Das Buch Mike

Das Buch Mike
Автор книги: id книги: 1957929     Оценка: 0.0     Голосов: 0     Отзывы, комментарии: 0 940,39 руб.     (9,34$) Читать книгу Купить и скачать книгу Купить бумажную книгу Электронная книга Жанр: Языкознание Правообладатель и/или издательство: Bookwire Дата добавления в каталог КнигаЛит: ISBN: 9783991073024 Скачать фрагмент в формате   fb2   fb2.zip Возрастное ограничение: 0+ Оглавление Отрывок из книги

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Описание книги

Seit acht Jahren versehe ich jetzt schon meinen Dienst in einer gepflegten Wohnsiedlung. Stets war ich bereit, in Haus und Garten, im Wald und Feld für Ordnung zu sorgen, mein Rudel zusammen, und den Betrieb am Laufen zu halten. Aber einmal muss Schluss sein. Bevor ich mich endgültig zur Ruhe setze, nehme ich Rückschau auf meine bisherige Amtszeit als Mike vom Schärligbach, Polizeioberwachtmeister vom Dienst. Rückhaltlose Aufklärung ist angesagt. Und ich werde mich selbst nicht schonen. Möge dies Büchlein meinen Nachfolgern ein tägliches Brevier, allen Hundeliebhabern eine Handreichung, den Hundehassern eine Lehre und den Katzen eine Warnung sein: Über allem wacht das Auge des Hütehundes. Für alles gibt es einen Grund, für Leckerli gibt es viele!

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Nyka Foidl. Das Buch Mike

Impressum

Urlaub. Family first! Das ist die Devise. Deshalb fange ich bei meiner Jobbeschreibung gleich mal mit der härtesten Phase des Jahres an. Einmal im Jahr geht die gesamte Belegschaft gemeinsam auf große Fahrt. Es werden Taschen mit Kleidung vollgepackt und zusammen mit Spielsachen, Musikinstrumenten und sogar mal einem Schlauchboot in der beweglichen Kiste namens Auto verstaut. Wenn nichts mehr reingeht, werden meine Schmusedecke, mein Futter, ich selbst und danach alle anderen Hausbewohner in die Lücken gequetscht und es geht los. Wir verbringen den ganzen Tag gemeinsam in der Kiste. Das ist herrlich. Alle machen einmal das, was ich täglich im Haus tue. Schlafen, essen, schauen, kurz nach draußen und pinkeln, wieder schlafen. Irgendwann steht die Welt plötzlich still und alle steigen aus, strecken die eingerosteten Glieder und atmen tief die fremde Luft ein. Dann heißt es „Aha“ und „Oh, wie nett!“ und wir erkunden die Unterkunft, in der wir für die Dauer der Exkursion übernachten werden. Für mich sind diese Auslandsaufenthalte, die von den Menschen „Urlaub“ und „Freizeit“ genannt werden, purer Stress. Ich weiß nicht, was ich ihnen getan habe, dass ich Jahr für Jahr gezwungen werde, mich in immer haarsträubendere Abenteuer zu begeben. Zuerst musste ich gegen meinen Willen in Wasser treten. Es schmeckte fürchterlich und war einfach überall und je länger ich an einer Stelle blieb, desto tiefer sanken meine Pfoten in schleimigen Schlick und ich konnte mich bald gar nicht mehr rühren. Das war nichts gegen die Tatsache, dass die Familie nicht für Geld und gute Worte davon abzubringen war, immer weiter hinein in die abscheuliche Brühe zu marschieren und sich am Ende sogar wohlig stöhnend darin zu wälzen. Regelmäßig beschwört dieser Anblick eine Reihe von Schreckensvisionen vor meinem geistigen Auge herauf: MGL in der endlosen Weite verloren, unter ihr ein Abgrund aus undurchdringlicher Nachtschwärze, erfüllt von Tentakeln, Glubschaugen und scharfen Zähnen aller Arten irrwitzigen Getiers. Und ich, verlassen an einem fremden Strand, eine Tagesreise von meiner geliebten Dienststelle und meiner Schlafecke entfernt! Es hält mich nichts mehr. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und stürze mich in das widerliche Nass. Irgendwann spüre ich keinen Boden mehr unter den Pfoten. Egal. MGL muss gerettet werden, danach werde ich den Jungen zurückholen. Nach einer Ewigkeit mühseligen Paddelns, Naseschnaubens und Japsens erreiche ich endlich MGLs Gesichtskreis. Ich mache unmissverständlich klar, dass ihr Benehmen unverantwortlich und einfach inakzeptabel ist, indem ich eine Kehre um 180 Grad schwimme und ihr bedeute, mir auf der Stelle ans sichere Ufer zu folgen. Und was macht Frau Sorglos? Sie lacht und schwimmt noch ein bisschen weiter raus! „Mikey! Komm’, ist das nicht wunderbar!“, ruft sie dazu noch aus. Wasser spritzt. Ich setze meinen Rückzug stur fort. Am Ufer muss ich erst mal verschnaufen. Setze dann aber sofort zur zweiten Rückholaktion an. So lange, bis das renitente Weib endlich zur Vernunft kommt und mir am Strand ein paar Bälle wirft, wie es sich gehört. Dieses Spielchen musste ich in den vergangenen Jahren immer wieder an verschiedenen Gewässern durchführen. Wenigstens waren auch ein paar wohlschmeckende Seen dabei. Eine andere Spezialität meiner lieben Familie ist das Überwinden großer Strecken per Luftschaukel. Wobei es ihr darauf ankommt, sich in möglichst kleine, möglichst schwankende Behälter mit 20 Fremden zu zwängen, mit möglichst vielen Fenstern, von denen aus man freien Blick hat auf buschige Baumwipfel, schartige Felskanten, steile Abhänge. Und das alles in schwindelnder Höhe

