Grüner Rasen, blaue Wellen
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Otto von Gottberg. Grüner Rasen, blaue Wellen
Grüner Rasen, blaue Wellen
Отрывок из книги
Otto von Gottberg
Durch das Abteilfenster sah Hullmann am weissen Schild eines Bahnhofsgebäudes die Aufschrift Grossbeeren. Dem Ziele nahe, nahm er die Depesche aus der Brusttasche seines Überziehers und las wieder:
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Exzellenz v. Drewitz trat mit den Hunden ans Fenster. Die Tiere hoben Köpfe und Pfoten auf das Brett. Seine Finger krauten ihr Nackenhaar. Die Augen sahen durch die Scheibe auf das welke Gelb um die Zweige der alten Ulme im Hofe. Sonst linderte das Bild sanften Blätterspiels Schmerzen und bannte Ärger, denn warm wie seine Kinder und Tiere liebte er Bäume und Blumen. Heute schien ihm der unter seinen Augen gewachsene Baum fremd. Fremd fühlte er sich auch dem eignen Körper. Nach Gutdünken oder Laune hatte er mit ihm beim Vergnügen wie bei der Arbeit geschaltet und Stolz auf die strotzende Kraft der starken Glieder gespürt. Sein Eigentum schien der Leib, und war doch nur eine geborgte Hülle, ein Lehen Gottes, ein Haus, in dem er zur Miete wohnte. Fast glaubte er sich jetzt neben dem eignen Ich. Ohne sein Wollen oder Wissen murmelten die Lippen: „Exzellenz von Drewitz, räumen Sie auf!“
Selten hatte er an den Tod gedacht und nie ihn gefürchtet. Jetzt aber kam der Wunsch zu eben, bis die Zukunft von Vaterland, Haus und Kindern nach Sieg und Frieden wieder gesichert schien. Die Kraft seines Leibes hatte ihn stets überzeugt, er werde die in später Ehe geborenen Töchter noch verheiratet sehen. Unwillkürlich trat er zurück und hob die Augen zum Bild der verstorbenen Frau. Als Polizeipräsident von Berlin hatte er Elisabeth v. d. Helle vor zweiundzwanzig Jahren geheiratet. An den Hochzeitstag mochte er auch heute nicht denken, denn am Morgen des Festes kam Nachricht vom Verschwinden seines jüngeren Bruders mit Irmgard, der Schwester Elisabeths. Alfred hatte auf Wechseln den Namen des Älteren gefälscht, flüchtete nach England und nahm Elisabeths jüngere Schwester mit. Nicht einmal verlobt war das junge Ding dem verächtlich leichtsinnigen Tunichtgut. Niemand ahnte von ihrer Liebe zu ihm. Leidenschaftliche Briefe im Schreibtisch des Mädchens erklärten ihre Flucht. Der Polizeipräsident von Berlin konnte das Geschehnis vertuschen und der Majoratsherr auf Priedelsdorf die Schulden des jüngeren Bruders bezahlen. Langwieriges Ersparen der verausgabten Summen brachte ihm den Ruf eines Geizhalses. Die üble Nachrede hatte er gleichmütig getragen. Doch nach Gram und Ärger des Hochzeitstages kam bald der Schmerz über Elisabeths plötzlichen Tod. Die geliebte junge Frau erwartete vor zwanzig Jahren hier in Priedelsdorf die Geburt ihres zweiten Kindes, als durch Schneetreiben und Sturmwehen eines düsteren Winterabends ein Wagen vorfuhr. Kaspar v. d. Helle, Elisabeths Bruder, brachte den Schrecken, der nach vorzeitiger Geburt der kleinen Elisabeth bei Tagesanbruch der Mutter Leben endete. In der Halle traf der unwillkommene Besucher den zur Jagd in Priedelsdorf weilenden Vetter Fritz Drewitz, den heutigen General, der sofort begriff, dass die Wöchnerin vom Kommen ihres Bruders nicht hören dürfe. Doch ... Elisabeth ging durch die Halle, sah Kaspar und hörte ihn sprechen. Noch immer schrillte in den Ohren der grausige Schrei, der da als letzter von ihren Lippen durch das Haus gellte.
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