Jugenderinnerungen und Bekenntnisse

Jugenderinnerungen und Bekenntnisse
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Heyse verfasste auch eine der spannendsten Schriftsteller-Autobiographien des 19. Jahrhunderts. Der Dichter, selbst ein Prominenter, der viel in den arrivierten Kreisen verkehrte, lieferte in den Jugenderinnerungen und Bekenntnissen genau beobachtete Charakteristiken der berühmtesten Männer seiner Zeit. Hier finden sich unter anderem literarische Porträts der Freunde Adolph Menzel und Emanuel Geibel, Theodor Fontane und Hermann Kurz, Ernst Wichert und Ludwig Laistner. Ähnlich wie Goethe in Dichtung und Wahrheit hielt auch Heyse sich nicht mit privaten Episoden auf, sondern legte, im Bewusstsein seiner öffentlichen Rolle, eine als allgemeingültig zu verstehende Bilanz des 19. Jahrhunderts vor. Diese Erzählung seines Lebens ist zugleich eines der aufschlussreichsten Dokumente über die Verhältnisse im alten Berlin und München.

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Paul Heyse. Jugenderinnerungen und Bekenntnisse

Paul Heyse – Biografie und Bibliografie

1. Mein Elternhaus

2. Berliner Lehrjahre

4. Ein Jahr in Italien

7. Neues Leben

8. Mutter und Sohn

9. Drei Freunde

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Dichter und Schriftsteller, geb. 15. März 1830 in Berlin, gest. 2. April 1914 in München. Studierte in Berlin und Bonn klassische, dann romanische Philologie, machte im März 1852 eine wissenschaftliche Reise nach Italien und ward 1854 vom König Maximilian nach München berufen, um hier ganz seiner poetischen Ausbildung zu leben. Unter mannigfachen, im ganzen glücklichen Erlebnissen verblieb der Dichter dauernd in der bayrischen Residenz, auch nachdem er 1867 auf den bis dahin genossenen Jahrgehalt freiwillig Verzicht geleistet hatte. Mit der Buchtragödie »Francesca da Rimini« (Berl. 1850), den erzählenden kleinen Dichtungen: »Urica« (das. 1851) und »Die Brüder« (das. 1852) und seinen ersten Novellen hatte H. große Hoffnungen für sein Talent erweckt. Seine Poesie zeigte sich frisch sinnlich, plastisch und farbenreich zugleich, psychologisch sehr sein; dabei lag eine gewisse sonnige Heiterkeit selbst über seiner Behandlung tragischer Stoffe. Als Lyriker trat H. mit den im ersten Band seiner »Gesammelten Werke« vereinigten »Gedichten« (Berl. 1871, 7. Aufl. 1901) hervor, denen später das prächtige »Skizzenbuch«, Lieder und Bilder (das. 1877), die »Verse aus Italien« (das. 1880), »Neue Gedichte und Jugendlieder« (das. 1897) und die mit Beifall aufgenommene Sammlung »Ein Wintertagebuch« (Stuttg. 1903) folgten. Die erzählenden Dichtungen »Hermen« (Berl. 1854), die später den Titel: »Novellen in Versen« (5. Aufl. 1897) erhielten, und die erste Sammlung seiner »Novellen« begründeten Heyses Ruf als eines phantasievollen und nach reiner Kunstvollendung und Kunstwirkung strebenden Dichters, den alle spätern Werke, mit Ausnahme einer Anzahl mehr auf äußerlichen theatralischen Effekt berechneter Dramen, bekräftigten. Seine Haupterfolge fand er auf dem Gebiete der Novelle. Er verfaßte in fast ununterbrochener Produktion über hundert Werke dieser Gattung, die in 19 Sammlungen erschienen und teilweise zahlreiche Auflagen erlebten. Diese sind: I: »Novellen« (Berl. 1855, darin »L'Arrabbiata«), II: »Neue Novellen« (Stuttg. 