Die alte Jungfer

Die alte Jungfer
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Im Roman 'Die alte Jungfer' entführt der Autor den Leser nach Alencon und schildert anhand des Kampfes dreier Bewerber um die zweiundvierzigjährige Rose-Marie-Victoire Cormon, der reichsten Erbin der Stadt, die Habgier, die Borniertheit und den Dünkel der 'besseren' Gesellschaft, aber auch die politischen Kämpfe, wie sie kurz vor der Julirevolution 1830 auch für die französische Provinz kennzeichnend waren.

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Оноре де Бальзак. Die alte Jungfer

Widmung

I

II

III

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Honoré de Balzac

Die alte Jungfer

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Suzanne, der die letzten Worte des Chevaliers eine Erleuchtung gebracht hatten, brannte vor Begierde, zu Monsieur du Bousquier zu laufen. Um ihre Eile nicht gar so auffällig zu machen, befragte sie den Chevalier über Paris und half ihm beim Ankleiden. Der Chevalier sah die Wirkung seiner Fingerzeige und wollte Suzanne das Fortkommen erleichtern, indem er sie bat, Cesarine mit der Schokolade heraufzuschicken, die ihm Madame Lardot jeden Morgen bereitete. Suzanne entschlüpfte rasch, um sich zu ihrem Opfer zu begeben, dessen Biographie hier folgt.

