Gastfreundschaft in der Antike und im frühen Christentum
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Otto Hiltbrunner. Gastfreundschaft in der Antike und im frühen Christentum
Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Die Urangst vor dem Fremden
2. Der Gast, ein indoeuropäisches Erbwort
3. Die ethische Viererregel
4. Xenos, ein Fremdwort im Griechischen
5. Alttestamentliche Beispiele orientalischer Gastregeln
II. Gastfreunde bei Homer
Theoretische Grundzüge
Gastfreundschaft der Reichen
Arme als Gastgeber
Sýmbolon, das Erkennungszeichen
Verletzung der Gastfreundschaft
Der Gastfreund im Privatrecht
Gastfreunde machen Politik
Grundregeln
Die Theorodokía
Die Proxenía39
Mahlgemeinschaften der Vereine
Römische Staatsgäste (hospitium publicum)
Das Patronat
Der Staat und ungebetene Gäste
Die Parochie
Militärische Einquartierung (hospitium militare)
Gastlichkeit jüdischer Gemeinden
Im Orient
Der cursus publicus im Imperium Romanum77
Die Frühzeit im Orient
Griechisches Gastwirtsgewerbe
Römische Wirte und Wirtshäuser
1. Das auszufüllende Defizit
2. Das Neue Testament
3. Der griechische Beitrag
Im Osten
Im Westen
Wort und Sache
Die Ausbreitung der Xenodochien im Osten
Die Übernahme im Westen
V. Gewerbliche Wirtshäuser seit der Spätantike
Die Geschichte des Wortes Xenodocheion
Zwei Gedichte auf das Xenodocheion
Abkürzungen
Anmerkungen
Register
Informationen zum Buch
Informationen zum Autor
Отрывок из книги
Otto Hiltbrunner
Gastfreundschaft in der Antike und im frühen Christentum
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Doch diese übersteigerte Vorsicht bleibt eine Ausnahme. Der Wille zur Kommunikation überwindet in aller Regel die Bedenken und Hemmungen. Mit dazu bei trägt eine natürliche Neugier. Man will von dem Ankömmling nicht nur erfahren, wer er ist, sondern auch, was er erlebt hat, was in der Welt draußen vorgeht, was dort anders ist. Der Vorsicht der Gastgeber muss das Verhalten des Ankommenden entsprechen. Will er unter dem Dach des ihn aufnehmenden gastlichen Hauses bleiben und in den Kreis der Hausbewohner aufgenommen werden, muss er Beweise dafür liefern, dass von seiner Seite nichts Böses zu befürchten steht. Die Frist, die Fremdheit gänzlich abzulegen, ist kurz bemessen. Zwei Tage Gast, vom dritten Tag an Hausgenosse ist ein altgermanischer Rechtssatz, der auch anderswo ähnlich befolgt wird und unter anderem bedeutet, dass der Neuaufgenommene nach zwei Tagen zu den täglich zu verrichtenden Arbeiten mit herangezogen wird. Wie alle anderen Hausgenossen unterstellt er sich dem Oberhaupt der Familie und dem Häuptling der Gruppe, fügt sich den hier geltenden Bräuchen und Gesetzen und verzichtet darauf, seinen eigenen Willen gegen seine Gastgeber geltend machen zu wollen. Entscheidend ist der Akt, mit dem der Ankömmling die Unterwerfung vollzieht. Symbolisch legt er seine Waffe nicht bloß nieder, sondern überreicht sie förmlich dem Gastgeber. Der wird dadurch zum Gastherrn. Die slawischen Sprachen haben mit ihrem Wort für „Herr“, gospod, den sprachlichen Ausdruck für das Verhältnis am reinsten bewahrt: gospod ist zusammengesetzt aus altbulgarisch gosti, das in germanischen Sprachen erscheint als gotisch gasts, altnordisch gestr, althochdeutsch gast. Ob das slawische Wort direkt als Erbwort aus dem Indoeuropäischen anzusehen sei oder als Entlehnung aus dem Germanischen, kann offen bleiben. Im Altlatein hat hostis noch die Bedeutung Gast. In der zweiten Silbe des slawischen gospod, -pod, steckt der Begriff der Macht und Herrschaftsgewalt, der sich in der Stammsilbe von lateinisch potestas und potentia wiederfindet, auch in lateinisch possum (ich kann), das aus potis sum (ich bin mächtig) zusammengezogen ist.
Dem Gastherrn steht es zu, die Geschenke des Gastes entgegenzunehmen. Er ist es, der die Riten vollzieht, mit denen ein Schuldbefleckter entsühnt wird, damit seine Nähe, seine Berührung, niemandem mehr schaden kann. Wenn dem Gast Hände und Füße gewaschen werden, bevor man sich mit ihm zum gemeinsamen Mahl niederlässt, ist das nicht bloß eine gebotene Erfrischung des Wanderers von den Mühen seines Weges, sondern zugleich ein Rest der rituellen Reinigungszeremonie. Das anschließende Gespräch, bei dem man Namen, Herkunft und Lebensumstände des Gastes erfährt, dient dazu, ihm seine Fremdheit zu nehmen. Die Stufen der Integration haben meist ihre streng geregelte Abfolge, von der nicht abgewichen wird. Höchster Grad in der Stufenleiter ist die Blutsbrüderschaft, durch die er zum Vollmitglied der aufnehmenden Gruppe wird.
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