1858), III: »Vier neue Novellen« (Berl. 1859), IV: »Neue Novellen« (das. 1862), V: »Meraner Novellen« (1864), VI: »Fünf neue Novellen« (1866), VII: »Novellen und Terzinen« (1867), VIII: »Moralische Novellen« (1869), IX: »Ein neues Novellenbuch« (1871), X: »Neue Novellen« (1875), XI: »Neue moralische Novellen« (1878), XII: »Das Ding an sich und andre Novellen« (1878), XIII: »Frau v. F. und römische Novellen« (1881), XIV: »Troubadour-Novellen« (1882), XV: »Unvergeßbare Worte und andre Novellen« (1883), XVI: »Buch der Freundschaft« (1883), XVII: Dasselbe, neue Folge (1884), XVIII: »Himmlische und irdische Liebe« etc. (1886), XIX: »Villa Falconieri und andre Novellen« (1888). Es folgten: »Der Roman der Stiftsdame« (1886, 12. Aufl. 1903), »Weihnachtsgeschichten« (1891), »Aus den Vorbergen« (1892), »In der Geisterstunde und andre Spukgeschichten« (1894), »Melusine und andre Novellen« (1895). Daneben erschienen einzeln: »Das Glück von Rothenburg« (Augsb. 1883, 5. Aufl. 1897), »Siechentrost« (das. 1883), »Verratenes Glück. Emerenz« (Stuttg. 1896), »Männertreu. Der Sohn seines Vaters« (das. 1897), »Medea. Er soll dein Herr sein« (das. 1898), »Die Macht der Stunde. Vroni« (Stuttg. 1899), »Neue Märchen« (das. 1899, 4. Aufl. 1904), »Der Schutzengel« (Leipz. 1900), »Novellen vom Gardasee« (Stuttgart 1902), »Ninon und andre Novellen« (das. 1902), »San Vigilio« (das. 1902). Durch Anmut des Vortrags und warme Lebendigkeit des Details ausgezeichnet, sind diese Novellen dem poetischen Gehalt, der Gestaltungskraft nach nicht immer gleichwertig, viele darunter, wie: »L'Arrabbiata«, »Die Einsamen«, »Das Mädchen von Treppi«, »Im Grafenschloß«, »Der Weinhüter von Meran«, »Andrea Delfin«, »Der letzte Kentaur«, »Der Roman der Stiftsdame«, »Siechentrost« u. a., wahre Meisterstücke. In den epischen Dichtungen: »Die Braut von Cypern« (Stuttg. 1856), »Thekla« (das. 1858, 2. Aufl. 1863) und »Syritha« (Berl. 1867) bewährte er wie in den Novellen die eigenartigen Vorzüge seines Talents. Als Dramatiker durchlief er eine eigentümliche Entwickelung. Die Tragödie »Meleager« (Berl. 1854), die Preistragödie »Die Sabinerinnen« (das. 1859, 3. Aufl. 1879) und »Ludwig der Bayer« (1862) trugen noch ziemlich akademisches Gepräge. Mit den Schauspielen: »Elisabeth Charlotte« (1864), »Maria Moroni« (1865), »Die Pfälzer in Irland« u. a. zog er sich den nicht unbegründeten Vorwurf zu, der Tagesrichtung der Bühne auf Kosten der Poesie allzu große Konzessionen gemacht zu haben. Die Tragödien: »Hadrian« (1865), »Graf Königsmark« (1876), »Elfriede« (1877; vgl. Erich Schmidt, Elfride-Dramen, in dessen »Charakteristiken«, 1. Reihe, S. 441 ff., 2. Aufl., Berl. 1902), »Alkibiades« (1883), »Don Juans Ende« (1883), »Die Hochzeit auf dem Aventin« (1886), »Vanina vanini« (1896), »Die Fornarina« (1896), »Der Heilige« (1902), die Schauspiele: »Hans Lange« (1866), »Colberg« (1868, 28. Aufl. 1904), »Die Göttin der Vernunft« (1870), »Ehre um Ehre« (1875), »Die Weiber von Schorndorf« (1881), »Das Recht des Stärkern« (1883), »Getrennte Welten« (1886), »Die Weisheit Salomos« (1887), »Prinzessin Sascha« (1888), »Weltuntergang«, Volksschauspiel (1889), »Kleine Dramen« (1889), »Ein überflüssiger Mensch« (1890), »Die schlimmen Brüder« (1891), »Wahrheit?