Otto. Da ist zum einen Otto. Er ist sozusagen der Silberrücken im Revier. Ein Koloss von mindestens 60 Kilo Kampfgewicht, welches er gemessenen Schritts durch die Gegend trägt. Dabei behält er stets den todernsten Ausdruck des mit allen Wassern gewaschenen Konstablers im blond umrandeten Labradorengesicht, der jedem Entgegenkommenden zugleich Respekt und Furcht einflößt. Bei unserer ersten Begegnung rief uns sein Teamleiter schon von Weitem zu: „Nehmen Sie die Leine ab, der Otto kann das nicht leiden!“ Was es bedeutet, wenn Otto etwas nicht leiden kann, haben schon verschiedene Vertreter unserer Gattung schmerzhaft erfahren müssen. Es kursieren diverse Geschichten über mehr oder weniger schlimme Blessuren, mit denen der Konstabler sowohl kleine wie große Mithunde gesegnet hat, die versehentlich in seine Reichweite kamen. Und jede dieser Geschichten beginnt mit „Kennen Sie schon Otto?“ „Otto? Oh, Gott …“

Toni. Obwohl man ihn fast nie im Revier persönlich antrifft, ranken sich doch unzählige Legenden um den Paten aus dem Appenzell. Eine Geschichte ist schauriger als die andere, und selbst kleine Menschenkinder sprechen seinen Namen mit größter Ehrfurcht und nur im Flüsterton aus. Durch unsere Stammesverwandtschaft sehen wir uns zum Verwechseln ähnlich. Auch Toni trägt das dreifarbige Haarkleid und die Rute hoch geringelt über dem Rücken. Bei näherer Betrachtung fallen jedoch meine ungleich zierlichere Statur und die sehr viel elegantere Linie meines Kopfes auf. Toni könnte mit seinem Schädel eine Dampflok spalten. Wer doch einmal in den zweifelhaften Genuss kommt, Toni daselbst auf einem bis dahin erbaulichen Spaziergang zu begegnen, merkt es daran, dass in etwa hundert Metern Entfernung plötzlich ein höllisches Gebrüll anhebt. In menschliche Worte übersetzt hört man so viel wie: „Wer ist das? Wer wagt es, in meinem Wald zu gehen? Zeig dich, du, ich mach dich platt! Ich reiß dir den Kopf ab und zwinge dich, ihn zu verschlucken! Ich prügel dich windelweich und dreh dich auf links! …“ Augenzeugen berichten, dass er jedes Wort exakt so meint

Franka. Eigentlich bin ich es seit Jahren gewöhnt, mit einer Partnerin auf Augenhöhe, na schön, auf Schulterhöhe, zu arbeiten. Vor etwa 4 Jahren teilte mir MGL meine erste Partnerin zu. Franka war damals schon im Rentenalter, ich noch ein Jungspund und vor meiner tragischen Operation, und sie nahm ihren Platz mit der Souveränität und Gelassenheit einer abgetakelten Fregatte ein, die weitgereist und des Lebens müde, aber würdevoll im letzten Hafen anlegt und die nichts, aber auch gar nichts so leicht aus der Ruhe bringen konnte, schon gar nicht ein aufgeregter junger Eiferer, der bei der kleinsten Störung aus der Haut fährt. Und sie war wunderschön. Hochgewachsen, Beine bis zum Himmel, langes rotes Haar, das ihr in weichen Wellen von den Ohren hing und auch sonst überall. Gut, hier und da war sie schon leicht ergraut und hintenherum war sie sicher schon mal schlanker gewesen, aber sonst. Und ihr Gesicht! So lang und schmal, und Augen wie ein Reh. Franka lebte nicht permanent mit im Haus. Sie kam montags bis freitags von früh bis nachmittags, da ihre Leute tagsüber einer Arbeit nachgingen, für die Franka wohl nicht geeignet war. Pünktlich zwischen 7 Uhr 30 und 8 Uhr stand sie auf der Matte, blickte sich kurz nach dem bequemsten Platz um, um sich dort gemächlich niederzulassen, und machte mit ihrer ganzen Körpersprache klar, dass sie lediglich gezwungenermaßen ihren Schlafplatz gewechselt hatte und an Arbeit um diese unchristliche Zeit ja wohl nicht ernsthaft zu denken war. Überhaupt Arbeit! Franka hatte schon von Natur aus eine zu mir so fundamental gegensätzliche Vorstellung davon, was unsere Aufgabe im Dienst sein sollte. Ich verstand ihren Ansatz schlicht und einfach nicht, und sie machte sich nicht die geringste Mühe, ihn mir nahezubringen

