Gastfreundschaft in der Antike und im frühen Christentum

Gastfreundschaft in der Antike und im frühen Christentum
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Im antiken Griechenland genoss der Reisende außerhalb seiner Heimat keinen Rechtsschutz. Er stand aber unter dem Schutz des Zeus Xenios, des Gottes der Fremden. Gast und Gastgeber tauschten Erkennungszeichen untereinander aus. Solche Gastfreundschaften konnten Generationen überdauern, einige griechische Staaten waren sogar durch ihre Verfassung verpflichtet, Gastfreundschaft zu gewähren. In Rom war der Ausländer ebenfalls rechtlos: Hier schützte Jupiter hospitalis den Fremden. Stand er in einem klientelähnlichen Verhältnis zu einem römischen Bürger, so übernahm dieser die Vertretung seiner Interessen. Private Gastfreundschaft war bei Römern und Griechen eine selbstverständliche Ehrenpflicht. Wer sie gegen Bezahlung ausübte wie der Gastwirt, galt daher als ehrlos. Erst aus dem Geist frühchristlicher Gastlichkeit entwickelte sich die Einrichtung von »Herbergen für fremde Gäste«, aus denen bis heute wirkende Institutionen wie »Hospitien« oder »Hospitäler« und damit letztlich unser Krankenhauswesen hervorgegangen sind. Der Autor stellt die wichtige Rolle der Gastfreundschaft für die Grundstruktur der antiken Gesellschaft heraus. Deutlich wird, dass die Kenntnis dieses Zusammenhangs Voraussetzung für das bessere Verständnis von Besonderheiten der Sozialgeschichte ist.

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Otto Hiltbrunner. Gastfreundschaft in der Antike und im frühen Christentum

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Die Urangst vor dem Fremden

2. Der Gast, ein indoeuropäisches Erbwort

3. Die ethische Viererregel

4. Xenos, ein Fremdwort im Griechischen

5. Alttestamentliche Beispiele orientalischer Gastregeln

II. Gastfreunde bei Homer

Theoretische Grundzüge

Gastfreundschaft der Reichen

Arme als Gastgeber

Sýmbolon, das Erkennungszeichen

Verletzung der Gastfreundschaft

Der Gastfreund im Privatrecht

Gastfreunde machen Politik

Grundregeln

Die Theorodokía

Die Proxenía39

Mahlgemeinschaften der Vereine

Römische Staatsgäste (hospitium publicum)

Das Patronat

Der Staat und ungebetene Gäste

Die Parochie

Militärische Einquartierung (hospitium militare)

Gastlichkeit jüdischer Gemeinden

Im Orient

Der cursus publicus im Imperium Romanum77

Die Frühzeit im Orient

Griechisches Gastwirtsgewerbe

Römische Wirte und Wirtshäuser

1. Das auszufüllende Defizit

2. Das Neue Testament

3. Der griechische Beitrag

Im Osten

Im Westen

Wort und Sache

Die Ausbreitung der Xenodochien im Osten

Die Übernahme im Westen

V. Gewerbliche Wirtshäuser seit der Spätantike

Die Geschichte des Wortes Xenodocheion

Zwei Gedichte auf das Xenodocheion

Abkürzungen

Anmerkungen

Register

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Otto Hiltbrunner

Gastfreundschaft in der Antike und im frühen Christentum

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Doch diese übersteigerte Vorsicht bleibt eine Ausnahme. Der Wille zur Kommunikation überwindet in aller Regel die Bedenken und Hemmungen. Mit dazu bei trägt eine natürliche Neugier. Man will von dem Ankömmling nicht nur erfahren, wer er ist, sondern auch, was er erlebt hat, was in der Welt draußen vorgeht, was dort anders ist. Der Vorsicht der Gastgeber muss das Verhalten des Ankommenden entsprechen. Will er unter dem Dach des ihn aufnehmenden gastlichen Hauses bleiben und in den Kreis der Hausbewohner aufgenommen werden, muss er Beweise dafür liefern, dass von seiner Seite nichts Böses zu befürchten steht. Die Frist, die Fremdheit gänzlich abzulegen, ist kurz bemessen. Zwei Tage Gast, vom dritten Tag an Hausgenosse ist ein altgermanischer Rechtssatz, der auch anderswo ähnlich befolgt wird und unter anderem bedeutet, dass der Neuaufgenommene nach zwei Tagen zu den täglich zu verrichtenden Arbeiten mit herangezogen wird. Wie alle anderen Hausgenossen unterstellt er sich dem Oberhaupt der Familie und dem Häuptling der Gruppe, fügt sich den hier geltenden Bräuchen und Gesetzen und verzichtet darauf, seinen eigenen Willen gegen seine Gastgeber geltend machen zu wollen. Entscheidend ist der Akt, mit dem der Ankömmling die Unterwerfung vollzieht. Symbolisch legt er seine Waffe nicht bloß nieder, sondern überreicht sie förmlich dem Gastgeber. Der wird dadurch zum Gastherrn. Die slawischen Sprachen haben mit ihrem Wort für „Herr“, gospod, den sprachlichen Ausdruck für das Verhältnis am reinsten bewahrt: gospod ist zusammengesetzt aus altbulgarisch gosti, das in germanischen Sprachen erscheint als gotisch gasts, altnordisch gestr, althochdeutsch gast. Ob das slawische Wort direkt als Erbwort aus dem Indoeuropäischen anzusehen sei oder als Entlehnung aus dem Germanischen, kann offen bleiben. Im Altlatein hat hostis noch die Bedeutung Gast. In der zweiten Silbe des slawischen gospod, -pod, steckt der Begriff der Macht und Herrschaftsgewalt, der sich in der Stammsilbe von lateinisch potestas und potentia wiederfindet, auch in lateinisch possum (ich kann), das aus potis sum (ich bin mächtig) zusammengezogen ist.

Dem Gastherrn steht es zu, die Geschenke des Gastes entgegenzunehmen. Er ist es, der die Riten vollzieht, mit denen ein Schuldbefleckter entsühnt wird, damit seine Nähe, seine Berührung, niemandem mehr schaden kann. Wenn dem Gast Hände und Füße gewaschen werden, bevor man sich mit ihm zum gemeinsamen Mahl niederlässt, ist das nicht bloß eine gebotene Erfrischung des Wanderers von den Mühen seines Weges, sondern zugleich ein Rest der rituellen Reinigungszeremonie. Das anschließende Gespräch, bei dem man Namen, Herkunft und Lebensumstände des Gastes erfährt, dient dazu, ihm seine Fremdheit zu nehmen. Die Stufen der Integration haben meist ihre streng geregelte Abfolge, von der nicht abgewichen wird. Höchster Grad in der Stufenleiter ist die Blutsbrüderschaft, durch die er zum Vollmitglied der aufnehmenden Gruppe wird.

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