« (1892), »Jungfer Justine« (1893), das durch die Theaterzensur in Preußen etc. verbotene biblische Drama »Maria von Magdala« (1899, 28. Aufl. 1904), das durch eben dieses Verbot eine unverdiente Verbreitung erfuhr, und »Das verschleierte Bild zu Sais« (1901) und die Lustspiele: »Gott schütze mich vor meinen Freunden« (1888), »Ein unbeschriebenes Blatt« (1893), »Der Bucklige von Schiras« (1898), widerlegten diesen Vorwurf. Aber trotz dieser fleißigen, ja leidenschaftlichen dramatischen Tätigkeit konnte H. mit keinem Stück einen dauernden und unbestrittenen Bühnenerfolg erreichen, wenn auch manche, wie namentlich »Hans Lange« und »Colberg«, von Zeit zu Zeit immer wieder auf den Brettern erscheinen. Dramatische Skizzen aus der biblischen Urzeit und dem klassischen Altertum gab er in den »Mythen und Mysterien« (Stuttg. 1904). Ungleich erfolgreicher war er mit seinem erstern größern Roman: »Kinder der Welt« (Berl. 1873, 3 Bde.; 21. Aufl. 1903), der gewaltiges Aufsehen erregte; seine Tendenz wie seine künstlerische Anlage fanden begeisterte Zustimmung wie heftigen Widerspruch, der jedoch auf keiner Seite so weit ging, die geistige Bedeutung und den poetischen Gehalt des Ganzen in Frage zu stellen. Ein zweiter großer Roman: »Im Paradiese« (Berl. 1875, 3 Bde.; 13. Aufl. 1903), gleichfalls aus der modernen, namentlich Künstlerwelt, in einzelnen Episoden und Figuren von höchster Meisterschaft zeugend, veranlaßte wiederum heftige Proteste gegen die ihm zugrunde liegende eudämonistische Lebensanschauung. Der dritte Roman Heyses: »Merlin« (Berl. 1892, 3 Bde.; 5. Aufl. 1896), der gegen die Naturalisten und Materialisten gerichtet ist, fiel hingegen durch den Mangel an frischer Poesie sehr ab. Auch der Roman »Über allen Gipfeln« (1895, 8. Aufl. 1897) gewann nur bedingten Erfolg. Weitere Veröffentlichungen von H. sind: »Jungbrunnen« (Berl. 1875); »Die Madonna im Ölwald«, Novelle in Versen (das. 1879); »Der Salamander. Ein Tagebuch in Terzinen« (das. 1879); »Spruchbüchlein« (das. 1885). Viel Interessantes boten seine »Jugenderinnerungen und Bekenntnisse« (Berl. 1900). Außerdem erschienen von ihm treffliche poetische Übertragungen, wie: »Spanisches Liederbuch« (mit Em. Geibel, Berl. 1852, 3. Aufl. 1904); »Italienisches Liederbuch« (das. 1860); »Die glücklichen Bettler, morgenländisches Märchen nach Gozzi« (das. 1867); Übertragungen der Gedichte von Giuseppe Giusti (das. 1875), der Gedichte und Prosaschriften von Leopardi (das. 1878, 2 Bde.), beide wiederholt in den »Italienischen Dichtern seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Übersetzungen u. Studien« (das. 1889–90, 4 Bde.; Bd. 5: Lyriker und Volksgesang, neue Folge, 1905); auch für die von Bodenstedt geleitete deutsche Shakespeare-Ausgabe lieferte er mehrere Stücke. Mit Herm. Kurz gab er den »Deutschen Novellenschatz« (Münch. 1870–76, 24 Bde.) und den »Novellenschatz des Auslandes« (das. 1872 ff., 14 Bde.), mit Laistner den »Neuen deutschen Novellenschatz« (das. 1884–88, 24 Bde.), außerdem das »Neue Münchener Dichterbuch« (Stuttg. 1882) heraus. 1884 erhielt H. für seine dramatischen Schöpfungen vom deutschen Kaiser den großen Schillerpreis. Seine »Gesammelten Werke« (Berl. 1897–99, 29 Bde.), die Romane und Novellen enthaltend, zeigen den Reichtum und die Anmut seines Talents im besten Licht. Von seinen Novellen (zuletzt gesammelt, Stuttg. 1904, 10 Bde.) erschien eine »Auswahl fürs Haus« in 3 Bänden (Berl. 1890, 6. Aufl. 1898). Die »Dramatischen Dichtungen« umfassen 34 Bändchen (Berl. u. Stuttg. 1864–1903). Vgl. O. Kraus, P. Heyses Novellen und Romane (Frankf. a. M. 1888); G. Brandes, Moderne Geister (das. 1887); L. Marholm, Wir Frauen und unsere Dichter (Wien 1895).