Joschi. Der Himmel weiß, aus welcher Gosse man diesen Unhold einst gezogen hat, damit er hier, in meinem beschaulichen Bezirk, mit hübschen Vorgärten, gepflegten Grünanlagen und anständigen Leuten, sein Unwesen treiben kann. Er ist ein Riesenkerl, schneeweiß, ein Schädel so groß wie ein Bär, der Hotzenplotz unserer Gemeinde. Er scheint sich selbst für den König des Waldes zu halten, denn oft sieht man ihn mutterseelenallein mitten im dichtesten Unterholz stehen und dabei in die Ferne stieren oder ein Loch von beeindruckender Größe buddeln, in dem er wahrscheinlich sein nächstes Opfer verschwinden lassen will. Sehe ich ihn auf meiner Tour so in eine seiner zweifellos kriminellen Handlungen vertieft, schreite ich umgehend zur Tat. „Ich bin Polizeihauptwachtmeister Mike vom Schärligbach und ich weiß genau, wer du bist, Joschi aus der Gosse! Ich habe beide Augen auf dich und eines Tages erwische ich dich! Und dann wirst du verhaftet! Also pass bloß auf! Heute gehe ich noch mal an dir vorbei, aber warte nur …!“ Während all dem bleibt er unbeirrt stehen und ignoriert mich auf so unverschämte Weise, dass es mich schüttelt. Er steht oder fläzt sich bequem hin und starrt seine Begleiterin an, die stets irgendwo in seiner Nähe, oder Ferne, zu finden ist. Die Frau sieht aus wie Methusalems Großmutter, ist sie doch mindestens dreihundert Jahre alt. Sie hat beim Gehen oder Stehen immer ein wenig Schlagseite, denn ihr Rücken ist schon ganz krumm. Dafür hat sie das Herz auf dem rechten Fleck, denn sie hat immer Leckerli in ihrer Tasche und teilt diese allen Hunden gerne aus. Das aber darf ihr undankbarer Zögling, Joschi, nicht mitkriegen, sonst wird er eifersüchtig

