Отрывок из книги
Happy oder glücklich
Es gibt einen Witz mit zwei jüdischen Emigranten, die sich in New York auf der Straße treffen. Der eine sagt zum anderen: »Und? Bist du glücklich?« Dieser andere antwortet nicht, also versucht es der erste noch einmal: »Bist du glücklich?« Es kommt wieder keine Antwort, und er fragt: »Bist du happy?« Da sagt wiederum der andere: »Happy ja, aber glücklich …?« Wer happy ist, muss nicht glücklich sein. Das ist etwas, das wir sofort verstehen, aber nicht unbedingt erklären können. Dass es Nuancen des Glücklichseins gibt, ist Teil unserer Erfahrung. Aus unserer Erfahrung wissen wir aber auch, dass wir Glück gar nicht wirklich definieren können.
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Wer nicht glücklich ist, nimmt professionelle Hilfe in Anspruch. Ganze Heere von Unglücklichen sitzen in therapeutischen Praxen, erwärmen sich für esoterische Angebote oder kaufen Ratgeber. Herr Eckart von Hirschhausen, der Arzt, der als ambulanter Kurpfuscher täglich in den Talkshows ordiniert, hat ein modernes Sachbuch mit dem Titel »Glück kommt selten allein …« geschrieben. Es wurde ein Bestseller. Frau Ines Maria Eckermann wiederum hat ein Sachbuch über antike Glückstheorien geschrieben. Es wurde kein Bestseller, aber wenn Ines Maria Eckermann Herrn Hirschhausens Erkenntnisse für »zu unspezifisch« hält, hat sie wahrscheinlich recht. Der ganze Sachbuch-Krempel à la Hirschhausen füllt die Buchläden mit Menschen, die es gerne unspezifisch haben wollen. Sie haben drogenhafte Lebenshilfebücher wie Frau Enders’ »Darm mit Charme« schon zuhause, oder Herrn Hirschhausens Elaborat »Die Leber wächst mit ihren Aufgaben«. Auf Zehennägel und Zirbeldrüsen ist in der Verlagsbranche schon Titelschutz beantragt. Der Buchhandel jubelt und der millionenfach verkaufte Herr Hirschhausen sowieso. So geht Glück. Die Soziologin Eva Illouz hat kürzlich gemeinsam mit Edgar Cabanas ein Buch namens »Das Glücksdiktat« geschrieben. Auch ein Buch, das sich sehr gut verkauft. Darin steht der Satz: »Das meiste von dem, was wir für unser Glück tun, ob es uns nutzt, enttäuscht, irreführt oder nicht, nutzt unterm Strich zuallererst jenen, die die Wahrheit über das Glück zu hüten beanspruchen.«
Eine meiner frühen Ideen vom Glück hat mit zwei Holländerinnen zu tun. Wahrscheinlich waren es Freundinnen meiner Großmutter, jedenfalls waren sie plötzlich bei uns zu Besuch. Sie hießen Nell und Wib, saßen einen Sonntagnachmittag lang auf unserem Sofa und sprachen mit jenem holländischen Akzent, der Rudi Carrell im Humorgeschäft zum Durchbruch verholfen hat. Die beiden Damen, deren Verhältnis zueinander mir als Kind nicht ganz klar war, erzählten und lachten. Sie erzählten eigentlich nur, um lachen zu können. Es wäre lächerlich gewesen, hätten sie nur gelacht. Aber so! Die beiden Frauen waren ein Ausbund an Glück, wie man damals vielleicht noch gesagt hätte. Sie waren das Gegenteil jener synthetisch hergestellten guten Laune, die zu dieser Zeit schon ihren Weg in die Fernsehapparate gefunden hatte. Das Fernsehen hat es geschafft, das Glück in seine eigenen medialen Formate abzufüllen. So wie der Marmeladenproduzent das Glück. Man kann es dem Publikum nicht einmal verdenken, dass es in manchen Jahrzehnten geradezu einen Glücksnachholbedarf hatte. Herr Kulenkampff zum Beispiel war damals zur Stelle. Seine blankpolierte Art sagte uns, dass es deutsche Höflichkeitsformen gibt, die durch den Krieg nicht nur keinen Schaden genommen haben, sondern in ihrer zeitlos chevaleresken Art auch in Friedenszeiten anschlussfähig sind. Herr Kulenkampff hat während des Krieges in Russland ein paar Zehen verloren. Ihm hat sich für den Samstagabend ein Mann angeschlossen, der früher bei der SS war. Martin Jente spielte in der Fernsehshow »Einer wird gewinnen« den Butler. Zuvor hatte er in Oberbayern noch eine Kabarettgruppe gegründet, die »Die Hinterbliebenen« hieß. Kein Witz! Die perfekte Tarnung.
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