Muttermilch
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Nora Ikstena. Muttermilch
Отрывок из книги
An den 15. Oktober 1969 erinnere ich mich nicht. Wie sollte ich auch. Obwohl es ja Leute gibt, die behaupten, dass sie sich an ihre Geburt erinnern. Vermutlich habe ich richtig im Mutterleib gelegen, denn es soll eine natürliche Geburt gewesen sein. Sie war weder besonders lang noch kurz, die Wehen kamen alle fünf Minuten. Meine Mutter war bei meiner Geburt fünfundzwanzig, demnach jung und gesund, was sich allerdings später als nicht ganz richtig herausstellte. In meinem Gedächtnis oder vielleicht in meiner Vorstellung geblieben ist aber das milde goldene Oktoberwetter, in das sich die Vorahnung der dunklen Tage mischt. Ein Schwellenmonat, zumindest in unserer Klimazone, in der sich die Jahreszeiten abwechseln und der Herbst langsam in den Winter übergeht.
Ich habe manchmal einen Traum, aus dem ich mit einem Brechreiz erwache. Ich liege an die Brust meiner Mutter geschmiegt und sauge daran. Die Brust ist groß und milchreich, aber ich bekomme nichts heraus. Ich sehe meine Mutter nicht, sie hilft mir nicht und ich kämpfe ganz allein mit ihrer Brust. Plötzlich habe ich Erfolg und in meinen Mund fließt eine ekelhafte bittere Flüssigkeit, an der ich würge, bis ich mit einem Gefühl von Übelkeit aufschrecke.
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Doch natürlich zieht das von Mutters Bruder aus England geschickte Kleid sofort die Blicke der konkurrierenden Gruppe auf sich. Auch ihr blonder, glatt gekämmter Bubikopf.
Sie hofft, dass die Schwestern nicht mehr vor der Tür stehen wie Zerberusse, um sie in die sieben Kreise der Hölle zurückzustoßen. Zur Sicherheit wird sie noch ein wenig hierbleiben und dann rausgehen, einen langen Spaziergang machen, am Seeufer verweilen und bei ihrer Rückkehr vorspielen, bis zum Umfallen getanzt zu haben und dass der Jüngling, der sie nach Hause gebracht hat, zu schüchtern war, um herein zu kommen und Guten Abend zu sagen.
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