Sportsfreunde. Einige Zeit pflegten wir, MGL und ich, ein teures Hobby. Es nennt sich Agility und dient dazu, sich geschickt und schnell, zuweilen sogar athletisch zu bewegen, den Geist zu fordern und die Partnerschaft zwischen Hund und Teamleiter zu festigen. Von meiner Seite war sowohl die Bereitschaft als auch die Fähigkeit zu all dem vorhanden. Ich kann nichts dafür, dass MGL da leider nicht mithalten kann, was das Sportliche und, wie ich befürchte, auch das Mentale angeht. Aber sie bemühte sich redlich. Einmal pro Woche gingen wir zu einem Sportplatz und trafen uns mit den anderen Teams. Die Cheftrainerin war eine Naturgewalt, bestehend aus einem grauen Haargebüsch, das nur den durchdringenden Blick und einen riesigen Mund freiließ, aus dem ihre Kommandos wie Kanonendonner über den ganzen Platz hallten. Im Schlepptau hatte sie ihre Partnerin, einen schwarzen Riesenschnauzer. Der Name dieses Ungetüms: Mina. Mina durfte nicht mittrainieren. Stattdessen musste sie das Treiben der Sportler von einem Zwinger aus beobachten, den sie sofort als ihren heiligen Grund und Boden betrachtete und mit Zähnen und Klauen verteidigte. Das führte dazu, dass, wann immer einer aus der Gruppe der Athleten sich aus irgendeiner Richtung oder zu schnell ihrem Zwinger näherte, sie ein höllisches Theater machte. Ich war derartig irritiert, dass ich natürlich jedes Mal sofort darauf ansprang. Das machte Mina wiederum einen solchen Spaß, dass sie mich bald zu ihrem Lieblingsopfer erkoren hatte. So kam es immer öfter zu Szenen wie dieser: Ich versuche also, hochkonzentriert und in Rekordzeit die Rampe hochzuklettern, oben kurz warten, bis sie sich auf der anderen Seite zu Boden senkt, dann runter und nach links abbiegen in den Tunnel. Doch bis dahin komme ich nicht. Noch während ich nach unten hetze, fängt die Pöbelei hinter dem Zwingerzaun an „Ha! Da kommt er ja, der Anfänger! Ja, trau’ dich nur! Wehe, du kommst meinem Zaun zu nahe! Ich mach’ dich platt!“ und so weiter. Sofort verlässt mich jeglicher Sportsgeist und anstatt abzubiegen, stürme ich geradewegs von der Rampe auf die große schwarze Provokation zu und pöbele zurück: „Was sagst du zu mir, du? Ich komm’ gleich mal zu dir rein und dann werden wir ja sehen, wer hier der Anfänger ist!“ Da geht das Graue Gebüsch dazwischen. Sie ruft: „Mina! Aus!“ Mina geht Aus. Mich treibt sie zurück in den Parcours, wo MGL neben dem Tunnel steht. Sie tappt ungehalten mit dem Fuß und zeigt wortlos in die dunkle Öffnung. „Schon gut“, sage ich und wir beenden unseren Durchgang. Später sagt die graue Cheftrainerin, dass ihre Mina auch bei sich zu Hause immer alle anpöbelt, die an ihrem Gartenzaun vorbeigehen, einfach weil sie so einen Spaß an deren Empörung hat. Nett, wirklich. Während Mina und ich diese kleine Showeinlage haben, stehen alle anderen Mitglieder der Sportgruppe wortlos herum und versuchen, sich zwischen Popcorn holen und ungeduldigem Zappeln zu entscheiden. Denn alle müssen artig im Sitz abwarten, bis das Team, das mit dem Parcours an der Reihe ist, alle Stationen fehlerfrei abgeliefert hat. Unsere Sportgruppe bestand aus 5 Teams wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Da waren zunächst natürlich MGL und ich, die Newcomer. Trotzdem prophezeite mir die Cheftrainerin eine glänzende Karriere als Agility-Athlet. Ich sei ja so flink und ich würde superschnell kapieren. MGL müsste nur noch den richtigen Dreh herauskriegen, die Kommandos zu geben oder die Richtung anzuzeigen. Wie gesagt: An mir sollte es nicht liegen. Der Älteste war ein kräftiger Kerl, irgendwas zwischen hellem Labrador und Dänischer Dogge mit ebensolchem Gemüt und noch ganz Alte Schule. Sein Teampartner war ein Mann eher am Ende der mittleren Jahre mit Schnauzbart. Er trug immer einen verwegenen australischen Cowboyhut und eine braune Lederweste mit vielen praktischen Taschen. Der Mann hieß Hans, den Namen des Hundes habe ich vergessen. Ich nenne ihn Hanshund, weil sich die beiden sowieso zum Verwechseln ähnlich sahen. Ein tolles Team. Meistens kam ihnen die Aufgabe zu, den neuen Parcours als Erste abzugehen und den wartenden Teams vorzuführen. Ich möchte vorwegnehmen, dass es bei Agility um Schnelligkeit, Wendigkeit und Teamgeist geht, nicht wahr? Wenn die beiden Hanse loslegten, geschah es stets mit allergrößter Würde. Gemessenen Schrittes begab man sich an den Startplatz. Dort ins Sitz. Hans ging in Startposition und gab das Zeichen zur ersten Station. Und schon erhob sich das Hanshund’sche Hinterteil sehr überlegt und würdevoll und latschte auf eine Rampe, latschte oben drüber, latschte wieder runter. Dann musste ein Podest erklommen werden, wo es ein Leckerchen gab. Vielleicht ging es anschließend durch einen Tunnel, rechts rein, links wieder raus und direkt Sprung über eine Hürde. Nein, Moment, nicht direkt. Das wurde erst einmal kritisch beäugt, dann noch einmal nachgefragt, ob man wirklich da oben drüber …? Hans machte wiederholt seine ausladenden Gesten in Zeitlupe und Hanshund ließ sich schließlich dazu überreden, eine Vorderhand langsam über die Stange zu heben, dann die andere, danach kurze innere Diskussion, welches der beiden Beine zuerst, dann das andere. Geschafft. Hier muss ich jetzt abbrechen. So ein Parcours bestand immer aus mindestens acht Stationen und das mit Abstand Schwierigste war, dabei zuzusehen, wie Hans und Hanshund ihre Runde machten, und dabei nicht komplett durchzudrehen. Hatten die beiden Olympioniken der Langsamkeit endlich das Ende der Fahnenstange erreicht, durfte Jenny ran. Wie ich früher schon erwähnte, scheint ein laut und deutlich gebelltes „JAWOLL!“ das Markenzeichen eines guten Australian Shepherds zu sein. Jenny hatte sich angewöhnt, ihre Bereitschaft als Dauerschleife verlauten zu lassen. Ihre Teampartnerin entschuldigte sich bei jedem Treffen auf dem Sportplatz schon im Voraus, dass Jenny einfach nicht anders könne. Setzten sich die beiden in Bewegung, ging es sofort los. „JAWOLL! JAWOLL! JAWOLL!“ Zugegeben, das Team Jenny meisterte alle Hürden mit Leichtigkeit, vorbildlich und zügig. Für einen Durchgang brauchten sie maximal vier Minuten. Aber in dieser Zeit schaffte die arme Irre es auch, mindestens dreißig Mal „JAWOLL!“ zu rufen, und alle waren mit den Nerven durch. Etwas zögerlich und reichlich verstört durch den Trubel der letzten Minuten, trat nun eine gepflegte ältere Dame mit ihrem ebenfalls gepflegten älteren Frauchen den Weg zum Startplatz an. Auch ihren Namen habe ich vergessen. Sie beeindruckte mehr durch ihre herzerfrischende Sturheit. Deshalb nenne ich sie „Persönchen“. Sie war recht klein, hübsch, ähnlich geartet wie unser Fräulein Lilo und flink, wenn sie sich einmal entschlossen hatte, über eine Hürde zu springen. Dann aber sah es aus, als ob sie auf Sprungfedern unterwegs wäre, und sie flog regelrecht über die Hindernisse