Den ersten Anlaß zur Aufzeichnung meiner Jugenderinnerungen gab der Wunsch, meinem teuren alten Geibel einen Nachruf zu widmen, der unser Freundesverhältnis und den vielfachen Dank, den ich ihm schuldete, etwas ausführlicher schilderte. Hieran schlossen sich zwanglos, wie mir gerade die Stimmung kam, Rückblicke auf andere Menschen und Erlebnisse, ohne die Absicht, eine regelrecht durchgeführte Selbstbiographie zu verfassen. Zu einer solchen hätte es gehört, wenigstens in kurzem Umriß ein Bild der Zeit zu geben, in der ich aufwuchs, während ich mich bloß mit meinen eigenen Schicksalen und Abenteuern beschäftigte und sie zum Besten gab, wie man etwa guten Freunden behaglich plaudernd von einer langen Reise berichtet, wobei man die Kenntnis der Landkarte voraussetzt. Nicht einmal meine seit 1852 geführten Tagebücher oder die Briefe mit meinen Eltern und Freunden zog ich dabei zu Rate, um auch nur die Daten stets sicherzustellen. Am Schluß fügte ich allerlei Bekenntnisse über mein ästhetisches Credo hinzu, die gleichfalls ohne Anspruch auf Erschöpfung der Themata keinen anderen Wert hatten, als zu erklären, wie ich auf dem Wege, den ich gewandelt, gerade der geworden war, als den mich Freunde und Gegner seit langen Jahren kannten.

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Als unser Oberlehrer die Stimmzettel ablas, die wir ihm eingereicht hatten, und auf jedem, außer meinem eigenen, mein Name stand, lief ein dumpfes Murren durch die Reihen der Bänke. Wie aber auch der letzte verlesen war, wieder mit meinem Namen, und der Lehrer erklärte: »So hat also Heyse einstimmig die Medaille erhalten« –, da brauste wie ein wahrer Sturm durch das Klassenzimmer der ebenso einstimmige Ruf: »Heyse nich! Heyse nich! Heyse nich!«

Statt mich meines Erfolges zu freuen, saß ich auf meinem Primussitze wie ein armer Sünder, der zu Pranger und Staupe verurteilt wird, kalter Schweiß trat mir auf die Stirn, auch in dem Lächeln des Lehrers glaubte ich meine Schande zu lesen, als er sagte: »Ihr seid wunderliche Jungen. Warum habt ihr ihm denn die Medaille zuerkannt, wenn ihr sie ihm nicht gönnt? Nun muß es einmal dabei bleiben.«

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