich denke, Jerusalem muss weit sein und unser Heiland muss näher bei uns sein. Sie werden nicht nach Jerusalem kommen. Aber Jerusalem wird zu ihnen kommen. Wie zu mir auch. Das Ziel aller heiligen Dinge liegt in der Freude. Unser Heiland ist hier, auf diesem Rotdorn, auf meinem Munde und in meiner armen Rede. Denn ich denke an ihn, und seine Grabstätte ist in meinen Gedanken. Amen. Ich will hier in der Sonne schlafen gehen. Dies ist eine heilige Stätte. Die Füsse unseres Heilandes haben alle Orte geheiligt. Ich will schlafen. Jesus, lass am Abend alle diese kleinen weissen Kinder schlafen, die das Kreuz tragen. Wahrhaftig, ich sage es ihm. Ich bin sehr schläfrig. Ich sage es ihm wirklich, denn vielleicht hat er sie gar nicht gesehen und er muss doch über die kleinen Kinder wachen. Die Mittagsstunde drückt auf mich. Alle Dinge sind weiss. Amen.
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