Elisa. Elisa. Wo soll ich anfangen? Vielleicht sollte ich erwähnen, dass im gleichen Jahr, in dem Franka von uns gegangen war, in meinen Hoden, die ich bis dahin stets voller Stolz getragen hatte, ein bösartiger Tumor diagnostiziert wurde. Nun, da der Krebs drohte, sich schnell überall in meinen Niederungen auszubreiten, musste ich mich wohl oder übel von ihnen verabschieden. Wie schon früher erwähnt, wusste ich ohnehin damals nichts Fruchtbringendes damit anzufangen, und so erholte ich mich recht schnell von dem Eingriff. Rings um mich war man gespannt, ob es zu einer Veränderung meiner Persönlichkeit kommen würde. Ob ich eventuell künftig darauf verzichten würde, jeden männlichen Vertreter meiner Art auf der Stelle vernichten zu wollen. Ich bitte um Verzeihung! Was bitte ist damit nicht in Ordnung? Sorge ich doch dafür, dass nicht jeder dahergelaufene Halunke rotzfrech das Maul aufreißt und mich „Eunuch!“ oder „Abgesackter!“ nennt! Aber ich schweife ab. Der unfreiwillige Verlust meiner Manneskraft hatte letztlich auch wieder sein Gutes. Versetzte er mich doch in die Lage, in der Hierarchie meiner Dienststelle eine Stufe höher zu steigen: Ich sollte Ausbilder werden. Ich sollte eine junge unverbrauchte Partnerin bekommen, mit der ich meinen in langen Jahren mühsam erworbenen Erfahrungsschatz teilen durfte, der ich von der Pike auf alles über Spurenlesen, Ordnung schaffen, Streitschlichten, Personenkontrolle, aber auch das „Dinge aus der Luft fangen“, „Dinge finden und dann zerkleinern“ und auch „über Baumstämme springen“, „unter Baumstämmen durchgehen“ und zu guter Letzt alles über das Ruhebewahren und „den Überblick haben“ beibringen konnte. Kurz, das Hüter sein. Da hätten sexuelle Episoden wie jene mit Franka sehr den Ablauf gestört. Ich sah also stolz und in freudiger Erwartung meiner neuen Aufgabe entgegen

Und dann kam Elisa. Elisa hat das gleiche Pferdegesicht wie Franka, die gleichen roten Haare, aber sie ist wesentlich zierlicher und weniger hoch. Da fällt mir ein, wie ich einmal mit MGL und Franka die Ausbildungsstätte des Jungen besuchte. Die Menschenjungen lernen in diesen Einrichtungen Dinge wie stundenlanges Stillsitzen und „Auf den Tisch vor sich Starren“. Manchmal nehmen sie ein Stäbchen zur Hand und halten es zwischen den Fingern. Sie nennen das Schreiben, Lesen und Rechnen. Als wir aber vor dieser „Schule“ eintrafen, war gerade das einzig sinnvolle Fach „Rennen, Fangen, den Ball-Kriegen“ im Gange. MGL ließ uns am Zaun warten und ging in das Gebäude. Als sie endlich wiederkam, hatte sich jenseits des Zauns eine kleine Traube von jungen Menschenmädchen um uns versammelt. Und eines von ihnen zeigte auf Franka und fragte schließlich: „Wie heißt das Pony?“ So hoch war Franka. Also, wenn Franka ein Pony war, dann ist Elisa ein Lämmchen, ein rotbraunes. Pony trägt sie allerdings über der Stirn, was in ihrer Familie, wenn überhaupt, dann äußerst selten vorkommt. Manchmal wird ihr dieser ungewöhnliche Schopf etwas gestutzt, damit sie nicht gar zu sehr wie ein Hippie aussieht, doch dann machen sich meine Leute auf der Dienststelle einen Spaß daraus, diesen Haarbüschel zwischen ihren Handflächen senkrecht nach oben zu ziehen, sodass er in der Mitte ihres Kopfes wie ein Hahnenkamm zu stehen kommt. Oder es wird ein lustiger Kringel gezwirbelt, fehlt nur noch ein Schleifchen! Das und Elisas verständnisloser Blick lösen dann immer ein großes Gelächter aus, was mir, ehrlich gesagt, nur peinlich ist

