Keine Macht der Moral!
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Norbert Bolz. Keine Macht der Moral!
Keine Macht der Moral!
Inhalt
Entmoralisierung und Remoralisierung der Politik
Die antike Kontrastfolie
Machiavelli und die Selbstbehauptung des Politischen
Hobbes und die Konstruktion des modernen Staates
Hegel und die Vernünftigkeit des Wirklichen
Max Weber und der Pakt mit dem Teufel
Carl Schmitt und die Faszination des Ausnahmezustandes
Exkurs über das Kulturhindernis der Aggression
Rousseau und das Weltgericht
Literatur
Отрывок из книги
Norbert Bolz
Politik jenseits von Gut und Böse
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Natürlich gab es die antipolitische Politik des Liebesakosmismus schon immer; man kann sie zumindest bis zum Urchristentum zurückverfolgen: Damals hat die absolute Ethik des Evangeliums in der Bergpredigt gefordert, dem Übel nicht mit Gewalt zu widerstehen. Heute orchestriert dieser Liebesakosmismus seinen Kampf gegen die Staatsraison mit dem Universalismus der Menschenrechte, mit Nächstenliebe als Fernstenliebe und dem Traum von der One World, dem Weltstaat, der kein Außen mehr kennt. Für Weber und Schmitt hingegen ist es selbstverständlich, dass die Politik die Moral auf Distanz halten muss. Deshalb halten sie dem Gott der Liebe den Dämon der Politik entgegen und der Feindesliebe die Unterscheidung von Freund und Feind. Webers Kritik der Gesinnungsethiker ist heute genauso aktuell wie Schmitts Kritik der indirekten Gewalten – nur dass sich die Gesinnungsethiker heute hinter dem Begriff Verantwortung verstecken und die indirekten Gewalten als Protestbewegungen und NGOs auftreten. Die indirekten Gewalten geben sich den Anschein des Unpolitischen, um den Staat zur Durchsetzung ihrer Interessen zu nutzen. Niklas Luhmann nennt sie »sich selbst ermächtigende ›parademokratische‹ Repräsentanten«.
Der Staat kommt dieser Entwicklung entgegen. Seine spezifisch europäische Geschichte beginnt bei Hobbes mit protection and obedience, also Schutz und Gehorsam, und endet heute mit overprotection im Daseinsfürsorgestaat – nudge heißt das einschlägige Stichwort: der Schubser in die richtige Richtung. Früher hat der Staat die Menschen vor Gefahren geschützt; heute werden wir, so die schöne Formulierung von W. van den Daele, vor der »Gefahr, Gefahren nicht zu erkennen«, geschützt. Genau wie die sozialistischen Emanzipationsprogramme neigt auch eine Politik, die die Menschen vor sich selbst schützen will, zum Paternalismus und behandelt sie als unmündig.
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