Über 75 Jahre liegt der letzte Weltkrieg schon zurück, doch nicht alle Wunden sind verheilt, nicht alle Opfer betrauert. Der Krieg hatte die Leben vieler junger Menschen unbarmherzig niedergewalzt und zermalmt, darunter auch die der blutjungen Deutschen in der Ukraine, die mit dem Einmarsch der deutschen Truppen als sogenannte Volksdeutsche zur Wehrmacht einberufen, an die Front geschickt wurden und nach Kriegsende mit entsprechenden Konsequenzen den Sowjets in die Hände gefallen waren. Als Opfer zweier verbrecherischer Systeme – des Hitlerregimes und der Stalindiktatur – mussten sie die Schuld Hitlerdeutschlands bis in ihre letzten Tage sühnen, sie und ihre Kinder. Die Lost Generation der Russlanddeutschen? Zweifelsohne. Arthur Gerbers Schicksal ist nur eines von vielen, aber es ist beispielhaft für Tausende von jungen Russlanddeutschen, die von der Kriegsmaschinerie zermalmt wurden. Arthur ist kein Täter, er ist ein Opfer seiner Zeit, der böswilligen Kräfte, die willkürlich über Menschenschicksale entschieden. Er hat seine Liebe nicht verraten, hat sie in seinem Herzen bewahrt und durch sein ganzes Leben getragen, aber er hat versucht zu überleben – unter unvorstellbar schwierigen Bedingungen. Und dieser Versuch forderte seinen Preis. Wer in die Versuchung kommen sollte, ihn zu verurteilen, der stelle sich selbst die Frage, wie er unter diesen Umständen gehandelt hätte, und gebe darauf eine ehrliche Antwort. Der einzige Halt für die Deutschen in Russland war ihr Deutschtum, und man sollte nicht voreilig den Stab über meine Helden brechen: Der Erhalt des Deutschtums, und zwar nicht nur in Russland, sondern in der ganzen Welt, hängt einzig und allein davon ab, wie fest man an seiner Herkunft, am Glauben seiner Ahnen, an den Traditionen festhält. Hätten wir es nicht getan, wären wir zu Russen, Tataren, Kasachen, Kirgisen etc. geworden. So aber sind wir geblieben, was wir immer waren – schlicht und ergreifend Deutsche.
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Nelli Kossko. Du, mein geliebter "Russe"
Du, mein geliebter „Russe“
Inhalt
VORWORT
Auf der Straße des Todes. 1947. Straflager Sussuman/Sowjetunion
Der „Russe“ kommt mir nicht ins Haus! 1947-1948. Fritzlar/Nordhessen
Die Heimat erwartet euch, ihr Schufte! 1948-1950. Magadan/Sowjetunion
Das gnadenlose Inferno. 1945. Fritzlar/Nordhessen
Weißt du, wie die Freiheit schmeckt? 1948-1950. Kolyma/Sowjetunion
Und wenn ich Hungers sterben müsste … 1948-1952. Fritzlar/Hessen
Nichts ist für ewig auf dieser Welt. 1953. Kolyma/Sowjetunion
Immer mehr Totgeglaubte tauchen wieder auf. 1953-1956. Fritzlar/Hessen
Die deutsche Frage in Arthurs Familie. 1953-1956. Kolyma/Sowjetunion
Ein neues Leben aufbauen. 1955-1960. Fritzlar/Nordhessen
Die Befreiung. 1956-1961. Kolyma/Sowjetunion
Frühling lässt sein blaues Band … 1956-1961. Fritzlar/Hessen
Die etwas beschnittene Freiheit. 1957-1960. Moskau – Swerdlowsk/UdSSR
Uli lässt nicht locker. 1965-1970. Fritzlar/Hessen
Ein schmerzliches Wiedersehen mit der Heimat. 1960-1970. Ukraine/Sowjetunion
Jeder Tag bringt etwas Neues … 1960-1970. Fritzlar/Nordhessen
Es geht los. 1970-1990. Tiraspol/Moldawien
Liesels Lebewohl. 1999. Fritzlar
EPILOG
Отрывок из книги
Nelli Kossko
Eine deutsch-deutsche Liebesgeschichte
.....
Arthur wurde kreidebleich und reagierte unerwartet schroff auf dieses Argument seines Kameraden, denn ohne es zu wollen, hatte Hans seinen wundesten Punkt berührt, Erinnerungen an Dinge wachgerufen, an die er sich verboten hatte zu denken: an seine Zeit im Lazarett in Fritzlar, an die zauberhafte Schwester Lisa, seine Liesel mit ihren rehbraunen Augen und der blonden Mähne, an die heißen Nächte und zarten Küsse, an ihre Träume …
Sie war kein Spaziergang, diese Reise nach Litzmannstadt, das heute Lodz heißt, durch das zerbombte Deutschland, auf die sich Liesel und Arthur frohen Mutes begaben: Die Bomber der Alliierten machten Jagd auf die mit Menschen vollgepferchten Züge und warfen ihre todbringende Last mit Vorliebe auf die großen Verkehrsknotenpunkte ab, sodass die Fahrt zu einem endlosen Aus- und Umsteigen, mit langen Fußmärschen und mehr oder weniger langen Pausen in Luftschutzkellern wurde. Es war eine Reise mit Schrecken ohne Ende, aber die beiden haben sich in den Kriegsjahren schon einigermaßen daran gewöhnt, auch war das Szenario ja immer das gleiche: Dem Auf und Ab der Sirenen folgte unheimliche Stille, in der das leise Summen der Bomber allmählich zu einem bedrohlichen Brummen wurde, und dann der ohrenbetäubende Krach der Bombeneinschläge – einer nach dem anderen und dicht beieinander, in Sekundenabständen. Es kamen immer wieder neue Flieger, und es gingen immer wieder Bomben hoch, es krepierten Granaten und ratterten Maschinenpistolen, aber Arthur und Liesel schlugen sich von einer Station zur anderen durch und siehe da: Nach drei Tagen erreichten sie Litzmannstadt und standen endlich vor Elsa Gerbers Tür – erschöpft, elend, abgespannt, mit Tränen der Erleichterung in den Augen, aber glücklich.