Katze! Zur täglichen Routine gehört, dass wir wenigstens einmal am Tag beim Staatsfeind Nr. 1 als Ordnungsmacht Präsenz zeigen. Während bei uns die Ritterlichkeit im Vordergrund steht, einfach durch unsere adelige Abstammung, sind einige Katzen fest davon überzeugt, die eigentlichen rechtmäßigen Souveräns von allem zu sein. Deshalb ist ihr oberstes Ziel die Erringung der Weltherrschaft. Wir haben so einige künftige Weltherrscher hier. Sie nennen sich Perser und hören auf Namen wie „Queenie“ oder „Princess“. Mein Favorit sieht aus wie der Pirat Captain Hook in Weiß. Anfangs tarnte er sich als süßes Wollknäuel, das immer irgendwo dekorativ herumsaß und unschuldig guckte. Inzwischen hat er sich aber wohl in der Liga der Welteroberer einen Platz erkämpft und offensichtlich dafür ein Auge geopfert. Auch sein wolliges Fell hat etwas von seiner Makellosigkeit eingebüßt und sieht aus, als wäre es versehentlich zu heiß und mit dunkler Wäsche geschleudert worden. Bei schönem Wetter erwartet uns der kleine Teufel auf dem Fenstersims seines gepflegten Einfamilienhäuschens, das er von einer jungen Familie mit zwei kleinen Kindern gekapert hat. Gerade hat er es sich so richtig schön gemütlich gemacht. Ich habe Rekrutin Elisa schon an der Straßenecke eingeschärft, wie wir unsere Aufgabe zur Wahrung der rechtsstaatlichen Ordnung am besten ausführen: „Kopf hoch und keine Suchspielchen jetzt! Guck, dass du deine Rute im Griff hast, wir müssen jetzt Autorität ausstrahlen. Hast du das verstanden?“ „Ja, Chief. Kopf hoch und ausstrahlen!“, quietscht sie begeistert „Und hampel’ um Himmels willen nicht rum!“, gebe ich ihr noch mit. Wir biegen um die Ecke und können das höhnische Fauchen schon hören: „Ah, da kommen meine Lieblingstrottel von der Deppenbrigade! Weltherrschaft!“ Ich muss schwer atmen. Elisa macht es mir nach und ihr Hintern beginnt gefährlich zu wackeln, aber wir reißen uns brutal am Riemen „Ja, ja, geht nur schön brav weiter an eurer Leine und immer an der Wand lang! Weltherrschaft!“, pöbelt Hook weiter. Dabei lässt er uns keine Sekunde aus dem blindweißen Auge „Chief, da ist ein Katertier, das mich sehr ungezogen anstarrt und unfreundliche Sachen sagt. Ich muss es verjagen!“, platzt es jetzt aus Elisa heraus, und sie fängt an zu zappeln. Noch bevor ich etwas sagen kann, reißt sie an der Leine und lässt ihrer Empörung freien Lauf. „He, du, ich bin Elisa und immer sehr freundlich! Du sagst böse Sachen! Das darfst du gar nicht! Ich komme jetzt rüber und haue dich, du frecher Kerl!“ „Oh, du meine Güte, da mach’ ich mir ja grad so was von ins Hemd! Weltherrschaft! Schau mal, wie ich schon schlottere, ich kann mich ja gar nicht mehr rühren! Weltherrschaft!“, ruft Hook zurück, rührt sich keinen Millimeter und blinzelt nicht einmal. Währenddessen läuft MGL mit festem Schritt weiter, die Augen geradeaus, damit wir diesen heiklen Abschnitt endlich hinter uns bringen. Ich versuche immer mein Bestes, nicht zu hyperventilieren, und ertrage die Schmährufe, die uns bis zum Ende der Straße verfolgen „Ja, schleicht’s euch, Söhne einer räudigen Hündin! Weltherrschaft! Wartet nur, bis wir übernommen haben. Da könnt ihr euch nicht mehr unter Frauchens Rockzipfel verstecken! Weltherrschaft! Wir machen euch platt! Die Welt gehört uns! …“, und so weiter und so weiter „Ich bin aber ein Mädchen …“, grummelt Elisa noch beleidigt vor sich hin. Mit der Zeit habe ich mich so an Hooks Tiraden gewöhnt, dass ich eigentlich jeden Tag gespannt bin, was er wohl heute zu bieten hat, und muss auch gar nicht mehr so arg schnaufen, wenn wir an dem bewussten Haus vorbeigehen. Ich frage mich, was passiert, wenn der Tag der Katzenweltherrschaft kommt und sie merken, dass es nur eine Welt für alle gibt, die man beherrschaften kann …