Als Sprössling einer alten Familie Alençons hielt Monsieur du Bousquier die Mitte zwischen dem Bourgeois und dem kleinen Adligen. Sein Vater hatte das Amt eines Kriminalleutnants bekleidet. Als sich Monsieur du Bousquier nach dem Tode seines Vaters ohne Hilfsquellen sah, war er, wie alle verarmten Provinzler, nach Paris gegangen, um dort sein Glück zu machen. Zu Beginn der Revolution hatte er angefangen, Geschäfte zu machen. Sosehr sich auch die Republikaner alle mit ihrer revolutionären Ehrlichkeit aufs hohe Ross setzten, die Geschäfte jener Zeit waren undurchsichtig. Ein politischer Spion, ein Börsenspekulant, ein Proviantmeister, einer, der im Einverständnis mit dem Syndikus der Kommune Güter der Emigrierten einziehen ließ, um sie zu kaufen und wieder loszuschlagen, ein Minister und ein General, sie machten alle auf gleiche Weise Geschäfte. Von 1793 bis 1799 lieferte Monsieur du Bousquier den Proviant für die französischen Armeen. Er besaß zu jener Zeit ein prächtiges Haus, war einer der Matadore der Finanz, machte Halbpartgeschäfte mit Ouvrard, hielt offene Tafel und führte das skandalöse Leben der Zeit, eine Cincinnatus-Existenz mit Säcken voll Getreide, das ohne Mühe geerntet war, mit gestohlenen Rationen, mit Lustschlösschen voll leichter Mädchen, wo für die Direktoren der Republik große Feste veranstaltet wurden. Der Bürger Bousquier war einer der vertrauten Freunde von Barras, stand auf bestem Fuße mit Fouché, sehr gut mit Bernadotte und dachte Minister zu werden, indem er sich Hals über Kopf in die Partei stürzte, die bis Marengo gegen Bonaparte heimliches Spiel trieb. Wäre nicht der Sturmangriff Kellermanns und der Tod Desaix' dazwischengekommen, so wäre Monsieur du Bousquier ein großer Politiker geworden. Er war einer der hohen Beamten der niemals zur Macht gelangten Regierung, die das Glück Napoleons hinter die Kulissen von 1793 zurücktreten ließ. Der hartnäckig und überraschend errungene Sieg bei Marengo veranlasste die Niederlage dieser Partei, die fertiggedruckte Proklamationen in Bereitschaft hielt, um, falls der Erste Konsul unterlegen wäre, zum System der Bergpartei zurückzukehren. Vollständig von der Unmöglichkeit eines Sieges überzeugt, spekulierte Monsieur du Bousquier mit dem größten Teil seines Vermögens auf das Fallen der Wertpapiere und hielt zwei Kuriere auf dem Schlachtfeld in Bereitschaft: der erste ritt in dem Augenblick ab, da Melas siegreich war; aber in der Nacht kam der zweite vier Stunden später, um die Niederlage der Österreicher zu verkünden. Du Bousquier fluchte Kellermann und Desaix; dem Ersten Konsul wagte er nicht zu fluchen, denn der war ihm Millionen schuldig. Diese Alternative zwischen einem Gewinn von Millionen und dem völligen Ruin raubte dem Lieferanten seine sämtlichen Fähigkeiten, er war ein paar Tage wie blödsinnig. Er hatte mit dem Leben durch so schwere Exzesse Missbrauch getrieben, dass er diesen Schlag kraftlos auf sich herabfallen ließ. Er hoffte zwar noch auf die Begleichung seiner Schuldforderungen an den Staat; aber trotz seiner Bestechungsversuche traf ihn der Hass Napoleons gegen die Heereslieferanten, die auf seine Niederlage spekuliert hatten. Monsieur de Fermon, der so scherzhaft ›Fermons la caisse‹ (Schließen wir die Kasse!) genannt wurde, gab Monsieur du Bousquier keinen Sou. Die Unsittlichkeit seines Privatlebens, die Verbindungen dieses Lieferanten mit Barras und Bernadotte missfielen dem Konsul noch mehr als sein Spiel an der Börse; er strich ihn aus der Liste der Obersteuereinnehmer, in die er vermöge des letzten Restes seines Ansehens als Kandidat für Alençon hineingekommen war. Von seinem Reichtum behielt Du Bousquier zwölfhundert Francs Leibrente in Staatspapieren, eine zufällige Anlage, die ihn vor dem Elend bewahrte. Da seine Gläubiger nicht wussten, welches Resultat die Liquidation haben würde, ließen sie ihm nur tausend Francs konsolidierte Renten; aber sie wurden alle durch die Eintreibung der Rückstände und den Verkauf des Hotel de Beauséant, das Monsieur du Bousquier besaß, bezahlt. So blieb dem Spekulanten, nachdem er knapp am Bankrott vorbeigekommen war, sein Name unversehrt. Ein Mann, der vom Ersten Konsul ruiniert worden und dem der kolossale Ruf, den ihm seine Verbindungen mit den Spitzen der ehemaligen Regierung, seine Lebensweise und seine kurze Macht eingetragen hatten, vorangegangen war, interessierte die Stadt Alençon, wo heimlich der Royalismus herrschte. Der gegen Napoleon aufgebrachte Du Bousquier, der die Nöte des Ersten Konsuls, die Ausschweifungen Josephines und die geheimen Anekdoten aus zehn Jahren Revolution zum besten gab, wurde sehr gut aufgenommen. Zu dieser Zeit trat Du Bousquier, obwohl er gut und gern vierzig Jahre alt war, als ein Mann vor sechsunddreißig Jahren auf, der von mittlerem Wuchs, fett wie ein Heereslieferant war und mit seinen Waden, die eines zotigen Staatsanwalts würdig waren, paradierte; er hatte stark ausgeprägte Gesichtszüge, eine plattgedrückte Nase mit behaarten Nasenlöchern, schwarze Augen mit dichten Brauen, aus denen ein listiger Blick, wie bei Talleyrand, hervordrang, der aber etwas Erloschenes hatte; er behielt den republikanischen Backenbart bei und trug seine braunen Haare sehr lang. Seine Hände, die auf jedem Fingerglied mit einem kleinen Büschel Haare bewachsen waren, zeugten durch dicke blaue, vorspringende Adern von starker Muskelkraft. Er hatte einen Brustkasten wie der Herkules Farnese und Schultern, die die Staatsschuld hätten tragen können. Man sieht solche Schultern heutzutage nur noch bei Tortoni. Diese übermäßig ausgeprägte Männlichkeit fand sich ganz vortrefflich gekennzeichnet durch einen Ausdruck, der im vergangenen Jahrhundert gebräuchlich war, während man ihn heute kaum noch versteht: im galanten Stil der vorigen Epoche hätte Du Bousquier als ein wahrer ›rückständiger Zahler‹ gegolten. Aber so wie bei dem Chevalier de Valois fanden sich auch bei Du Bousquier Anzeichen, die zu dem Gesamteindruck der Person in Widerspruch standen. So hatte der ehemalige Lieferant nicht die Stimme seiner Muskeln. Nicht etwa, dass seine Stimme dünn und kreischend gewesen wäre, so wie sie manchmal aus dem Munde dieser zweibeinigen Robben herauskommt. Sie war im Gegenteil stark, jedoch dumpf; man wird am besten einen Begriff von ihr bekommen, wenn man sie mit dem Geräusch vergleicht, das eine Säge macht, die durch weiches, nasses Holz geht; kurz, es war die Stimme eines gehetzten Spekulanten.

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