Endlich haben wir dann auch den Waldrand erreicht und ich habe Freigang. Ich versuche immer, so schnell wie möglich ein paar Meter zwischen mich und meine tumbe Gurkentruppe zu bringen. Es ist unmöglich, sich zu konzentrieren, wenn ununterbrochen gequatscht wird. „Elisa, hier lang … Elisa, raus da! … Na da komm … Eliiisa! Träumchen! … Auf, weiter geht’s!“ So geht es den ganzen Weg. Mit der Zeit hat MGL auch noch andere Spitznamen für Elisa erfunden. Da geht es dann „komm’, Flippi!“ und „Liese“ und „Lei“ oder „Lilei“. Kein Wunder, dass ich es nicht mitkriege, wenn tatsächlich einmal ich gemeint bin. Auf einmal werde ich dann am Kragen gepackt und streng angesehen. Dann höre ich ein Klicken und ich bin wieder eingespannt. Wir gehen zusammen über die „Große Straße“ und betreten den „Großen Wald“. Dort kann ich endlich auch einmal eine Trainingsstunde mit meiner Rekrutin abhalten. Es geht um das schnellstmögliche Jagen, Fangen beziehungsweise Finden und Aufräumen von Gefahrengütern. Das kann am Anfang ein Stöckchen sein, später erst folgen die Tannenzapfen und erst am Schluss die ganz kleinen, harten Kiefernzapfen. Natürlich ist Aufmerksamkeit gefragt und schnelle Reaktion. Das Erstere hat Elisa drauf, das können wir schon abhaken, aber mit Letzterem beißen wir auf Granit. Oder eher auf Watte. So etwa sieht es nämlich aus, wenn Elisa eine Sache aus der Luft schnappen soll. MGL: „Eliiisa! Guck’ mal.“ (zeigt den Stock, riesig) Elisa: „Ja! Bin da! Bin bereit! Was hast du da? Ist das für mich? Ich bin Elisa! Darf ich es haben? Ja? Will es haben! …“ (MGL hebt den Arm) „Du hebst es hoch! Darf ich? Darf ich? … (Der Stock fliegt weg) Oh, jetzt ist es weg … Schnell hinterher! Oh der Chief hat es schon … Ich warte, bis er damit fertig ist …“ Und dann schaut sie sich das Ding ganz genau an. Aber anstatt den Stock sorgfältig an den Wegrand zu räumen, trägt sie ihn noch meilenweit mit sich herum. Zwischendurch wirft sie ihn hoch und erjagt ihn dann erneut. Ich gebe auf. Sie kriegt die grundlegenden Prinzipien der Allgemeinen Ordnung einfach nicht mit. Einmal versuchte ich noch, das Kapitel „auf dem Wildwechsel nach dem Rechten sehen“ zu behandeln. Dazu schert der Wildhüter, also ich, sehr plötzlich vom Weg aus, macht in hohem Tempo einen großen Bogen durchs Unterholz und kommt wieder am Weg heraus. Dabei darf man sich nicht von MGLs Rufen und Pfeifen irritieren lassen. Da mir Rekrut Elisa immer unaufgefordert hinterherrennt, hatte ich sie eines Tages im Schlepptau. Unterwegs war ihr aber wohl etwas Spannendes begegnet, ein Blatt, ein Loch, und ich verlor sie. Ich beendete meinen Bogen. MGL stand auf dem Weg, allein, der Blick suchend und die Stimme in höchster Alarmstufe. Elisa war weg. Ich malte mir gerade meine Zukunft in den rosigsten Farben aus. Endlich Ruhe und Frieden, entspannte Spaziergänge ohne ständiges Gequatsche. Da riss mich MGL aus meiner Träumerei „Mikey, wo ist die Elisa? Such!“, befahl sie, und ich jagte davon, um die Abtrünnige wieder einzufangen. Sie war leicht zu finden, denn aufgrund ihrer ausgeprägten Ängstlichkeit hatte sie sich, als sie sich ihrer Verlorenheit bewusst wurde, einfach hingesetzt und gewartet, bis man sie abholte. Mit reichlichem Schubsen und Rempeln bugsierte ich sie wieder auf den sicheren Pfad und sparte auch nicht an mahnenden Worten. „Wer hat gesagt, dass du gleich hinterherrennen sollst? Gib nächstes Mal gefälligst Laut, wenn man dich schon suchen muss! Mann, Mann, Mann, mit dir hab’ ich echt das ganz große Los gezogen.“ Vielleicht sind es solche Begebenheiten, die dazu geführt haben, dass wir auf der Dienststelle und auf Streife die Zügel haben schleifen lassen. Vielleicht ist es auch die jahrelange Routine auf unserem breitgelatschten Rundgang. In letzter Zeit habe ich jedenfalls eine gewisse Laxheit bei MGL festgestellt, was die Ausübung unserer Pflicht angeht. Da geht man plötzlich nur noch einmal morgens eine große Runde und abends ist es dann „schon zu dunkel“ oder „zu nass“ oder „zu kalt“. Ja, wo gibt’s denn so was? Wenn es ihre Gnaden dann doch noch vom Sofa hoch und nach draußen geschafft hat, kommt es auch immer öfter zu einigem Kompetenzgerangel zwischen MGL, der selbstüberschätzten Teamleiterin, und mir, dem fälschlicherweise untergeordneten Oberwachtmeister. Unlängst ging sie zu weit. Es war die Abendrunde. Der Wald voller Leute, unmöglich, alle Spuren genau zu kontrollieren, doch ich war mir sicher, dass mich eine drohende Gefahr anwandelte in Gestalt zweier weißer Riesen, die mir völlig unbekannt waren. Sie mussten hier eben noch vorbeigekommen sein. Ich musste ihre Spur verfolgen. Mein Kontrollinstinkt war geweckt, doch irgendetwas hinderte mich, vorwärts zu drängen. Es zerrte mich in die entgegengesetzte Richtung. Da merkte ich, dass MGL mich an der Leine hinter sich her schleifen wollte mit einem gemurmelten „… hab doch keine Zeit mehr.“ Gut, dachte ich, da helfen keine Worte. Ich setzte mich hin, den Blick auf den Punkt gerichtet, den ich demnächst ansteuern würde. Aber Madame verstand einfach nicht. Das Gezerre ging weiter. Sie wollte es tatsächlich auf eine Diskussion ankommen lassen, während in der Ferne die beiden fremden Verdächtigen, ich sah aus den Augenwinkeln ein Zwillingspaar weißer Schäfer, unbehelligt meinen Weg passierten. Und da geschah das Unfassbare: MGL trat zu mir, bückte sich, nahm mich auf den Arm und trug mich weg! Wie ein Baby! Das mir, in meinem Alter, mit einem Gewicht von immerhin 50 Pfund plus dem Gewicht der Verantwortung, die auf meinen Schultern lastet. Das macht zusammen mindestens einen halben Zentner. Und sie nimmt mich hoch! Ich war geschockt! Auf den längsten drei Metern meines Lebens konnte ich nur hoffen, dass nicht ausgerechnet jetzt der großspurige Otto um die Ecke kam oder ein räudiger Zwerg wie Amadeus, der immer einen solchen Affentanz um sich herum macht, als schlummere in ihm irgendein verdammtes musikalisches Genie. Diese und die Überlegung, wie sehr diese dreiste Kompetenzüberschreitung mein Verhältnis zu MGL zerrütten würde, ließen mich mein eigentliches Vorhaben vergessen

Personenkontrolle

Rente. Seit unserem letzten Besuch in der „Kammer des Schreckens“ ist es offiziell: Ich bin jetzt Senior. Der Frau Doktor hat MGL nämlich geraten, mein Futter umzustellen, und ich bekomme jetzt „fett- und eiweißreduziert für den wenig aktiven Hund“ Zugegeben: Ich leiste mir seit einiger Zeit einen gewissen Altersstarrsinn. Zum Beispiel ziehe ich es vor, nach der Abendmahlzeit das Haus nicht mehr zu verlassen. Ich empfinde es geradezu als unschicklich, sich nach siebzehn Uhr noch auf der Straße zu zeigen, wo wirklich jeder herumflaniert, als würde man es zum Spaß machen. Lieber erledige ich alle aushäusigen Pflichten schon beim morgendlichen Rundgang, dann Frühstück und den Rest des Tages Home Office. Früher bin ich ja MGL zuliebe klaglos bei jedem Wetter und früh wie abends mitgegangen, aber bei allem Respekt vor dem Amt muss man sich ja doch irgendwann einmal die Sinnfrage stellen, nicht wahr. Nachdem ich meinen abendlichen Unwillen ein paar Mal unmissverständlich klargemacht habe, hat MGL auch ein Einsehen und wir haben den Tagesablauf entsprechend angepasst. Es hat schon was, wenn man mit dem Hinweis auf sein Alter ungestraft stur oder gar unhöflich sein darf, auch, wenn man nicht zufällig von Haus aus Pekinese oder Mops ist. Inzwischen ist auch Elisa, wie es scheint, aus dem Gröbsten raus. Demnächst wird sie unsere Dienststelle verlassen und ihr eigenes Revier übernehmen. Beruflich wird sie sich wohl eher in Richtung „Gesellschafterin“ umorientieren, da von nun an eine alte Dame in ihrem Heim wohnen wird, die ein wenig Betreuung braucht. Ich stelle fest, dass ich ein bisschen stolz bin auf die Arbeit, die ich an ihr geleistet habe: Das wuselige, flippige Bündel namens Elisa, was sich beim Anblick eines Schmetterlings prompt nassgemacht hat, verlässt uns als unaufgeregte junge Dame mit Talent zur Schlaftablette. Die kurze Kontrollrunde, die MGL und ich sonst in einer Viertelstunde absolvieren, uferte mit Elisa zuletzt in vormittagsfüllendes Spazieren-Stehen aus, da sie sich angewöhnt hat, alle fünf Meter ein Loch mitten in den Weg zu buddeln oder ausgiebig an irgendeinem Gesträuch herumzuschnüffeln und darüber einzuschlafen. Dornröschen lässt grüßen, sag ich da nur. Ein anderes Mal konnte sie den Blick nicht von einem Kollegen abwenden, der hinter uns auftauchte, und vergaß schlicht, weiter vorwärtszugehen. Auch als der Kollege schon um die nächste Biegung verschwunden war, stand Elisa da und träumte vielleicht einer verpassten Chance hinterher. MGL sprach sie an: „Na, Liese, was haste denn?“ Darauf drehte Elisa den Kopf und machte nur „Hm?“ „Na, kommste mit?“, versuchte es MGL weiter „Hm …“, machte sie wieder und stand unschlüssig da. Dann rang sie sich zu dem Satz durch, der mich restlos vom Erfolg meiner Ausbildung überzeugte: „Bist du sicher, dass wir da langgehen? Ich habe hier noch nicht alles kontrolliert und da hinten … da war doch gerade noch jemand …?“ Bingo. Das war’s, Auftrag erledigt, Stempel drauf. Elisa ist offiziell eine Politesse! Ehrlich gesagt, hätte ich nie gedacht, dass sie es mal so weit bringt. Jetzt kann ich getrost in den Ruhestand gehen und die Vorzüge genießen, die das Ansehen eines Polizeioberwachtmeisters a. D. mit sich bringt. Mir gefällt es inzwischen sogar, wenn ganz junge Welpen mit fliegenden Ohren auf mich zuspringen, mich „Opa“ nennen und zutraulich an mir hochklettern. Ich begutachte sie dann sehr vorsichtig, aber wenn eines zu wild wird, nehme ich es schon kurz her, damit es Benimm lernt. Darauf folgt immer ein ganz hohes Quieken und die Menschen drum herum japsen erschrocken, aber es ist ja nichts passiert und das Kleine hat es auch schon wieder vergessen. Herzig! Mit meiner Nachbarin Ella verstehe ich mich immer noch nicht. Oft ruft sie von drüben irgendeine Frechheit rüber, dann schieße ich überraschend plötzlich hinaus, und wir schreien uns über den Zaun hinweg an. Das ist herrlich belebend, vor allem, wenn sie als Erste von ihrer Chefin zurückgepfiffen wird. MGL ist dann genervt und sagt nur: „Oh, Mike, jetzt lass’ es doch mal gut sein! Du tust dir nur wieder weh!“ Sei’s drum. Die Haustür klappert. Da fällt mir ein, dass ich Hunger habe und noch kein Abendessen hatte. Da werde ich wohl gleich mal deutlich drauf hinweisen müssen – nachdem ich das Malheur in der Küche mit dem Komposteimer erklärt habe

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